„Du musst auf dein Bauchgefühl hören!“, „Die Expertin XY schreibt aber…!“, „Früher haben wir das immer so gemacht, dir hat es nicht geschadet!“….
Sich als frischgebackene Eltern in diesem Dschungel an Informationen zurecht zu finden ist nicht so einfach. Gutgemeinte – aber meist auch ungefragte – Ratschläge und das eigene Bauchgefühl sagen oft etwas anderes.
Zeit des Zusammenwachsens und der Verunsicherung
Als werdende Eltern hat man oft konkrete Vorstellungen und Pläne wie die erste Zeit mit dem Baby sein wird. Nach der Geburt beginnt die magische Zeit des gegenseitigen Kennenlernens und Zusammenwachsens. Meist ist diese Zeit aber auch anstrengend und herausfordernd, anders als man sich das vorgestellt hat. Die Verantwortung für ein so kleines Baby zu haben, dessen Bedürfnisse zu erkennen, es rund um die Uhr zu versorgen ist herausfordernd. Die Wohnung ist nicht mehr so aufgeräumt wie früher und man ist müde nach durchwachsenen Nächten. Plötzlich ist da zu wenig Zeit – für sich selbst und für den/die PartnerIn und viele Fragen und Unsicherheiten tauchen auf.
„Mein Baby schreit viel, geht es ihm gut?“, „Mein Baby lässt sich nicht ablegen, habe ich es verwöhnt?“, „Mein Baby wacht häufig auf, ist das normal?“…. Was ist denn jetzt richtig? Ich will keinen Fehler machen! Soll ich auf meine Eltern/FreundInnen hören? Soll ich Erziehungsratgeber und das Internet befragen? Kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen?
Keine Sorge: All das ist vollkommen normal und erleben die meisten Eltern. Eltern-Werden ist ein stetiger (Lern)Prozess! Leider bringen Babys keine Gebrauchsanweisung mit 🙂
Die elterliche Intuition – unser Bauchgefühl
Intuitives Elternprogramm beschreibt das Wahrnehmen der Bedürfnisse des Babys und das unmittelbare „richtige“ Reagieren aus dem Bauch heraus. Dieses Programm aktiviert angeborene Verhaltensmuster, die die Eltern-Kind-Bindung fördern. So erhöhen wir intuitiv die Stimmlage und beugen uns nahe zum Baby, genau so weit wie Babys nach der Geburt sehen können. Wir reagieren innerhalb von Millisekunden auf die Signale des Babys, genau richtig schnell um Lernprozesse zu unterstützen. Aber ist das automatisch immer so?
Meist dauert es ein bisschen, bis wir uns als Eltern sicherer fühlen und die Signale des Babys erkennen und angemessen darauf reagieren. Es gibt aber auch Situationen, in denen uns das nicht gelingt, weil wir nicht alles wissen können und uns unser Bauchgefühl alleine auch nicht immer ausreichend helfen kann. Wir bekommen mit der Zeit aber Übung, sammeln Erfahrungen und Wissen. Und viele Dinge die bei anderen so leicht aussehen, werden auch für uns leichter.
Wie zuverlässig ist unser Bauchgefühl?
Unser Bauchgefühl ist nicht immer neutral und zuverlässig. Es wird beeinflusst von unserer Stimmung, Vorstellungen und Erfahrungen. Vor allem was den Umgang mit unseren Gefühlen und die Reaktion auf Bedürfnisse angeht, haben wir alle unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Gerade für diese neue, herausfordernde Situation frischgebackene Eltern zu sein, hat unser Bauchgefühl oftmals nicht den richtigen Tipp zur Hand. Einfach deshalb, weil wir bisher noch keine Erfahrungen sammeln konnten, noch keine Strategien entwickelt haben, wie es ist, wenn Babys untröstlich weinen und man sich überfordert fühlt. In solchen Momenten kriegen viele Eltern das Gefühl, dass egal was sie machen, nichts hilft. Sie denken etwas falsch zu machen und kein/e gute Mama/Papa zu sein.
Und dann kommen noch so manche Ratschläge von Großeltern oder aber auch (vermeintlichen) ExpertInnen dazu und lassen Eltern an ihrem Bauchgefühl und Entscheidungen zweifeln. Manchmal ist das Bauchgefühl auch unter all den Informationen aus Büchern und dem Internet verschüttet.
Auch soziale Medien tragen ihren Teil zur Verunsicherung bei. Bilder von Müttern/Vätern/Familien bei denen alles so leicht aussieht und die alles perfekt machen, erzeugen Druck und verunsichern. „Alle anderen schaffen das, nur ich nicht!“. Wichtig: Diese Bilder entsprechen meist nicht der Realität! Nicht jeder Tipp und jede Information im Internet entspricht neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und viele ExpertInnen haben sich selbst zu solchen ernannt. Darum überprüfe mit wem du dich vergleichst und woher deine Informationen stammen.
Es gibt nicht den Plan A – Unser Bauchgefühl als guter Ratgeber
Hilfreich ist zu überlegen „Was brauchen wir als Familie, mein Baby und ich JETZT im MOMENT?“ und „Passt das für mich/uns? Fühlt es sich gut an?“. Selbsternannte und qualifizierte ExpertInnen, Ratschläge von Eltern, Freunden, Erziehungsratgeber, all diese Informationsquellen stellen eine Art Buffet dar – aus dem du dir nehmen darfst, was für dich, dein Baby, für euch als Familie passt und stimmig ist. Unser Bauchgefühl ist oft ein sehr guter Ratgeber um vom Buffet das Passende auszuwählen.
Und wenn du verunsichert bist: Suche dir Informationen und Unterstützung, nicht erst dann, wenn du dich am Ende deiner Kräfte fühlst. Niemand kann alles wissen. Ein Blick von außen, fundierte Informationen oder qualifizierte Beratungsstellen helfen dir mit deinem Baby euren eigenen Weg zu finden und gut zusammenzuwachsen. Du musst das nicht alleine schaffen – „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ (afrikanisches Sprichwort)
Eva-Maria Strobl
Klinische Psychologin
Gesundheitspsychologin
Leitung FEM-Elternambulanz in der Klinik Ottakring
Die FEM-Elternambulanz bietet kostenlose, mehrsprachige psychologische Beratungen, Krisengespräche und Hilfe bei anhaltenden Stimmungsschwankungen und Überforderungen in der Schwangerschaft oder nach Geburten.
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Depression statt Mutterglück
Die Zeit der Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes bedeuten eine große Veränderung im Leben. Neue Herausforderungen stehen an und das bisherige Leben steht oft Kopf.
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