Wenn Vater und Mutter unterschiedliche Erstsprachen haben, eröffnet sich eine wunderbare Möglichkeit, das gemeinsame Kind zweisprachig großzuziehen. Es gibt sogar manche Konstellationen, die zu einer Dreisprachigkeit führen. Das ist eine große Chance für das Kind und die ganze Familie. Wichtig dabei ist es, einige Strukturen zu beachten und über zentrale Entwicklungsmomente Bescheid zu wissen.
Keine Angst etwas falsch zu machen
Oft fragen mich Eltern im Rahmen meiner Workshops, ob das Kind nicht verwirrt sei mit zu vielen Sprachen. Es ist vielleicht einer der wichtigsten Infos für Jungeltern deren Kinder mehrsprachig aufwachsen. Das Kind wird ganz und gar nicht verwirrt. Es erwirbt gleichzeitig zwei Erstsprachen. Wichtig ist, dass diese Sprachen ihren natürlichen Platz im Leben des Kindes haben und dass es für das Kind nachvollziehbar ist. Also beispielsweise, dass es mit Papa auf Serbisch spricht und mit Mama auf Deutsch.
Viele Vorurteile geistern herum
Wenn es um mehrsprachige Erziehung geht, geistern viele Vorurteile herum, sowohl positive also auch negative. Es würde ganz von alleine geschehen, das mit der Sprachvermittlung. Das mag für manche Familien zutreffen, viel öfter ist aber der Fall, dass bei voranschreitendem Alter des Kindes, mit Schuleitritt beispielsweise, man als Eltern gut überlegen sollte, wie man alle Sprachen des Kindes stärken kann und wie man es dafür langfristig motivieren, damit vor allem die Sprache, die nicht in der Schule verwendet wird, eine Chance hat, sich weiterzuentwickeln und mit den sprachlichen Bedürfnissen des Kindes mitwachsen kann. Oft wird auch behauptet, mehrsprachige Kinder würden später anfangen zu sprechen als einsprachige. Das stimmt so nicht. Diese Frage wurde empirisch gut untersucht und man kann sagen, dass Kinder Sprache unterschiedlich schnell erwerben und die sprachliche Entwicklung individuell verläuft. Jede familiäre Sprachsituation ist einzigartig und mit einer anderen kaum vergleichbar. Und auch jedes Kind ist einzigartig. Manche Kinder starten schon sehr früh mit dem Sprechen, andere brauchen etwas länger.
Die Sprache vor dem ersten Wort
Es gibt etliche Phasen, in der zweisprachigen Entwicklung des Kindes, die sehr spannend sind und Eltern überraschen können. Zu Beginn ihrer Entwicklung haben Babys die Möglichkeit, sich die Laute jeder Sprache dieser Welt anzueignen. Relativ bald jedoch konzentrieren sich die Kleinen auf das Lautinventar der ihnen dargebotenen Sprachen. Deshalb ist es sinnvoll, so früh wie möglich mit der zweisprachigen Erziehung des eigenen Kindes zu beginnen. In der Zeit, in der Babys noch nicht sprechen, tut sich trotzdem sprachlich sehr viel. Sie nehmen Sprache auf, versuchen sie nachzuahmen und mit den Eltern in Kontakt zu treten.
Zwei Tipps:
- Das Um und Auf für eine gute sprachliche Entwicklung ist Liebe, Zuneigung und Geborgenheit, egal mit wie vielen Sprachen das Kind aufwächst. Das Gefühl von Geborgenheit wird es ihm erlauben, gute Vorschritte in allen Sprachen zu machen.
- Viel mit dem Baby sprechen und am besten in der eigenen Erstsprache. Eltern sollten davon absehen in einer Fremdsprache mit ihrem Kind zu sprechen.
Der Sprachensalat gehört dazu
Kinder erwerben Sprache vor allem, indem sie die Eltern imitieren und sich an ihrer Sprache orientieren. Mehrsprachig aufwachsende Kinder bedienen sich unbewusst aller ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen Ressourcen. Was uns dabei auffallen kann, ist das Auftreten von Fehlern, unerkannt bleibt jedoch der viel umfangreichere gelungene Transfer von Bildungsmechanismen der einen in die andere Sprache. Deshalb sollten Eltern solche Fehlleistungen nicht überbewerten. Die Phase des sprachlichen Mischens ist bei Kindern, die gleichzeitig mit mehreren Sprachen aufwachsen, etwas vollkommen Natürliches. In aller Regel überwinden zwei- oder auch dreisprachig aufwachsende Kinder ab dem dritten Lebensjahr Stück für Stück diese Phase.
