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Entwicklung von Bindung, Regulation und Sprache

von Carolin T. Schallhammer

Elternbildung
Elternbildung
Elternbildung

Wenn ein Baby geboren wird, ist es körperlich und emotional ganz von einem sicheren Umfeld abhängig: von Bezugspersonen, die seine Bedürfnisse wahrnehmen, deuten und hinreichend gut erfüllen können. Es muss nicht perfekt sein!

Eltern sind durch die Geburt ihres Kindes mit einer enormen Anpassung, Feinfühligkeit und völlig neuen Aufgabe gefordert. Und das rund um die Uhr! Die Hormonausschüttung in der Schwangerschaft, nach der Geburt, bei jedem Stillen und allein beim Anblick des Babys, unterstützen die Eltern dabei, sich in das Baby einfühlen zu können. Und das ist für das Baby unabdingbar, denn es kann noch nicht mit Worten ausdrücken, was es braucht, damit es ihm gut geht. Das Einfühlen gelingt den Eltern meist immer besser mit zunehmendem Kennenlernen des Babys und Einfinden in die neue Rolle, aber manchmal verstehen wir das Baby auch nicht (gleich) und das ist ganz normal. Wir können trotzdem mit dem Baby da sein.

Auch das Neugeborene bringt schon viele Kompetenzen mitElternbildung

Mit seinem Blickkontakt, seinen Lauten und Bewegungen setzt es bei den Eltern Signale zum Aufbau der Bindung und es kann schon unmittelbar nach der Geburt den Weg zur Brust – Quelle der Nahrung und Sicherheit – selbst finden.

Für das Baby ist es enorm wichtig und fürs Leben prägend, wenn die Eltern es so wie es ist willkommen heißen können, seinen Bedürfnissen feinfühlig auf der Spur sind, diesen nachkommen können und für ihr Kind da sind. Das stärkt das Urvertrauen und ist die Basis für die Fähigkeit, die Gefühle bei sich selbst und anderen wahrzunehmen, benennen und damit umgehen zu können. Es macht uns zu sozialen Menschen: Mit Mitgefühl, Empathie, Konflikt- und Kommunikationskompetenz.

Einstimmung auf den Rhythmus von Ruhe und Aktivität – Bindung und AutonomieElternbildung

Eltern fördern die Bindung und Entwicklung ihrer Kinder, indem sie deren individuelle Bedürfnisse und Rhythmus feinfühlig wahrnehmen. Das beinhaltet einerseits die aktive Unterstützung, wenn die Kinder Hilfe oder Kontakt benötigen. Andererseits aber auch die Fähigkeit sich zurücknehmen zu können, wenn die Kinder zufrieden mit sich selbst sind, in die Ruhe oder den Rückzug gehen, ein Nein setzen oder gerade selbständig und ungestört erkunden möchten. Es braucht eine hinreichende Einstimmung auf den individuellen Rhythmus des Kindes. Wie die Bindungsforschung immer wieder zeigt, bedeutet hinreichend gut, dass die Signale zu ca. 30% richtig erkannt und umgesetzt werden.

Dazu ist es wichtig, dass Eltern auch gut mit sich selbst und ihrem inneren Erleben verbunden sind, auf ihren eigenen Rhythmus achten und ihrer Gefühle und Bedürfnisse gewahr sind. Eltern haben in der Regel mehr Kapazität für vorübergehendes Zurückstellen ihrer Bedürfnisse als das Baby. Um sich gut auf die feinen Nuancen der Entwicklung ihrer Kinder einzustimmen, intuitiver handeln und auch mit ihrer Frustration und den schwierigen Gefühlen besser da zu sein, ist es wichtig, dass auch sie gut unterstützt sind.

Wie ein Kind seine Gefühle kennenlerntElternbildung

Ein kleines Baby kennt seine Bedürfnisse und Gefühle selbst noch nicht differenziert. Anfangs scheint es mehr ein globales Wohl-Fühlen oder Unwohl-Fühlen zu sein. Die Gefühle lernt das Kind erst durch das Mitfühlen, Spiegeln, Benennen und Beantworten durch sein Umfeld kennen und unterscheiden.

