Sie haben Ihr Kind dabei erwischt, wie es Nacktbilder von sich selbst verschickt hat? Die Freund:innen Ihres Kindes verbreiten freizügige Bilder von ihm? Ihr Kind wird im Internet bedrängt und belästigt? Der Umgang mit freizügigen Bildern im Internet ist für Jugendliche und deren erwachsene Bezugspersonen eine Herausforderung. Bilder sind schnell erstellt, schnell verbreitet und können dann großen Schaden anrichten. Wie man als Elternteil auf solche besonders sensiblen Themen reagiert, ist vom Alter, Geschlecht und Umfeld des Kindes abhängig.
Sexting ist weit verbreitet
„Sexting“ – zusammengesetzt aus „Sex“ und „Texting“ (engl. für das Senden von SMS) – ist heute unter Jugendlichen weit verbreitet und gehört für viele zum Flirten oder zur Beziehungspflege einfach dazu. Beim Sexting machen Jugendliche von sich selbst erotische Fotos bzw. Nacktaufnahmen und versenden diese per Handy an Freundinnen und Freunde oder Bekannte. Oft landen die Bilder auch im Internet – z. B. in sozialen Netzwerken oder Foto-Communitys – und werden von dort aus an ein großes Publikum verbreitet.
In vielen Fällen werden die anzüglichen Bilder vorerst „nur“ zwischen Pärchen oder besten Freundinnen und Freunden verschickt (z. B. als eine Art Liebes- oder Freundschaftsbeweis oder zum Flirten). Wenn die Beziehungen oder Freundschaften aber in die Brüche gehen, landen möglicherweise einige der Fotos aus Rache auf diversen Handys bzw. öffentlich im Web oder werden zur Erpressung verwendet.
Sind solche Bilder einmal im Umlauf, besteht so gut wie keine Möglichkeit mehr, deren Verbreitung zu stoppen. Auch wenn Fotos im Internet z. B. nur für Freundinnen und Freunde freigegeben sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese in falsche Hände geraten. So können einmal verbreitete Aufnahmen auch Jahre später wieder auftauchen und künftigen beruflichen Karrieren und privaten Beziehungen massiv schaden. Es gibt also kein „Safer Sexting“!
Was sagt das Gesetz?
Erotische Fotos und Videos von unter 18-Jährigen gelten als sexuelle Missbrauchsdarstellung Minderjähriger – Besitz, Verbreiten und Veröffentlichen sind daher verboten und strafbar (§207a StGB). Eine Ausnahme besteht für das einvernehmliche Tauschen von eigenen pornografischen Aufnahmen zwischen zwei Jugendliche ab 14 Jahren, das im „Sexting-Paragrafen“ (§ 207a Abs. 5 und 6) geregelt ist.
Posing – aufreizende Selbstdarstellung
Werden für das Profil in einem sozialen Netzwerk Bilder erstellt, probieren Kinder und Jugendliche gerne vor dem Spiegel unterschiedlichste Posen aus, bis ein optimales Foto mittels Handy-Kamera entstanden ist. Viele Kinder und Jugendliche ahmen bei diesen Bildern ihre Idole auf YouTube, Instagram & Co. bzw. Darstellungen aus der Popmusik nach und bilden sich entsprechend aufreizend ab. Sehr oft sind sie auf solchen Fotos leicht bekleidet (Mädchen z. B. im „Spaghetti-Leibchen“, Burschen „oben ohne“). Die Kinder und Jugendlichen nutzen dazu alle Möglichkeiten der Kamera – von Filtereffekten bis hin zu besonderen Einstellungen – und leben dabei ihre Kreativität aus.
Häufig wird dabei vergessen, dass aufreizende Bilder, die als Profilfotos in sozialen Netzwerken dienen, von einer größeren Öffentlichkeit gesehen werden und oft in weiterer Folge die Basis für „Grooming“ sind.
Cybergrooming und sexuelle Belästigung im Internet
Vor allem Mädchen klagen immer wieder darüber, dass sie im Internet sexuell belästigt werden. Der Spielraum reicht dabei von unangenehmer Anmache bis hin zu hartnäckiger Belästigung über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Übeltäter können gleichaltrig, aber auch älter sein.
Beim Cybergrooming suchen Erwachsene „freundschaftlichen“ Kontakt zu Kindern, um sie später sexuell zu missbrauchen. Die Erwachsenen – in den meisten Fällen sind dies Männer – nutzen dabei zwei unterschiedliche Strategien: Entweder sie geben sich als Gleichaltrige aus und erwerben so das Vertrauen der Kinder, oder sie machen aus ihrem eigenen Alter kein Hehl und sind besonders aufmerksam und freundlich zu ihren späteren Opfern. Manche „Groomer“ geben sich auch als Modelagenten oder Talentsucher aus und versprechen den Jugendlichen, sie berühmt zu machen.
