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Süchtig nach dem Smartphone?

von Katica Schwarzenberger, MAS

Elternbildung
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Das Smartphone ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Für viele Kinder und Jugendliche stellt es das zentrale Kommunikationsmittel dar und ist dementsprechend ein fixer Begleiter im Alltag. Auch wenn die durchschnittliche tägliche Bildschirmzeit dann aus Sicht der Eltern schockierend hoch ist, liegt in den allerseltensten Fällen tatsächlich eine Internetsucht vor. Es können sich aber bedenkliche Nutzungsmuster entwickeln. Eltern sollten ihre Kinder dabei unterstützen, einen selbstbestimmten Umgang mit dem digitalen Alleskönner zu entwickeln. VIVID – Fachstelle für Suchtprävention gibt Tipps, wie das gelingen kann.

Wenn die pubertierende Tochter nur mehr mit dem Smartphone in der Hand zu sehen ist, um ihre Freund*innen auf Snapchat mit Neuigkeiten á la „abendessen heute voll cringe: butterbrot“, „bin so lost, wo ist eigentlich mein wasserglas?“, „schmeckt gut digga!“ zu versorgen, kann einem schon mal der Geduldsfaden reißen. Auch der Volksschüler, der Mutter und Vater seit einer gefühlten Ewigkeit in den Ohren liegt, dass er nur als stolzer iPhone-Besitzer die 3. Klasse meistern wird können, lässt die stoische Elternruhe hin und wieder aus dem Gleichgewicht geraten. Und die Dreijährige, die – lautstark „Will Fotos schauen!“ skandierend – sich nicht vom Fleck bewegt, just dann, wenn man doch am Morgen dringend aus dem Haus müsste, vermag ethisch-moralische Grundsätze der Elternschaft in Frage zu stellen. Denn möglicherweise gibt man der jungen Dame sein eigenes Handy dann doch – entgegen der guten Vorsätze – in die Hand, bloß um endlich aus dem Haus und pünktlich ins Büro zu kommen.

Gelassen bleiben!Elternbildung

Höchste Zeit durchzuatmen, Ruhe zu bewahren und sich ganz nüchtern ein paar Empfehlungen zum elterlichen Umgang mit dem Smartphone in Kinder- und Jugendhand zuzuwenden. Denn eines bleibt, so wie in vielen anderen erzieherischen Belangen auch, das oberste Gebot: Gelassen bleiben! Genau diese nötige Gelassenheit ist aber im Bereich der digitalen Medien für Eltern äußerst schwer zu erlangen und beizubehalten. Warum ist das so?
Der deutsche Psychotherapeut und Autor des Buches „Digitale Hysterie“, Georg Milzner, spricht in dem Zusammenhang vor allem von dem hohen Tempo, mit dem neue Medien, wie das Smartphone, jeden Bereich unseres Lebens erobern. Es fehle das „Genauso-war-ich-auch-Gefühl“. Die Folge ist eine Unruhe und gewisse Orientierungslosigkeit bei den Eltern in Bezug auf den erzieherischen Umgang mit den neuen Medien. Das liegt zum Teil auch an den vielen Funktionen, die ein Smartphone übernimmt. Seit dem Einzug der Alleskönner in unseren Alltag ist vom ausschließlichen Telefonieren oder Versenden von Nachrichten keine Rede mehr. Längst benutzen wir das Handy als Fotoapparat, Wecker, Terminkalender, Einkaufsliste, Lexikon und Zugang zu sozialen Netzwerken. Die meisten können sich ein Leben ohne Handy gar nicht mehr vorstellen. Wenn sich Volksschulkinder ein teures Smartphone wünschen, kommt meist noch eine weitere Funktion hinzu: die eines Statussymbols, welches einen selbst im Ansehen der Mitschüler*innen wachsen lässt.

Süchtig nach dem Smartphone?Elternbildung

Viele Eltern sind verunsichert, ob ihr Kind nicht schon süchtig nach dem Smartphone ist. In den allermeisten Fällen kann hier Entwarnung gegeben werden: um wirklich dem Krankheitsbild der Internetsucht zu entsprechen, müssten äußerst schwerwiegende Verhaltensmuster gegeben sein, die persönliche, familiäre, soziale, schulische und andere wichtige Bereiche des Lebens signifikant und über einen längeren Zeitraum beeinträchtigen würden. Es können sich aber durchaus bedenkliche Nutzungsmuster entwickeln, die oftmals zu Problemen im Familienalltag führen. Werden beispielsweise Nachrichten so oft abgerufen, dass Ihr Kind das schon selbst als unangenehm erlebt und dadurch an der zeitgerechten Erledigung von Alltagsaufgaben gehindert wird, sollten Sie aufmerksam werden. Ziel muss es sein, Kindern und Jugendlichen einen eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Umgang mit dem Smartphone beizubringen. Wie kann das gelingen?

