„Wenn Kinder anders sind“
Selten gibt es bereits unmittelbar nach der Geburt die Diagnose einer Behinderung. Auch wenn es diese gibt, sagt sie wenig über die Entwicklungsmöglichkeiten des betroffenen Kindes aus. Jedes Kind, ob mit oder ohne Beeinträchtigung, ist einzigartig. Prognosen werden keinem Kind gerecht.
Viele Behinderungen und Entwicklungsauffälligkeiten können erst im Laufe der ersten Monate, zum Teil auch später, festgestellt werden. Unsicherheit und banges Warten, medizinische und entwicklungspsychologische Abklärungen charakterisieren diese Zeit. Des Öfteren lässt sich gar keine klare Diagnose finden. Die Frage nach einer Ursache für die Behinderung ihres Kindes wird für Eltern zum Spießrutenlauf.
Thomas und Gerda, Eltern von Daniel, einem Kind mit Cerebralparese erzählen davon, dass ihre Gedanken anfangs um die Behinderung gekreist sind. “Warum gerade unser Kind, warum diese schwere Geburt? Sind wir zu spät in die Klinik gefahren? Haben wir etwas falsch gemacht? Was wird aus ihm, wenn er erwachsen ist? Was bedeutet die Behinderung für unser Familienleben? Ist bei uns alles anders? Werden wir ihm gerecht?“
„Nach so manchem langen Tag im Krankenhaus, ausgefüllt mit Untersuchungen und Expertengesprächen, fühlten wir uns oft sehr klein und inkompetent. Zu Hause haben wir es uns dann meistens mit Daniel auf seiner Spieldecke gemütlich gemacht. Im Spielen haben wir schrittweise wieder Kontakt mit ihm erlangt und gleichzeitig unsere Elternkompetenzen wieder wahrgenommen. Je mehr es uns gelang, unser Kind, so wie es ist, wahrzunehmen, umso besser ging es uns und umso normaler fühlten wir uns. Mit unserem Baby zu schmusen und zu lachen tat enorm gut,“ berichten Thomas und Gerda.
Sprechen Sie mit jemandem über Ihre Sorgen, Ängste und Gedanken – im besten Fall mit Ihrem/Ihrer Partner/in, mit einem/einer Freund/in oder mit jemandem, der Ihnen nahe steht. Es kann auch hilfreich sein, sich mit anderen Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung auszutauschen und zu sehen, wie andere mit dieser Herausforderung umgehen. Vergessen Sie dabei nicht, dass jedes Kind sich individuell entwickelt. Vermeiden Sie, Ihr Kind mit einem anderen zu vergleichen. Jedes Kind ist ein Unikat. Es liegt an Ihnen, es kennen zu lernen und seine Bedürfnisse heraus zu finden.
„Daniel hat es von Anfang an geliebt, mit mir oder seinem Papa gemeinsam zu baden. Tipps der Frühförderin, eigenes Experimentieren und genaues Hinschauen ließen uns herausfinden, wie er sich in der Badewanne am wohlsten fühlte. So haben wir uns langsam miteinander vertraut gemacht, so wie das alle Eltern mit allen Kindern der Welt tun,“ erzählt Gerda.
Martin, der Vater von Juliane, drückt seine Erfahrung beim Spielen so aus: „Juliane und ich haben tagelang mit dem Glockerlball gespielt. Ich war überrascht, was uns alles damit einfiel, und wie aufmerksam Juliane mit nur diesem einen Spielzeug war!“
Liebe Mama, lieber Papa!
Nun bin ich da!
Ich weiß, dass Ihr Euch mich ganz anders vorgestellt habt.
Ich fühle Eure Enttäuschung und Euren Schmerz.
Traurigkeit und Kummer umhüllen uns. Aus ist der Traum von der heilen Familie.
Ich habe auch Angst. Was wird nun aus uns? Werden wir uns mögen?
Ich sehne mich sehr nach der Wärme Eurer Arme, nach Eurer Nähe.
Ich bin anders, aber ich bin Euer Kind.
Wollen wir es gemeinsam versuchen?
Ich liebe Euch sehr.
Euer Baby
Worauf Eltern achten sollten
Wann und wo gelingt es Ihnen, die Welt zu vergessen und sich ganz auf Ihr Kind einzulassen?
Gelingt es Ihnen manchmal, etwas Neues über Ihr Kind heraus zu finden? Versuchen Sie im direkten Spiel mit Ihrem Kind zu erkunden, was es mag, was es zum Lachen bringt, wo es kitzlig ist, womit es gerne spielt, welche Materialien es gerne berührt, was es besonders interessiert, …
Versuchen Sie, die Aufmerksamkeit Ihres Kindes zu erlangen. Lassen Sie dabei Ihrer Fantasie freien Lauf. Wenn Sie mit einer Idee erfolgreich sind, bleiben Sie dabei, experimentieren Sie damit. Wichtig ist, dass Sie und Ihr Kind sich dabei wohlfühlen.
Bücher und Informationsmaterial können Ihnen helfen, Ideen zu finden. Legen Sie die klugen Bücher auch immer wieder zur Seite und folgen Sie Ihrer Intuition. Verlassen Sie sich ganz auf sich und Ihr Kind. Sie werden staunen, was Sie entdecken!
Schritt für Schritt werden Ihnen diese Ideen helfen, eine förderliche Umgebung für Ihr Kind zu schaffen. Ihr Kind fühlt sich darin wohl und hat Möglichkeiten, Neues zu entdecken. Achten Sie darauf, es nicht zu überfordern. Bieten Sie ihm gezielt wenig Material an.
Nehmen Sie sich so oft wie möglich Zeit mit Ihrem Kind in diese förderliche Umgebung ein zu tauchen. Ihr Kind beim Entdecken seiner Welt zu begleiten, eröffnet allen Beteiligten Welten.
Haben Sie schon professionelle Helfer/innen (Frühförderin/Frühförderer, Therapeut/in, Mediziner/in) gefunden? Diese können Sie dabei unterstützen, Ihr Kind besser zu verstehen und seine Besonderheiten heraus zu finden. Vielleicht können sie Ihnen auch erklären, warum Ihr Kind so reagiert und nicht wie erwartet.
„Bin ich behindert oder werde ich behindert?“
Kinder mit besonderen Bedürfnissen reagieren oft anders als erwartet. Für ein Kind mit einer Überempfindlichkeit der Haut sind manche Berührungen unangenehm und es reagiert mit massiver Abwehr. Eltern könnten aus dem Verhalten schließen, dass es in Ruhe gelassen werden will. Will es aber nicht, es möchte Aufmerksamkeit und Zuwendung von seinen Eltern wie jedes Kind, aber abgestimmt auf seine besonderen Bedürfnisse.
Negativspirale: Wenn das Kind nicht adäquat auf Zuwendung reagiert, fühlen sich Eltern zurück gewiesen. Sie nehmen ihre Zuwendungen zurück. Die Kontaktaufnahme ist gestört und der Bindungsaufbau dadurch gefährdet.
Haben Sie eine Vorstellung was passiert, wenn diese Spirale nicht unterbrochen wird?
Jedes Kind wird mit einer individuellen Grundausstattung geboren. Diese bestmöglich zu nutzen und weiter zu entwickeln, ist die Kunst jeglicher Entwicklungsförderung.
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