Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Vater-Kind-Beziehung in der Fachliteratur vorwiegend in der Ablösungsphase des Kindes von der Mutter und in der Geschlechtsidentität von Buben in der Pubertät eine Rolle gespielt hat. Dieser Umstand hat sich auch in der Realität gespiegelt und Väter hatten oft die Haltung, dass kleine Kinder hauptsächlich die Mutter benötigen und sie frühestens aktiv gebraucht werden, wenn die Kleinen mit einem Ball spielen können.
Beobachtungen und Studien mit Neugeborenen und Kleinkindern haben jedoch ganz andere Ergebnisse geliefert: Bereits im Mutterleib nimmt das Kind die Stimme des Vaters wahr und kann diese später von anderen Stimmen unterscheiden.
Säugling reagiert auf den Vater anders
Wenn wir nun der Frage nachgehen, welche Rolle der Vater für ein neugeborenes Kind spielt, ist bemerkenswert, dass schon in dieser frühen Phase eine besondere Beziehung zu beobachten ist. Nähert sich die Mutter dem Säugling und nimmt dieser ihre Nähe, den Geruch und ihre Stimme wahr, verlangsamt sich seine Pulsfrequenz und die Motorik wird ruhiger. Wenn der Vater sich dem Säugling nähert, so beschleunigt sich Puls und Motorik und das Kind hebt die Schultern, wie wenn es einen Sprung machen möchte. Das könnte bedeuten, dass die Mutter in dieser frühen Lebensphase beim Kind Sicherheit und Geborgenheit auslöst, der Vater hingegen Aktivität und Neugier. Beide Impulse sind wesentlich für die Entwicklung eines Menschen. Auch Erwachsene brauchen Phasen der Ruhe und Phasen der Aktivität.
Väter sind anders
Der Vater ist für kleine Kinder oft weniger vorhersehbar in seinem Verhalten als die Mutter, die sehr vertraut ist. Väter nehmen die Kleinen auf, balgen mit ihnen herum und sind allgemein nicht so vorsichtig in ihrem Umgang. Dadurch wird das kleine Kind zunächst irritiert und es kann bei Überforderung auch weinen, sodass die Mutter zu Hilfe kommt. Andererseits lernt das Kind Neues kennen, sich anders zu spüren und die eigenen Grenzen werden so bereits sehr früh erfahren. Das hat Folgen. Auch draußen in der Natur traut der Vater dem Kind häufig einiges zu, lässt es auf Bäume klettern oder macht mit ihm ein Lagerfeuer. Wichtig ist dabei, dass der Vater Zeit alleine mit dem Kind verbringt, denn nur so kann der Unterschied im Umgang spürbar werden und vom Erziehungsstil und der Kommunikation der Mutter unterschieden werden.
Wenn Väter Kleinkinder in die KITA oder den Kindergarten bringen, werden diese häufig als weniger klammernd erlebt und lassen den Papa dann auch wieder leichter gehen. Beobachtungen haben ergeben, dass Kinder in Anwesenheit des Vaters eher bereit sind, neue Spielsachen auszuprobieren und sich auch weiter aus der Sicherheitszone der Bezugsperson zu entfernen. Wenn der Vater den Raum verlässt, suchen sie diesen häufiger lediglich durch Blickkontakt. Wenn die Mutter geht, fangen sie hingegen schneller an zu weinen. Dies weist auch auf die Bedeutung des Vaters in Bezug auf die Ablösung des Kindes hin.
Spaßkämpfe mit dem Vater
Kinder jeden Alters lieben es, mit dem Vater herumzutollen und Spaßkämpfe zu führen. Inzwischen weiß man, dass solche Spiele dem Kleinkind schon sehr früh eine Ahnung von Fairness und Grenzen aufzeigen. Wenn der Vater beispielsweise „Stopp“ sagt und das Spiel unterbricht, wenn er einen Schlag auf die Nase bekommt, lernt das Kind, dass es Grenzen wahren sollte und probiert dann auch aus, eigene Grenzen zu signalisieren. Es lernt dies auf diesem Weg sehr früh, unmittelbar im Spiel und ohne auf sprachliches Verstehen angewiesen zu sein.
Unterschiede in der Kommunikation
Es lässt sich während der ersten 6 Monate eindeutig erkennen, dass das Kind seinen Vater von seiner Mutter unterscheiden kann und mit beiden Eltern auf verschiedene Art zu kommunizieren vermag. Während Mütter dabei eine visuelle Stimulation beim Kind bevorzugen und ihm alles zeigen, wählen Väter oft die taktile und kinästhetische Stimulation.
Die Mutter ist für das Kleinkind meist beschützender, sanfter und in ihrem Verhalten vorhersehbarer. Der Vater ist fordernder und nicht so vorhersehbar in seinem Verhalten für das Kind. Das wirkt sich auch auf das Sprachverhalten des Kindes aus.
Vater und Sprachentwicklung
Während sich Mütter in der Regel sehr mit den ersten Lauten des Babys und den ersten Sprechversuchen befassen, sind auch hier die Väter oft anders. Mütter wählen eine kindgerechte Sprache, damit das Kleinkind sie je nach Alter und Entwicklungsstand auch verstehen kann. Väter sind nicht so „kindgerecht“ und nennen Dinge beim Namen, auch wenn sie das Kind noch nicht versteht. Ein „Gabelstapler“ heißt dann einfach so und wird vom Vater auch so genannt. Das Kind wird hier sehr früh schon gefordert und das fördert höchstwahrscheinlich auch sein Ausprobieren von neuen Lauten und schließlich Worten.