Für Eltern empfiehlt es sich, ihren Kindern eine dem Alter entsprechende Begleitung im Umgang mit dem Smartphone zu bieten. Auch ist es wichtig, gemeinsam klare Regeln für die Nutzung aufzustellen, beispielsweise während der Schulaufgabe, abends vor dem Einschlafen, unter der Woche und am Wochenende. Eltern sollten sich überlegen, welche Zeiten handyfrei genutzt werden könnten, zum Beispiel während der Mahlzeiten, bei Ausflügen oder im Urlaub. Diese Regeln werden nur Erfolg haben, wenn man klare Grenzen setzt und auch für deren Einhaltung sorgt.
Eine wesentliche Empfehlung für Kinder aller Altersstufen ist es, dauerhaft im Gespräch über das Medium zu bleiben. Das erfordert Aufmerksamkeit und ehrliches Interesse daran, wie und wann ein Kind das Handy nutzt. Dazu gehört beispielsweise, sich die Funktionen des Smartphones von den Kindern zeigen zu lassen, bei Spiele-Apps auch mal mitzuspielen oder sich zu erkundigen welche TikTok-Videos gerade hoch im Kurs sind – ganz ohne „pädagogische Hintergedanken“ sondern ganz einfach um in die Interessenswelten seiner Kinder einzutauchen. Gleichzeitig muss man auch mögliche Gefahrenquellen (wie zum Beispiel Kostenfallen bei Mehrwertdiensten) im Auge behalten und diese mit den Kindern besprechen.

Handy-Verbot nicht sinnvollElternbildung

Es gilt, vor allem bei Jugendlichen, die hohe Bedeutung, die das Handy für sie als Kommunikationskanal zu ihren Freund*innen hat, zu respektieren. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis sozial eingebunden zu sein. Soziale Netzwerke im Internet machen es leicht, in Kontakt zu bleiben. Eingehende Nachrichten zeugen von Zuwendung und Interesse und können so den Selbstwert erhöhen. Ein Handy-Verbot würde mit einer Unterbindung der sozialen Beziehungen einhergehen und sollte deshalb weitgehend vermieden werden. Besonders bedeutsam wird dies im Rückblick auf zwei Jahre Pandemie:  Wenig überraschend hat in Zeiten des Distance Learnings und des deutlich eingeschränkten Soziallebens die Bildschirmzeit der Jugendlichen massiv zugenommen. Der größte Teil der Jugendlichen verbringt mehr Zeit vor dem Smartphone oder Laptop als noch vor Corona. Die Annahme, dass die verstärkte Nutzung von Internetangeboten allein ein komplexes Abhängigkeitsgeschehen nach sich zieht, ist mit Sicherheit zu kurz gedacht. Worauf junge Menschen aber sehr empfindlich reagieren sind sich verändernde Rahmenbedingungen und der Wegfall von Strukturen. Nicht von der Hand zu weisen sind deshalb Vermutungen, dass die Pandemie zu einer nochmals stärkeren Verbreitung von Internetnutzungsstörungen beigetragen hat, weil einige relevante Einflussfaktoren gegeben waren (oder noch immer sind):

  • Oft brachen wesentliche Ressourcen weg (z.B. Freizeitaktivitäten, direkter Kontakt zum Freundeskreis).
  • Gesellschaftliche Sicherheit wurde/wird vermisst (z.B. gewohnte soziale Strukturen und Alltagsroutinen).
  • Unsicherheit und Angst prägt das individuelle und gesamtgesellschaftliche Umfeld.
  • Das Vertrauen in eine verlässliche Umwelt fehlt (unsichere Zukunftsperspektiven und erlebter Kontrollverlust).

