Wenn ich in der Früh zum Büro gehe, begegnen mir viele Kindergarten- und Schulkinder, begleitet überwiegend durch Väter. Das ist anders als damals, als meine Kinder noch klein waren. Es scheint sich etwas zu verändern. Die Väterrolle ist im Wandel.
Eine eindeutige Diagnose von wo und wohin sie sich verändert, erscheint mir nicht möglich. Zu vielfältig sind die Väterbilder und die gesellschaftlichen Strömungen dahinter. Aber auch wenn wir den Wandel nicht genau festlegen können, kann es helfen, wichtige Einflussfaktoren bewusst zu halten.
Einer davon ist das Rechtssystem, ein Rahmen, innerhalb dessen der Wandel stattfindet. Die Grundlage des österreichischen Rechtsystems, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, basiert auf dem römische Recht mit seiner streng patriarchalen Struktur. Der „pater familias“ hatte im alten Rom weitgehende Rechte inne: Nicht nur verfügte er über den Besitz aller Familienmitglieder, er konnte auch über Eheschließungen und -scheidungen bestimmen, ja sogar über Leben und Tod der Familienmitglieder. Allzu lang und zu weit ist das österreichische Recht noch nicht über dieses System hinweg:
1977 Beseitigung des Züchtigungsrechtes, 1989 gänzliches Gewaltverbot in der Erziehung – Auch die sogenannte „G‘sunde Watschn“ war nun nicht mehr erlaubt. 26. Juni 1992: Unterzeichnung der Kinderrechtskonvention durch Österreich und am 20. Jänner 2011 deren Umsetzung in gültiges österreichisches Recht; 2013: Definition des Kindeswohls in § 138 ABGB;
In unsere heutigen Väterbilder fließen auch die der vergangenen Generationen ein.
Vor dem ersten Weltkrieg stellt das Ideal des bürgerlichen Vatertypus der backenbärtige Herr im steifen Anzug dar, der wie ein kleiner Kaiser Franz-Josef die Familie regiert. Sein Pendant aus der Arbeiterschicht geniest die bescheidene Häuslichkeit, nicht ohne seine Männlichkeit auch durch ausreichend Präsenz in Wirtshaus zu pflegen. In den 20-er Jahren zeigen sich die Einflüsse der beginnenden Emanzipation der Frauen kurz auch im Vaterbild. Doch mit dem Erstarken des Nationalsozialismus verbreitet sich das Ideal des Vaters, der in der Familie eine charismatische Herrschaft entfaltet. Während des Krieges fehlen auch diese Väter. Wenn sie dann endlich heimkommen, oft nach langer Kriegsgefangenschaft, sind sie nicht die Helden, als die sie fortgezogen sind. Geschwächt, oft krank und demoralisiert versuchen sie, entweder mit Härte die väterliche Autorität wiederherzustellen oder sie resignieren.
In den 50-ern findet das Männerbild mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft wieder zur Restauration der privaten Ordnung. Der Mann sorgt für das Haushaltseinkommen und verkörpert wieder die Autorität in der Familie. Mit der Demokratisierung und der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft in den 60-er Jahren kommt wieder Bewegung in das gesellschaftliche Gefüge. Aber die Vaterrolle bleibt. Gemeinsam mit den verschwiegenen Nazivergangenheiten vieler Väter bildet diese Diskrepanz eine der Grundlagen für die 68-er Bewegung. Das, wofür der Vater stand, soll abgeschafft werden: Die Autorität
Seither verteidigen Frauen mehr ihre Rechte. Männer sind zwar sichtbarer in der Vaterrolle, aber strukturelle Veränderungen sind noch gering. Trotz gesetzlicher Änderungen verbleiben Väter bis heute in der Rolle der Familienerhalter: Sind Kinder unter 15 im Haushalt, dominieren bis heute Männer in vollzeit-Erwerbstätigkeit als Alleinverdiener oder mit Frauen in Teilzeit (gemeinsam 63,5 %). Frauen als Alleinverdienerinnen oder in Vollzeit mit Männern in Teilzeit erreichen dagegen gemeinsam nur 4,8%.[1] Im Jahr 2020 fiel der Kindergeldbezug der Väter gar auf 3,56 % zurück.
Auch in der Beratung von Männern sehen wir nach wie vor die traditionellen Zuordnungen: Väter verdienen mehr Geld. Väter bauen Häuser. Väter sind Repräsentanten nach außen. Damit sie das tun können, orientieren sie sich an traditionellen Männerbildern: Sie sind stark und durchsetzungsfähig, kennen keine Gefühle, brauchen nicht reden, übergehen ihre Bedürfnisse und kennen keine Schmerzen.
Neue Anforderungen sind aber zugleich auch schon da: Moderne Väter wickeln, wir sehen Väter voller Stolz mit den Kinderwägen fahren und Väter finden sich bei Elternabenden. Wir sehen aktuell Männer, die Versuchen, sowohl die Anforderungen der alten Männerbilder als auch die Anforderungen der neuen Väterrollen zu erfüllen. Beides geht sich im vollen Umfang nicht aus.
Wie wichtig diese neuen Väter für ihre Kinder sind, sehen wir mittlerweile an mannigfachen Studien zur positiven Entwicklung von Kindern mit fürsorglichen Vätern. Aber auch den Vätern selbst tut es gut, wenn sich durch den intensiven Kontakt zu ihren Babys ihr eigenes Bindungsverhalten und ihr eigener Hormonhaushalt umstellt, wenn sie die Wichtigkeit von Gefühlen und Bedürfnissen entdecken und wenn sie merken, dass ihre Beziehungen zu ihren Kindern gelichwertig denen werden können, die die Kinder zu den Müttern haben. Das gelingt allerdings nur, wenn sie das Durchhaltevermögen haben, sich dem ganz normalen Alltag mit den manchmal großen, meist aber unzähligen ganz kleinen Sorgen und Bedürfnisse ihrer Kinder zu stellen. Und wie die Mütter müssen sie diese immer auf Abruf im Hinterkopf halten für den Fall, dass der Anruf aus dem Kindergarten kommt, dass das Kind jetzt mit Fieber abzuholen ist.
Damit sie das verwirklichen können, brauchen sie eine Gesellschaft, die Frauen gleich bezahlt wie Männer, damit Väter bei den Kindern bleiben können. Sie brauchen ein Umfeld, das Männer in bisher als weiblich konnotierten Rollen als normal akzeptiert. Und sie brauchen das Verantwortungsbewusstsein, sich auch gegen die Anerkennung im Beruf für die Beziehung zu den eigenen Kindern zu entscheiden.
[1] https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gender-statistiken/vereinbarkeit-von-beruf-und-familie; Abgerufen am 16.7.2024
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