Die Bedeutung des SpiegelnsElternbildung

Wenn ein Baby lacht und jemand da ist, der mit ihm lacht, also seinen Gefühlsausdruck mit Mimik und Stimme spiegelt und sich auch von Herzen mitfreuen kann, dann erlebt sich das Baby als lachendes Wesen. Es erlebt, was Freude ist und dass es damit willkommen ist. Ebenso, wenn es seine Mundwinkel nach unten zieht und die Augen aufreißt, weil es sich gerade erschreckt hat: Wenn hier jemand da ist, der sich liebevoll und empathisch zuwendet, seinen Gefühlsausdruck spiegelt und ihm Unterstützung gibt mit der Situation umzugehen, dann lernt es auch mit unangenehmen Gefühlen umzugehen. Es macht die Erfahrung, dass es auch mit sogenannten „negativen“ Gefühlen angenommen ist und alles wieder gut wird. Im Weiteren lernt es in der Interaktion mit den Eltern, diese Gefühle zu benennen und seine Bedürfnisse auszudrücken.

AffektregulationElternbildung

Das Baby ist in seiner Affektregulation abhängig von seinen Eltern und ihrer körperlichen Nähe, um zu lernen, wie es sich beruhigt und wieder entspannt, nachdem es aufgeregt gespielt, geweint oder mal in fremden Armen gelegen hat.

Sowohl Freude als auch Angst und Ärger erregen das Nervensystem und den gesamten Körper des Kindes. Alle diese Gefühle brauchen eine Spiegelung. Werden sie zugestanden und das Kind im Umgang damit unterstützt, lernt es Affektregulation: gut mit dem umgehen können, was gerade ist.

Mit zunehmender Differenzierungsmöglichkeit und Reife des Kindes lernt es immer mehr verschiedene Möglichkeiten kennen, seine Bedürfnisse zu befriedigen und seine Gefühle zu regulieren.

Unangenehme Gefühle regulierenElternbildung

Nehmen wir zum Beispiel an, ein Baby erschreckt sich vor dem Staubsaugergeräusch. Wann immer es sich erschreckt, aufregt oder aus anderen Gründen in Stress gerät, geht sein Nervensystem in Alarmbereitschaft und startet sämtliche Überlebensmechanismen. Ein kleines Kind mit derselben biologischen Ausstattung wie der eines Babys aus der Steinzeit weiß noch nicht, ob es sich bei dem lauten Staubsauger um ein lebensbedrohliches Tier in Angriffsstellung handelt oder nur um ein modernes, eher harmloses Reinigungsgerät.

Ist nun eine vertraute Person bei ihm, die seine Gefühle erkennt, es hochnimmt, seinen Gefühlsausdruck spiegelt und mit mitfühlender Stimme verbalisiert „Oh, hast du dich gerade so erschreckt? Das ist der Staubsauger. Der ist ja wirklich furchtbar laut! Komm wir gehen ein bisschen weiter weg und schauen ihn gemeinsam von dort an.“, erlebt das noch hilflose Baby einerseits, dass es in seinen Gefühlen ernst genommen wird – unabhängig davon, wie der Erwachsene die Situation einschätzt – und andererseits Schutz. Außerdem bekommt es Worte dafür und ein unmittelbares Vorbild, an dem es sich körperliche und emotionale Regulation abschauen kann.

Gefühle benennen lernenElternbildung

Damit ein Kind seine Bedürfnisse und sein inneres Erleben verbal ausdrücken kann, braucht es jemanden, der sein Erleben erkennt, mitfühlt und die passenden Worte dazu anbietet.

Benennen die Bezugspersonen während dem Erleben des Kindes seine Freude, Aufregung, Langeweile, Angst, Erschrecken, Wut, Schmerz …. – anstatt zu sagen „Nix passiert!“ – lernt das Kind „wenn ich mich so fühle, ist das Angst, Freude, Wut…“. Im Weiteren kann es diese Ausdrücke dann selbst verwenden: „das macht mich traurig, dass die Oma wegfährt“ oder „ich bin wütend, dass du mein Spielzeug weggeräumt hast!“.

Dann ist das Kind nicht mehr ausschließlich darauf angewiesen, dass seine Bezugspersonen die Gefühle wahrnehmen und richtig interpretieren. Es hat eine „erwachsenere“, unabhängigere Möglichkeit gefunden, mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen gesehen zu werden und diese zu regulieren: die Sprache.

