Linkshändige Kinder wachsen in einer Umgebung auf, in der sehr viele Dinge und Situationen auf Rechtshänder ausgelegt sind. Oft wird behauptet, dass LinkshänderInnen flexibler sind, weil sie immer wieder ihre nicht dominante Hand verwenden oder irgendeine andere Lösung finden müssen. Das mag in manchen Fällen so sein, aber es gibt auch die andere Seite: LinkshänderInnen, die langsamer und ungeschickter zu sein scheinen, ein weniger schönes Ergebnis abliefern, oder einfach die Freude an einer Tätigkeit verlieren. Oft wird dies nicht auf die Linkshändigkeit zurückgeführt, sondern die LinkshänderInnen empfinden sich selbst als ungeschickt oder erhalten von Eltern, Freunden oder Pädagogen entsprechende Rückmeldungen.
Es wichtig, für LinkshänderInnen passende Gegenstände und Bewegungsabläufe zu finden, um unangenehme Erfahrungen zu reduzieren, aber auch um den linkshändigen Kindern von Anfang an die gleichen Chancen auf Erfolg und Anerkennung zu geben.
Im Haushalt
Grundsätzlich ist es günstig, händigkeits-neutrale Gegenstände anzubieten, d.h. Gegenstände, die mit beiden Händen gleich gut zu verwenden sind und somit für alle Familienmitglieder verwendbar sind.
Manche Werkzeuge, wie z.B. Scheren können dieses Kriterium allerdings nicht erfüllen und man kommt nicht daran vorbei, ein eigenes Linkshänder-Modell anzuschaffen.
Bei anderen Gegenständen lohnt es sich, ein wenig zu suchen, dann findet man Modelle, die Rechts- und LinkshänderInnen gerecht werden: Gemüseschäler, Messbecher etc.
Bei folgenden Gegenständen lohnt es sich, auf die Händigkeit zu achten:
Bei Bechern oder Tassen mit Motiven sollte das Motiv für das Kind selbst zu sehen sein, wenn es die Tasse mit der linken Hand hält.
Gemüseschäler gibt es symmetrisch gebaute (z.B. Sparschäler) oder eigene Linkshänder-Modelle.
Messer sind meist symmetrisch geschliffen, bei einseitig geschliffenen Messern ist es empfehlenswert, ein Linkshänder-Modell zu suchen, vor allem bei Messern mit Wellenschliff, wie z.B. dem Brotmesser.
Dosenöffner gibt es auch als Linkshänder-Modelle. Man findet auch Modelle, bei denen die Schraube von oben gedreht wird, diese sind für Rechts- und Linkshänder geeignet.
Die Computer-Maus sollte entweder eine ergonomische Linkshänder-Maus sein oder eine symmetrisch gebaute Maus. Bei dieser wird in der Systemsteuerung die Tastenbelegung geändert.
Es sind nicht immer die Gegenstände allein, die LinkshänderInnen Probleme bereiten. Manchmal sind es auch Bewegungsabläufe, die für Rechtshänder geplant sind oder von Rechtshändern vorgezeigt werden.
Linkshänder sollten alle Tätigkeiten, die sie spontan mit ihrer dominanten (überlegenen) linken Hand durchführen möchten, auch mit dieser Hand durchführen können und dürfen.
Das ist nicht immer selbstverständlich, z.B. wenn der Opa dem Enkel beim Nägel Einschlagen die Hand führen möchte und das Kind den Hammer in der linken Hand hält. Hier müssen andere Möglichkeiten gefunden werden: der Opa zeigt zuerst und das Kind probiert dann selbst oder der Opa versucht, mit der nicht-dominanten Hand zu führen.
Es gibt Arbeitsrichtungen, die für LinkshänderInnen seitenverkehrt zur Arbeitsrichtung der Rechtshänder laufen. Z.B. beim Abwaschen: Der Linkshänder hält meist das Geschirr mit der rechten Hand, schrubbt es mit der linken und legt es nach rechts ab. Wenn die Abwasch aber die Ablage an der linken Seite hat, wie eben meistens, ist es für den Linkshänder immer ein wenig umständlicher. Manchmal lassen sich solche Situationen ändern.