Väter erziehen geschlechtsspezifischer als Mütter
Väter sind im Durchschnitt mit ihren Söhnen strenger und fordern Disziplin in Sport und Spiel, sie spielen auch wilder und direktiver mit einem Sohn. Mit der Tochter sind sie vorsichtiger und unterstützender. Auch heute noch fördern Väter bei den Söhnen den Umgang mit der dinglichen Welt, nehmen sie beim Reparieren des Autos oder beim Holzspalten mit. Die Töchter werden eher im Umgang mit anderen Menschen gefördert und auch unterstützt. Interessanterweise geben weibliche Führungskräfte häufig an, dass ihre Väter sie nicht geschont haben und ihnen Dinge zugetraut hätten in der Kindheit, die normalerweise den Buben vorbehalten bleiben. Das habe sie gestärkt und motiviert, im Beruf besonderen Ehrgeiz zu entwickeln.
Väter und Schulleistung
Es ist nachgewiesen worden, dass Kinder mit Schulschwierigkeiten bessere Chancen haben, damit zurecht zu kommen, wenn sie vom Vater regelmäßig Unterstützung und Ermutigung erfahren. Die Forscher:innen sind sich nicht im Klaren woran es liegt: Hat es damit zu tun, dass das Kind den Vater dabei als präsent und positiv zugewandt erlebt oder hat es mit der Fähigkeit von Männern zu tun, Wissensinhalte besonders sachlich, nüchtern und entkoppelt von der Beziehungsebene zum Kind zu behandeln?
Spätere Auswirkungen einer positiven Vater – Kind – Beziehung
Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass Kinder, die während ihrer Kindheit eine stabile und tragfähige Vaterbeziehung hatten, Vorteile im späteren Leben haben:
- Höhere Resistenz gegenüber Stress und Belastungen während der Schulzeit.
- Größere Toleranz und Verständnis für Andersdenkende im Erwachsenenalter.
- Höhere Wahrscheinlichkeit einer Langzeitpartnerschaft.
- Soziale Ressourcen können eher genutzt werden.
- Hohe Teamfähigkeit in Schule und im Berufsleben.
Väter in der heutigen Zeit
Der Umbruch der Gesellschaft in Form neuer Geschlechtsidentitäten ist eine große Herausforderung nicht nur für Paare und Eltern, sondern auch für Kinder. Was ist, wenn ich als Kind nun zwei gleichgeschlechtliche Elternteile habe oder sich ein Elternteil für eine Geschlechtsumwandlung entscheidet? Das ergibt viele neue Fragen und Problemstellungen im Umgang mit dem Thema „Vater“. Vielleicht ergeben sich daraus neue Modelle, Rollenbilder und Herausforderungen, aber auch die Chance, sich von einem starren Rollenmodell zu lösen und neuen Konstellationen einen Raum zu öffnen.
Trennungsväter im Spiegel des Doppelresidenzmodells bei Obsorgeentscheidungen
Während bei einer Scheidung bzw. einer Trennung bisher die Kinder immer einem Elternteil zugesprochen wurden und den Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil hatten, gibt es aktuell in Österreich immer mehr richterliche Entscheidungen für ein sogenanntes Doppelresidenzmodell. Dabei haben die Kinder nach einer Trennung der Eltern zwei Wohnsitze und wechseln zum Beispiel wöchentlich zwischen dem Wohnsitz der Mutter und jenem des Vaters. Dies ist nur realisierbar, wenn die Wohnsitze nicht zu weit voneinander entfernt sind und ein Schulbesuch der Kinder an einem Ort möglich ist. Der Vorteil dieses Modells könnte sein, dass die Kinder nach einer Trennung weiterhin beide Eltern im Alltag erleben. Dies erfordert auch nach der Trennung jedoch einen guten Austausch der Eltern über die Belange der Kinder und auch über Erziehungshaltungen und Entscheidungen der Schulwahl und des Freizeitverhaltens. Das Doppelresidenzmodell zeigt in der Praxis aber auch neue Herausforderungen für die Kinder, denen man bei der Entwicklung dieser Lösung bisher zu wenig Rechnung getragen hat: Ein Kind hat nicht mehr seinen vertrauten Rückzugsort im eigenen Kinderzimmer, in dem sich alle ihm wichtigen Dinge wie Spielsachen, Bücher, Bilder, Erinnerungen aber auch Kleidungsstücke usw. befinden, sondern zwei. Auch Freundschaften in der Nachbarschaft sind davon betroffen, wenn das Kind beispielsweise nur jede zweite Woche in diesem Haushalt wohnt. Es ist wichtig, im Einzelfall genau zu prüfen, ob diese Lösung nicht nur für die Erwachsenen Vorteile bringt, sondern auch für die Kinder gut lebbar ist.
Dieter Breitwieser-Ebster
Sozialarbeiter und Elementarpädagoge, Projektleiter bei Papainfo
dieter@papainfo.at
Workshops für Eltern zu mehr gleichberechtigter Elternschaft:
Infos auf www.papainfo.at
Gleichberechtigte Elternschaft – faire Aufteilung der Familienaufgaben
Wie es gelingen kann und was es der Partnerschaft und dem Kind bringt.
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