Kinder und Jugendliche mit ASS im Kindergarten und Schulalltag zu begleiten und entwicklungsfördernd zu unterstützen zählt zu den herausforderndsten Aufgaben für alle Beteiligten.
Autismus-Spektrum-Störung ist eine unsichtbare Beeinträchtigung und wird oft erst mit dem Eintritt in den Kindergarten im Umgang mit Gleichaltrigen und in nur schwer bewältigbaren – scheinbar einfachen – Alltagsroutinen erkennbar.
Eine rasche fachliche Abklärung ist ein erster wichtiger Schritt für die optimale Förderung des Kindes. Ist die Diagnose ASS gestellt, ist es von Vorteil so früh als möglich mit einer autismusspezifischen Eltern-Kind-Therapie zu beginnen. Je früher damit begonnen wird, desto positiver wirkt sich das auf die Entwicklung des Kindes aus.
Voraussetzung dafür ist natürlich auch die Bereitschaft für eine guten Zusammenarbeit zwischen Eltern, Institution und Fachleuten.
Was können Eltern tun, um ihr Kind gut auf die Institutionen Kindergarten, Schule und Betreuungseinrichtungen vorzubereiten?
Die soziale Überforderung und die Überempfindlichkeit in den Wahrnehmungsbereichen sind meist die größten Probleme für das Kind. Anfangs zeigt sich das Kind noch angepasst und es kann noch viele dieser Herausforderungen kompensieren. Erfahrungsgemäß kippt nach etwa sieben bis acht Wochen die Situation. Stereotypien nehmen zu, schwierige Verhaltensweisen schleichen sich ein und bestimmen plötzlich den gesamten Alltag.
Es gar nicht so weit kommen zu lassen und dem Kind den Einstieg zu erleichtern sollte erstmals Priorität haben. Eltern können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Einiges kann bereits vorab mit dem Kind geübt werden. Folgendes gilt es zu bedenken, um hier einige Beispiele zu nennen:
- Passen Sie Ihren Familienalltag so gut als möglich mindestens einige Monate zuvor an den Tagesrhythmus der Institution an. Damit sind die Einschlaf- und Aufstehzeiten, die Jausen- und Essenszeiten, übliche Klozeiten und ähnliches gemeint. Viele Kinder verweigern aufgrund ihrer Wahrnehmungsproblematik das Essen und ebenso das Benützen der Toilette in den Institutionen. Manche nützen die Toilette auch als einen willkommenen Auszeitraum. Beides kann in weiterer Folge zu größeren Problemen führen.
- Das Essen einer gesunden Mahlzeit sollte schon vor Eintritt in die Institution angebahnt werden. Das ist ein wichtiger Bestandteil in der Grundversorgung und ein grundlegender Baustein für die gesunde Entwicklung Ihres Kindes.
- Das Verwenden von Strukturierungshilfen, die das Kind auch verstehen kann, kann ebenso schon zu Hause eingeführt werden. Ihre Therapeutin wird die für Ihr Kind geeigneten herausfiltern und Sie dabei gerne fachgerecht unterstützen.
- Gewöhnen Sie Ihr Kind so früh als möglich an eine Schulkleidung und Hauspatschen (Desensibilisierung). Häufig sind Kinder auf bestimmte Kleidungsstücke fixiert, ein Umgewöhnen belastet zusätzlich und ist in späteren Jahren oft kaum mehr möglich. Eine klare Trennung von Schul- und Freizeitkleidung kann außerdem schon eine erste einfache Strukturierungshilfe sein.
- Üben Sie mit Ihrem Kind das Gehen an der Hand, auch wenn es im Familienalltag als nicht notwendig erscheint. In der Institution wird es für die Sicherheit Ihres Kindes notwendig sein, damit es in der Gruppe auch überallhin mitgenommen werden kann.
- Einige wichtige Regeln, die für das Zusammenleben wichtig sind, sollten auch zu Hause gelten.
- Das Einüben der Alltagsroutinen (z.B. Hände waschen, Umziehen) sollte im Sinne der Methodengleichheit gut abgesprochen werden. Hier kann man sich gegenseitig unterstützen und auch voneinander lernen.
- Haben sie eine vertrauensvolle Basis zu den Betreuern aufgebaut, trauen Sie sich auch unangenehme Dinge anzusprechen. Nur so gibt es die Möglichkeit Ihrem Kind professionell zu helfen.
- Holen Sie sich Hilfe! Familienentlastungsdienst, Hilfe aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis oder professionelle Unterstützung für Sie als Elternteil können entlasten.
Was PädagogInnen und Betreuungspersonen wissen sollten:
- Basis ist eine gute Beziehung zum Kind. Das Kind muss vertrauen können. Es braucht viel Sicherheit und sollte anfangs noch durch den gesamten Alltag geführt werden.
- Kinder mit ASS brauchen Vorhersehbarkeit, lieben gleichbleibende Abläufe und Rituale. Deshalb ist ein klar strukturiertes Umfeld und ein oft bis ins kleinste Detail geplanter Tagesablauf sehr hilfreich für das Kind. Rituale können dabei richtige Stresskiller sein. Auf vorhersehbare Veränderungen im Tagesablauf sollte das Kind vorbereitet werden.