Es ist wichtig, vor dem Einrichten eines Arbeitsplatzes an die beteiligten Linkshänder zu denken. Wenn eine Situation für Linkshänder ungünstig ist und nicht verändert werden kann, sollte man auf das möglicherweise geringere Tempo oder das ungenauere Ergebnis Rücksicht nehmen. Man kann auch beteiligte Linkshänder darauf aufmerksam machen, warum diese Arbeit möglicherweise nicht so gut von der Hand geht.
Spielsachen
Hebel, Kurbeln, Türen, Griffe oder Stifte sollten am Spielzeug so angebracht sein, dass sie mit der linken Hand genauso gut zu bedienen sind wie mit der rechten, also in der Mitte oder links und rechts, z.B. bei Fahrzeugen, Bauteilen, Haushaltsgegenständen in Kleinformat, Zaubertafel etc.
Leider ist das nicht immer so und oft sind gerade sehr wirklichkeitsgetreue Spielsachen für Rechtshänder gebaut.
Sogar Kinderbücher können eine kleine Hürde für Linkshänder bedeuten. Unsere Leserichtung von links nach rechts und somit auch die Abfolge von Bildgeschichten oder Comics entsprechen der Wahrnehmungsrichtung von Rechtshändern. Bei Linkshändern verläuft die Wahrnehmungsrichtung aber von rechts nach links. Es kann also sein, dass ein linkshändiges Kind eine Bildgeschichte von rechts nach links anschaut, den Sinn nicht versteht und das Buch dann uninteressant findet. Darum ist es sinnvoll, solche Bücher am Anfang mit den Kindern zusammen anzuschauen, damit sie die Leserichtung von links nach rechts einüben und den Sinn der Geschichte erfassen.
Bücher mit Klappen oder Laschen zum Bewegen sind oft auch für Rechtshänder ausgelegt und für Linkshänder nicht so leicht zu verwenden.
Vor dem Kauf eines Spielzeugs wäre es gut, sich zu überlegen, ob es für ein linkshändiges Kind geeignet ist. Immer passend ist unstrukturiertes Spielzeug, dass viel Platz für eigene Handhabung und Kreativität lässt.
Basteln und Werken
Scheren für Linkshänder: sollte man kaufen, sobald die Kinder zu schneiden beginnen. Die Schneidblätter sind anders angeordnet, bei der Linkshänder-Schere öffnet sich das linke Schneidblatt nach oben, bei der Rechtshänder-Schere ist es umgekehrt. Der Blickwinkel und der Druck auf die Schneidblätter sind bei Rechts- und Linkshänder-Scheren verschieden.
Passen Schere und arbeitende Hand nicht zusammen, so ist es kaum möglich, die Schnittfläche zu sehen und genau auszuschneiden. Das linkshändige Kind hat mit der Rechtshänder-Schere einen deutlichen Nachteil, weil damit die Arbeiten nicht so gut gelingen können. Im Handel werden immer wieder Scheren angeboten, die für Rechts- und Linkshänder geeignet sein sollen, tatsächlich sind das aber Rechtshänder-Scheren – eine Schere, die für beide Hände gleichermaßen passt, gibt es nicht.
Spitzer für Linkshänder sind sehr hilfreich: die Drehrichtung ist umgekehrt, sodass die linke Hand von innen nach außen bewegt wird, was viel angenehmer und ergonomischer ist.
Es ist auch zu empfehlen, einen Cutter (Stanley-Messer) für Linkshänder anzuschaffen: damit kann mit der linken Hand geschnitten und auch die Länge des Messers eingestellt werden.
Kordel drehen mit der linken Hand braucht länger, weil die Wolle (die normalerweise rechts gedreht ist) zuerst aufgedreht wird, das Ergebnis wird dann lockerer.
