Krisen können sehr unterschiedliche Gesichter haben und sehr individuell empfunden werden. Die Corona-Pandemie der letzten zwei Jahre ist nur ein Beispiel für Krisen, die Alleinerziehende besonders betreffen. Sie ist für alle, insbesondere aber für Alleinerziehende eine große Herausforderung, oftmals auch Überforderung. In diesem Artikel wird einerseits die Situation von Ein-Eltern Familien in der Pandemie beleuchtet, andererseits ein kleiner Leitfaden zur Krisenvorbereitung und –bewältigung gegeben.
Familien in der Pandemie
Familien sind während der Corona-Pandemie über lange Phasen damit konfrontiert, dass sie gleichzeitig Kinder betreuen, unterrichten und mehrmals täglich bekochen, während sie selber entweder im Home Office arbeiten oder trotz fehlender Kinderbetreuung am Arbeitsplatz anwesend sein müssen. Zusätzlich fallen in Zeiten von Kontaktreduzierung soziale Unterstützungs-Netzwerke weg und die Gesamtsituation ist eine psychische Belastung. In vielen Fällen kommt die Erkrankung eines Elternteils oder Kindes dazu, was die Situation enorm erschwert. Die Angst vor einem schweren Krankheits-Verlauf mit Spitalsaufenthalt ist bei Alleinerziehenden besonders groß, weil oftmals die Frage ungeklärt ist, wer sich dann um die Kinder kümmert.
Der Nachteil von Ein-Eltern Familien in Krisensituationen
In Zwei-Eltern Familien kann diese Last der Krisensituation auf zwei Elternteile aufgeteilt werden. Bei Ein-Eltern Familien ist eine einzige Person für alles alleine und gleichzeitig zuständig. In vielen Familien ist der zweite Elternteil trotz Trennung noch für das Kind da, das ersetzt aber nicht die Entlastung im Alltag sondern wirkt nur punktuell in Form von einzelnen „kinderfreien“ Tagen. Auch finanzielle Ressourcen sind in Ein-Eltern Familien weniger vorhanden, über die Hälfte ist armuts- und ausgrenzungsgefährdet.
Die Zuspitzung von Krisensituationen bei Ein-Eltern Familien spiegelt sich auch in Zahlen wider: Laut der Zeitverwendungsstudie der WU Wien und AK Wien arbeiteten Alleinerziehende während der 6 Wochen der striktesten Corona-Maßnahmen im Schnitt 15h am Tag (un-)bezahlt. Damit mussten sie im Vergleich mit Müttern und Vätern in Paarhaushalten mit Abstand am meisten von allen Elternteilen leisten.
Dabei gehen Alleinerziehende schon gesundheitlich vorbelastet in Krisen: Durch die permanente Herausforderung im Alltag durch Erwerbsarbeit, Familienmanagement und Haushalt sind Alleinerziehende tendenziell in einem schlechteren Gesundheitszustand als Mütter in Zwei-Eltern Familien. In Österreich liegt der subjektiv empfundene Gesundheitszustand von Alleinerziehenden unter dem Wert der verheirateten oder in Partnerschaft lebenden Personen. Zudem sind Alleinerziehende doppelt so häufig von psychischen Erkrankungen betroffen wie die Vergleichsgruppe.
Alleinerziehende haben also eine schwierigere Ausgangssituation für die Bewältigung von Krisen. Die Corona-Krise ist ein Extrembeispiel, doch die Grundproblematik, die hier sichtbar wird, zeigt sich auch in anderen Krisen.
Ressourcen als Schlüssel zur Krisenbewältigung
Der entscheidende Faktor zur Bewältigung von Krisen sind: Ressourcen. Zeitliche, finanzielle, soziale, körperliche, räumliche, strukturelle und persönliche Ressourcen. Eine Krise lässt sich besser überstehen, wenn man ausreichend Zeit neben den normalen Alltagspflichten hat, um neue Lösungswege zu suchen, sich Unterstützung zu suchen oder sich einfach zu erholen. Wenn man Geld für eine gute medizinische Versorgung oder bezahlte Unterstützung von außen hat. Wenn man Freund*innen anrufen kann oder die eine helfende Hand in der Nachbarschaft findet. Wenn man gesund und fit genug ist, um Phasen von großer Belastung durchzustehen und bei der Alltagsbewältigung körperlich nicht eingeschränkt ist. Wenn jede Person ein eigenes Zimmer als Rückzugsort hat. Wenn man die nächste Apotheke ums Eck hat und für die eigene Grundversorgung auf kein Auto angewiesen ist. Wenn man resilient ist und es auch im Krisenmodus schafft, sich erholsame Momente zu schaffen und an den Herausforderungen nicht zu zerbrechen.