Umso wesentlicher ist es für Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen neben der nötigen Portion Gelassenheit folgende Grundhaltung als Botschaft auszusenden: „Was immer auch geschieht, ich bin für dich da!“. Gerade in diesen unsicheren Zeiten brauchen vor allem Jugendliche nichts dringlicher als das Wissen, dass sie bei ihren Bezugspersonen in jedem Fall einen sicheren Hafen vorfinden, auch wenn es einmal schwierig im Zusammenleben werden sollte. Wenn Kinder und Jugendliche intensiv erleben, dass die Menschen in ihrer Umgebung ein sicheres Auffangnetz bieten, das sie in herausfordernden Zeiten emotional auffängt, dann sinkt das Risiko sich nur mehr in virtuelle Welten und Abhängigkeiten flüchten zu wollen, erheblich. Dazu gehört auf jeden Fall, mit Kindern und Jugendlichen im Gespräch und in Beziehung zu bleiben. So schafft man auch die Voraussetzungen dafür, über die Smartphonenutzung der Kinder auf aktuellem Stand zu bleiben und auch Nachteile der ständigen Erreichbarkeit und der Informationsflut mit ihnen  thematisieren zu können. Mit den meisten Kindern und Jugendlichen kann man beispielsweise sehr konstruktiv darüber sprechen, in welchen Situationen das Smartphone nicht angebracht ist. Viele geben selber an, dass es sie nervt, wenn in einer Gruppe jemand ständig aufs Handy schaut oder Gespräche durch Klingeltöne unterbrochen werden.
Bei Kindern im Vorschulalter empfiehlt es sich, gut abzuwägen, wann eine Funktion des Handys genutzt werden darf. Es spricht nichts dagegen, hin und wieder mit den Großeltern zu telefonieren oder sich die Fotos vom letzten Familienausflug auf dem Smartphone anzusehen – hier ist aber wichtig, das kleine Kind nicht allein mit dem Handy zu lassen. Vor allem in dieser Altersstufe geht es ganz stark um eine gute Begleitung und das aufmerksame Da-Sein als Elternteil. Das Kind sollte lernen, dass das Handy zwar ein Bestandteil des Alltags ist, aber kein Ersatz für „greifbare“ soziale Beziehungen. Und am Ende ist es doch viel schöner, mit dem Opa direkt zu reden und die Fotos vom letzten Familienausflug ausgedruckt in einem Album durchblättern zu können.

Eigenes Nutzungsverhalten überdenkenElternbildung

Gerade weil das Handy so eine zentrale Stellung im Alltag einnimmt, ist es ratsam, dass Eltern auch das eigene Nutzungsverhalten überdenken: Springe ich gleich auf, wenn das Handy läutet und unterbreche dafür jede Unterhaltung? Liegt das Handy auch beim gemeinsamen Essen in Griffnähe? Kommt es auch vor, dass ich gar nicht höre was mein Kind mir sagt, weil ich auf den Bildschirm meines Handys starre? Man muss das Handy natürlich nicht aus dem Alltag verbannen. Aber man sollte sich in Erinnerung rufen, dass vor allem junge Kinder das Verhalten der Eltern nachahmen und so Verhaltensweisen verinnerlichen, derer man sich selbst vielleicht gar nicht bewusst ist.

Eltern, die ihre eigenen Mediengewohnheiten bewusst gestalten, mit ihren Kindern im Gespräch bleiben und hin und wieder das eigene Smartphone auch mal abschalten, schaffen eine gute Grundlage, damit ihre Kinder in der Lage sind, den digitalen Alleskönner selbstbestimmt, sinnvoll und verantwortlich zu nutzen.

VIVID – Fachstelle für Suchtprävention bietet Fortbildungen für Eltern und andere Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen. In der kostenlosen Elternbroschüre „Über Medien reden!“ wurden die wichtigsten Tipps rund um digitale Medien zusammengefasst. Die Broschüre steht auf www.vivid.at zum Download bereit.

Suchtberatung
b.a.s. Steirische Gesellschaft für Suchtfragen
0316 / 82 11 99
info@bas.at
www.suchtfragen.at

Drogenberatung des Landes Steiermark
0316 / 32 60 44
drogenberatung@stmk.gv.at
www.drogenberatung.steiermark.at


Kontakt für Rückfragen oder weitere Informationen:
VIVID – Fachstelle für Suchtprävention
Katica Schwarzenberger, MAS
Zimmerplatzgasse 13/I, A-8010 Graz
0316 / 82 33 00
katica.schwarzenberger@vivid.at

 

 

 


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