Eine beliebte Strategie der Täter ist es, den Kindern plausibel zu machen, wie hübsch sie sind und dass sie sich sehr freuen würden, noch mehr so nette Bilder sehen zu können. Haben Kinder das Gefühl, dass sie in ihrer „realen“ Umgebung wenig Aufmerksamkeit oder positive Unterstützung erhalten, so können sie leicht auf diese Masche hereinfallen. Ziel der Täter ist es in der Regel, ein reales Treffen zu vereinbaren, wo es dann unter Umständen zu sexuellem Missbrauch kommt. Weiters geht es Tätern immer wieder darum, aufreizende und pornografische Bilder von Minderjährigen zu erhalten und diese zu verbreiten.
Tipps:
- Der Dienst „Take It Down“ schützt vor der ungewollten Verbreitung intimer Bilder und Videos im Netz und wendet sich explizit an minderjährige Nutzer:innen. Diese können die eigenen Aufnahmen dort verschlüsselt melden und so mit wenigen Klicks schon vorsorglich verhindern, dass Nacktbilder bei Plattformen wie Instagram oder TikTok hochgeladen werden können.
- Im Fall von sexueller Belästigung und Cybergrooming gibt es eine Reihe spezialisierter Beratungsstellen, die Kindern und Jugendlichen bzw. deren Eltern mit professioneller Hilfe zur Seite stehen. Hier finden Sie Informationen zu den verschiedenen Anlaufstellen.
Wie spreche ich meinem Kind über solche Themen?
Ein Vater schaut seiner 16-jährigen Tochter über die Schulter und sieht, wie diese ein Nacktbild von sich selbst am Handy hat. Die Tochter schließt das Bild zwar ganz schnell, aber beiden ist klar, dass der Vater das Bild gesehen hat. Zuerst tut der Vater so, als wäre nichts gewesen. Nach einiger Zeit beschließt er aber, mit seiner Tochter darüber zu sprechen.
Hilfreich bei einem solchen Gespräch mit dem eigenen Kind ist:
- sich im Klaren darüber sein und vermitteln, dass dies eine peinliche Situation ist, die beide Seiten wohl lieber vermieden hätten. Kinder sprechen in der Regel nicht mit ihren Eltern über Fragen der Sexualität, sie suchen sich dazu andere Gesprächspartner:innen.
- auf die Konsequenzen hinweisen, die solche Bilder haben können, ohne die Kinder für die Bilder zu verurteilen. Müssen Kinder eine Abwehrhaltung einnehmen, können sie sich nicht mit den Konsequenzen beschäftigen.Das sind mögliche Folgen von veröffentlichten freizügigen Bildern:- Grooming
– Bilder verbreiten sich unkontrolliert im Netz
– Bilder tauchen in anderem Kontext und bei anderen Personen wieder auf (Einfluss auf spätere Beziehungen oder Auftauchen im Arbeits- oder Ausbildungskontext)
– Erpressen von/mit Nacktbildern
- klar machen, dass man auf jeden Fall hinter dem eigenen Kind steht, auch wenn es durch sein Verhalten eine unangenehme Situation verursacht hat. Auch wenn ein Kind ein freizügiges Bild veröffentlicht und dann Opfer von Grooming wird, ist trotzdem der Täter derjenige, der die Schuld trägt – nicht das Kind. Dies ist natürlich eine Gratwanderung. Hat das Kind nämlich das Gefühl, die Eltern „werden alles richten“, dann wird es auch weiterhin nicht besonders vorsichtig und weitsichtig sein.
Was kann ich als Elternteil tun, damit es erst gar nicht dazu kommt?
Bereits in frühen Jahren muss mit Kindern der Umgang mit Bildern im Internet thematisiert werden. Dies kann beispielsweise in Zusammenhang mit Bildern von Familienfeiern passieren. So könnte es in der Familie üblich werden, dass Kinder gefragt werden, bevor sie von Verwandten (inkl. Eltern) fotografiert werden. Dabei muss natürlich ein „Nein“ akzeptiert werden. Zudem empfiehlt es sich, mit allen Beteiligten der Familienfeier zu besprechen, wo die Bilder veröffentlicht werden und wer die Bilder dann sehen kann.
Fragen Sie Ihr Kind auch immer um Erlaubnis, bevor Sie ein Foto oder Video von ihm auf Facebook & Co. veröffentlichen. Gehen Sie generell sparsam mit Kinderbildern in sozialen Netzwerken um – viele Fotos, die Eltern „süß“ finden, können Kindern später peinlich sein oder im Extremfall zu Cybermobbing führen!
Erleben Kinder in der Praxis, dass sie ein „Recht am eigenen Bild“ haben und es tatsächlich funktioniert, „Nein“ zu sagen, so werden sie dies auch später im Zusammenhang mit freizügigen Bildern besser können. Auch ist es sinnvoll, mit Kindern in ihrer Kindheit über die Verbreitung von Bildern im Internet und mögliche Konsequenzen zu sprechen. Dies muss ja noch nicht im Zusammenhang mit „peinlichen Themen“ wie z. B. Nacktbildern stehen.
Frederica Summereder, BA
ist Redaktionsleiterin der EU-Initiative Saferinternet.at und Expertin für soziale Netzwerke, Online-Kommunikation und digitale Kompetenzen.
Cyber-Mobbing
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