Stricklieseln, Sticken, Nähen, Häkeln und Stricken sind links möglich, Anleitungen sind selten für Linkshänder geschrieben oder abgebildet. Man kann Abbildungen seitenverkehrt kopieren, im Internet oder Büchern nach Anleitungen suchen oder versuchen, den Ablauf seitenverkehrt nachzuahmen. Es gibt auch die Möglichkeit, sich vor einen Spiegel zu setzen und das Spiegelbild einer anderen Person als Vorbild zu nehmen. Hier muss man probieren, wie es am besten geht und manchmal ein wenig Geduld haben. Dies lohnt sich aber, denn es ist auf Dauer viel ergonomischer und angenehmer für Linkshänder, mit der linken Hand zu arbeiten und das Ergebnis ist zufriedenstellender.
Sport
Haltungen, Techniken und Abläufe sollten dem Linkshänder entsprechend gezeigt werden. In manchen Sportarten spielen aber auch andere Faktoren als die Händigkeit eine Rolle: die Kraft aus der Schulter, die Dominanz der Augen oder der Beine, Gleichgewicht, Drehrichtung etc.
Beim Tanzen ist zu beobachten, dass die Choreografien meist für Rechtshänder ausgelegt sind. Für Linkshänder könnte manches seitenverkehrt ausgeführt werden, das würde ihnen mehr entsprechen.
In den Mannschaftssportarten gibt es Positionen, die für Linkshänder günstiger sind, vor allem, wenn sie links schießen oder werfen.
Bei Schlägersportarten ist es wichtig, dass die Schläger symmetrisch geformt sind, um auch mit der linken Hand verwendet werden zu können.
Fechten ist für Linkshänder eine günstige Sportart, da alle Ausrüstungsgegenstände für Linkshänder erhältlich sind und es ebenso viele Linkshänder wie Rechtshänder gibt.
Bei den asiatischen Kampfsportarten ist es unterschiedlich. Im Aikido z.B. werden alle Techniken links und rechts trainiert.
Beim Bogenschießen ist nicht nur die Händigkeit, sondern auch die Dominanz der Augen von Bedeutung. Ideal ist, wenn Händigkeit und Äugigkeit übereinstimmen.
Diese Informationen wollen zeigen, wie wichtig es ist, im Alltag auf die Händigkeit zu achten. Ein bewusstes Wahrnehmen der Problematik kann viele Situationen lösen oder entschärfen und linkshändige Kinder können ohne allzu große Hürden aufwachsen.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Thematik in Zukunft mehr Beachtung findet und es Standard wird, auf die Bedürfnisse der Linkshänder Rücksicht zu nehmen.
Linkshändige Menschen sollen die gleichen Chancen bekommen wie rechtshändige Menschen. Wenn Linkshänder ihr Potential voll ausschöpfen können, sind sie eine Bereicherung für alle.
Andrea Schwarz
Sie ist Sonder-und Heilpädagogin und Linkshänderberaterin nach der Methodik Dr. Sattler und Feinmotoriktrainerin nach Hauke Stehn. Sie ist selbst Linkshänderin und hat drei linkshändige Töchter.
Mehr Infos über die Tätigkeit als Linkshänderberaterin finden Sie unter www.linksoderrechts.at
Infos für alle linkshändig begabten Menschen, ihre Eltern, sowie für Pädagog*innen können Sie auf der Website des Vereins Linke Hand nachlesen: www.linkehand.at
Optimaler Schuleinstieg für linkshändig begabte Kinder
Beginnt ein Kind seine Schullaufbahn, so überlegen sich viele Eltern was ihr Kind für den neuen Lebensabschnitt brauchen wird. Spezielle Fragen tauchen auf, wenn das angehende Schulkind die linke Hand bevorzugt. Vor allem rechtshändige Eltern sind unsicher, wie sie ihr Kind unterstützen können.
Kommentare