Ein „Krisen-Notfallplan“ zur Vorsorge
Alle diese Ressourcen sind in den meisten Ein-Eltern Familien weniger vorhanden als in Zwei-Eltern Familien. Alle können aber daran arbeiten, die eigenen Ressourcen auszubauen, das ist die beste Krisenvorsorge. Wenn der Kopf einmal im Krisenmodus ist, fällt es schwer, einen Schritt zurück zu treten und einen „Krisen-Notfallplan“ zu erarbeiten. Daher macht es Sinn, sich in einer ruhigeren Phase dafür ein wenig Zeit zu nehmen.
Dabei können folgende Fragen und Themen hilfreich sein:
- Zeit: Welche Zeitfresser können im Notfall weggelassen werden, weil sie „nur“ Perfektionismus oder Erwartungen von außen geschuldet sind? Ist es meinen Kindern wirklich wichtig, dass sie z.B. jeden Abend vorgelesen bekommen oder kann ich das ohne schlechtes Gewissen auch mal weglassen?
- Geld: Von wem kann ich mir in Ausnahmesituationen Geld leihen? Wo kann ich um finanzielle Unterstützung ansuchen? Gibt es in Notfällen andere Möglichkeiten wie etwa den Verkauf von Gebrauchtem?
- Soziale Netze: Wen in meiner Nachbarschaft könnte ich im Notfall um Hilfe bitten? Was hindert mich daran, um Unterstützung zu fragen? Bei welcher Person weiß ich, dass sie im Notfall jederzeit zu mir nach Hause kommen würde? Wer kann mich kurzfristig mit Lebensmitteln oder Medikamenten versorgen?
- Körperliche Gesundheit: Wo sind meine körperlichen Schwachstellen, auf die ich gut achten muss? Was sind die Warnsignale meines Körpers, wenn mir alles zu viel wird? Wie kann ich vorbeugen, auch in nicht-Krisenzeiten? Welche Kassen-Leistungen kann ich jetzt schon in Anspruch nehmen?
- Wohnraum: Was kann ich z.B. während eines Lockdowns aus meiner Wohnung auslagern? An welche Orte können wir gehen, wenn uns die Decke daheim auf den Kopf fällt? Gibt es eine Möglichkeit auf eine geförderte Wohnung?
- Psychische Gesundheit: Wo kann ich mir kleine Ruhe-Inseln für mich schaffen? Habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich zuerst um mich selbst kümmere? Kann ich mir oder meinen Kindern professionelle Unterstützung von außen holen? Wo stehen meine Ansprüche an mich selbst mir im Weg?
Unterstützung im Gesundheits- und Sozialsystem
Auch in der Gesundheits- und Soziallandschaft gibt es einige Unterstützungsangebote für Krisensituationen. Je nach Bundesland unterscheiden sich diese voneinander. Über die Krankenkasse gibt es die Möglichkeit, Psychotherapie voll- oder teilfinanziert zu lassen, für akute psychische Krisen gibt es psychiatrische Ambulanzen. Eine Reha kann über die PVA möglich sein. Soziale Unterstützung kann man mitunter über Nachbarschaftsinitiativen oder die Gemeinde finden. Einige soziale Organisationen bieten in Krisensituationen Unterstützung daheim an. Geförderte Wohnungen können eine finanzielle Entlastung und eine Verbesserung der Wohnsituation sein. In finanziellen Notsituationen gibt es in jedem Bundesland Stellen, bei denen um Unterstützung angesucht werden kann. Ein Ausbau dieser Angebote wäre in allen Bereichen wünschenswert.
Um einen Überblick der Angebote und individuellen Möglichkeiten als Ein-Eltern Familie zu bekommen, ist es ratsam, sich an eine Beratungsstelle für Alleinerziehende zu wenden, wenn es im jeweiligen Bundesland eine gibt.
JUNO – Zentrum für Getrennt und Alleinerziehende ist seit 2015 eine zentrale Anlaufstelle für Alleinerziehende in Wien und seit 2021 auch in Niederösterreich. Wir bieten kostenlose Beratungen, Workshops und unterschiedliche Angebote im Bereich Wohnen an, nicht nur für Krisensituationen.
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