Spezielle Vorteile des StillensElternbildung

Stillen unterstützt den Bindungsaufbau und die Fähigkeit des Einfühlens durch die Hormone Oxytocin (Liebeshormon) und Prolaktin (Mütterlichkeitshormon). Die Hormone und die Körpernähe machen Entspannung und Glücksgefühle bei Mutter und Kind, unterstützen die Regulation und helfen beim wieder Einschlafen. Weiters fördert das Saugen an der Brust die Ausbildung der Sprechmuskulatur und die geistige Entwicklung. Wenn eine Mama nicht stillt, kann sie all diese Funktionen bewusst auch anders unterstützen.

Wie ist das nun mit der SELBSTregulation?Elternbildung

Häufig wird von Babys erwartet, selbst einschlafen und sich regulieren zu können. Sollen Babys schon zur Selbstregulation fähig sein und erst recht Erwachsene?

Wir sind ein Leben lang soziale Wesen und bezogen auf andere. Bindung ist so grundlegend wie essen und atmen. Ein Kind lernt über die Regulation im Außen von seinen Bezugspersonen zunehmend mehr Kompetenz im Umgang mit seinen Bedürfnissen und Emotionen.

Es ist aber auch in einer so symbiotischen Verbindung mit den Bezugspersonen, dass es ein unmittelbarer Spiegel seiner Umgebung ist. Häufig drücken Babys und Kinder unterdrückte Gefühle anderer Familienmitglieder aus. Sie sind sehr durchlässig und reagieren unmittelbar. Es geht also nie um das Kind allein. Wir können – und ich erlebe es fast als unausweichlich – viel von unseren Kindern über uns lernen.

Während Babys und Kinder abhängig sind von dem Umfeld, in das sie geboren wurden, haben Erwachsene die Möglichkeit aus freiem Willen Beziehungen zu wählen, gesunde Abhängigkeit zuzulassen und Nähe einzugehen und darin zu wachsen.

Fast alle Menschen leben in Bezug zu anderen Menschen und versuchen durch größtmögliche Autonomie im Wechsel mit größtmöglicher Nähe und Sicherheit die bestmögliche Regulation für sich auszuloten. Sprache ist dabei ein wichtiges Mittel. Dafür ist es hilfreich, wenn ich gelernt habe und ständig weiterlerne, meine Gefühle und Bedürfnisse zu fühlen und verbalisieren zu können.

Die ersten Erfahrungen sind grundlegend prägend, dann haben wir das restliche Leben Zeit, in vielen Durchgängen neue Erfahrungen zu machen und unsere Kompetenzen und Möglichkeiten zu erweitern.

 

Empfehlenswerte Literatur:

Bauer, J: Warum ich fühle, was du fühlst. Heyne Verlag, 2006: Ein Klassiker über Resonanz und Spiegelneurone.

Renz-Polster, H: Menschenkinder. Kösel Verlag, 2016 und Kinder verstehen. Born to be wild. Wie die Evolution unsere Kinder prägt. Kösel Verlag, 2016, 6. Aufl.: Bücher, die uns bestärken, auf kindliche Bedürfnisse zu achten und sie zu verstehen.

Gonzáles, C: In Liebe wachsen. La Leche Liga, 2006, 6. Aufl.

Lienhard, V: Mit Kindern neue Wege gehen. Arbor Verlag, 2005: Achtsame Elternzeitschriften

Wild, R: Freiheit und Grenzen – Liebe und Respekt, Beltz Verlag, 2016.

Juul, J: Aus Erziehung wird Beziehung. Herder, 2005; Dein kompetentes Kind, Rowolth Taschenbuch Verlag, 2009; Das Familienhaus, Beltz Verlag, 2016; Nein aus Liebe. Beltz, 2016: Bücher über die Bedürfnisse nach Bindung und Freiheit und über natürliches Grenzensetzen

Holubowski, A., Dr. Kruppa, K.: „Babys wissen was sie brauchen – und Eltern auch“

Dr. Heller, L.: „Entwicklungstrauma heilen“, Kösel Verlag, 2012

Schallhammer, C.: „Abstillen – wie kann ich mein Kind achtsam begleiten“ – erschienen in stilllexikon.de, 2018


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