- Soziale Kompetenzen wie mit Gleichaltrigen zu spielen sind Kompetenzen, die meist erst erlernt werden müssen. Deshalb zählen Hofpausen und unstrukturierte Zeiten zu größten Herausforderungen des Kindes. Sie können ohne Hilfe oder anderen Alternativen (z.B. Auszeitraum, Sitzen und zuschauen, …) nur schwer bewältigt werden.
- Kinder mit ASS haben häufig Schwierigkeiten scheinbar einfache Handlungsabläufe in den Alltagsroutinen – wie zum Beispiel das An- und Ausziehen – auszuführen. Dabei brauchen sie oft körperliche Hilfestellung in Form von Handführung, damit ein Erlernen möglich wird. Als Begleiter das Kind zu bedienen ist der falsche Weg.
- Ein wortwörtliches Verstehen führt oft zu großen Missverständnissen auf beiden Seiten. Eine klare einfache Sprache kann das verhindern.
- Frustrationen bedeuten eine große Belastung für das Kind. Sich mitzuteilen fällt ihnen schwer. Plötzliche Wutanfälle und emotionale Durchbrüche sind oft die Folge. Mit Frustrationen adäquat umzugehen und die eigenen Gefühle zu regulieren sind langwierige und umfangreiche Lernprozesse. Viele soziale Entwicklungsschritte müssen aufgeholt werden.
- 80% dieser Kinder reagieren empfindlich auf Geräusche und sind allgemein hypersensibel. Um Kinder mit ASS vor einem „Overload“ zu schützen brauchen sie im Tagesablauf schon im Vorfeld häufiger Pausen als andere Kinder. Für diese sogenannten „Autismuspausen“ sollte ein reizarmer Raum zu Verfügung stehen. Bitte nicht warten bis das Kind total überlastet und schon in Rage ist. In diesem Zustand ist es oft nur mehr sehr schwer zu beruhigen und für das Kind ist der Tag schon „gelaufen“.
- Kinder mit ASS brauchen viel Lob und Motivation – viel mehr als andere Kinder. Vor allem brauchen sie die positive Rückmeldung, wenn sie etwas richtig gemacht haben. So kann unter anderem auch angepasstes Sozialverhalten erlernt werden.
- Kinder mit ASS sind hervorragende Regellerner. Das Aufstellen einiger klarer Regeln, die für das Zusammenleben wichtig sind und für alle in der Gemeinschaft gelten, kann für ein positives Miteinander sorgen.
- Kinder mit ASS wünschen und brauchen den sozialen Kontakt zu Gleichaltrigen, wissen aber meist nicht wie das gehen soll. In strukturierten Settings – wie zum Beispiel im kleinen Singkreis – gibt es viele Möglichkeiten das zu üben.
- Kinder mit ASS sind ehrliche Kinder. Mit ihrer Unvoreingenommenheit, ihrem Fach- und Spezialwissen können sie eine große Bereicherung für die Gemeinschaft sein.
Es bedarf für PädagogInnen viel Geduld, Durchhaltevermögen und vor allem Mut um sich auf diese spezielle Aufgabe einzulassen. Es braucht eine gute Leitung und die volle Unterstützung eines Teams, das diese verantwortungsvolle Aufgabe mitträgt.
Es ist ein verständlicher Wunsch der Eltern, dass PädagogInnen allen Empfehlungen nachkommen. Auch wenn sich Pädagogen bestmöglich engagieren möchten, gestaltet sich die Umsetzung aufgrund personeller, räumlicher und auch zeitlicher Ressourcen oft als äußerst schwierig und führt viele an die Grenze der Belastbarkeit.
Die wenigsten Einrichtungen verfügen über die räumlichen Vorrausetzungen und über genügend geschultes Personal. PädagogInnen haben die Aufgabe den Blick auf alle Kinder der Gruppe oder Klasse zu haben. Auch andere Kinder mit oder ohne Beeinträchtigung brauchen viel Unterstützung. Der bürokratische Aufwand ist so wie in vielen anderen Berufsgruppen gestiegen. Zusätzliche Termine für Elterngespräche, Vernetzungsgespräche und Helferkonferenzen sind oft ein organisatorisches Problem.
Schulassistenzen können zwar gut unterstützen, sind aber kein pädagogisches Personal und dürfen nur begrenzt eingesetzt werden.
Ideale Bedingungen sind selten vorhanden. Es gibt aber immer Optimierungsmöglichkeiten, wenn man danach sucht. Auch die gute Absprache im Team ist dabei sehr wichtig.
Eine gute Zusammenarbeit mit gegenseitiger Wertschätzung ist meiner Meinung nach die wichtigste Voraussetzung für gutes Gelingen. Je mehr gegenseitiges Vertrauen und je mehr gegenseitige Unterstützung desto besser kann sich das Kind entwickeln. Im Mittelpunkt sollte dabei immer das Kind mit seinen Eltern stehen. Und was man noch wissen sollte: Ein Lernen ist bei diesen besonderen Kindern ein Leben lang möglich!
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