Drei Tipps:
- Eltern sollten eine Hauptkommunikationssprache mit dem Kinde haben, und sollten selbst im Umgang mit dem Kind vermeiden die Sprachen zu vermischen. Das hilft bilingualen Kleinkindern, zwischen den Sprachen zu trennen, gleichzeitig schafft es Klarheit, die sich positiv auf ihre Sprachentwicklung auswirkt.
- Die Sprache, die Eltern verwenden, sollte reichhaltig sein und von Zeit zu Zeit ein Stück weit über den alltagssprachlichen Gebrauch hinauszugehen.
- Wenn auf einen konkreten Fehler eingegangen werden soll, ist es besser dies indirekt zu tun, indem der Fehler korrekt wiederholt wird, zum Beispiel in Form einer Frage etc.
Geduld und Beständigkeit
Als Expertin für mehrsprachige Erziehung möchte ich Eltern vor allem daran erinnern, dass diese Form des Spracherwerbs viel Geduld erfordert. Mit der mehrsprachigen Erziehung lässt man sich auf ein Langzeitprojekt ein, das viel Beständigkeit und Ausdauer von beiden Seiten, Kind und Eltern, erfordert, damit sich die Sprachen gut entwickeln können. Denn mehrsprachige Erziehung bedeutet, dass Eltern ihr Kind sprachlich über viele Jahre fördern, es begleiten und dafür sorgen, dass es immer wieder neue Motivation schöpfen kann. Geduld bedeutet auch, dass wenn sich die ersten Probleme zeigen, zum Beispiel, wenn das Kind sich weigert in einer der Sprachen zu sprechen, man nicht aufgibt.
Ein Geschwisterkind kommt
Manchmal haben Eltern den Eindruck, das erstgeborene Kind sei sprachlich talentierter als das Geschwisterkind. Das stimmt so natürlich nicht. Untersuchungen zeigen, dass die erstgeborenen Kinder in ihrer Zweisprachigkeit effizienter sind und auch die schwächere Sprache, die nicht in der Umgebung gesprochen wird, besser erwerben, als die jüngeren Geschwister. Gründe dafür sind, dass die Eltern mit dem ersten Kind mehr gesprochen haben, es bekam die volle Aufmerksamkeit, dadurch ergaben sich mehr Gesprächssituationen, als beim zweiten oder dritten Kind. Und es kommunizieren die Kinder untereinander meist in ihrer stärkeren Sprache, in unserem Fall Deutsch. So beobachtet man oft, dass sich die Zweitgeborenen schwerer tun mit ihrer Zweisprachigkeit, aber nicht, weil sie weniger begabt sind.
Ein Tipp:
- Involvieren Sie das ältere Kind. Sagen Sie ihm, dass es Sie und das jüngere Geschwisterchen unterstützen kann, indem es mit ihm die schwächere Sprache spricht. Wichtig dabei ist es keinen Druck auszuüben. Wenn es klappt können sich die Eltern freuen, wenn nicht sollten sie es als den natürlichen Lauf der Dinge nehmen.
Freude an der Kommunikation
Freude an den Sprachen und an Kommunikation zu vermitteln ist einer der wichtigsten Aspekte von mehrsprachiger Erziehung. Kinder wollen mit Sprache Dinge bewirken. Man sollte also darauf achten, dass die Sprachen im Leben des Kindes auf natürliche Weise integriert werden. Zum Beispiel indem es die Sprache, die nicht in der Umgebung gesprochen wird, regelmäßig mit unterschiedlichen Menschen verwendet, nicht nur mit den Eltern.
Haben Sie daran gedacht, dass Sprache einen Zugang zu reichhaltigem Wissen über Kulturen, deren Werte und Entwicklung bietet? Sprache ist somit viel mehr als Grammatik und Wortschatz. Damit sich das Kind dieses Wissen aneignet, braucht es Kontakt, sei es zu Gewohnheiten, zur Kultur, zu Traditionen, zu Gepflogenheiten der Herkunftsgesellschaft der Sprache, die nicht in der Umgebung gesprochen wird. Eltern können dafür sorgen, dass dieser Kontakt erhalten bleibt, damit dieses Wissen mit dem sprachlichen Erwerb mitwachsen kann. Denn was Muttersprachler ausmacht, ist die Kenntnis über die kulturelle Dimension von Sprache. Bei konsequenter Förderung, wird das Kind eines Tages ein sehr hohes Sprachniveaus erreichen und vielleicht selbst viel darauf aufbauen können.
Simone E. Pfenninger
ist Professorin für Zweitspracherwerb und Psycholinguistik an der Universität Salzburg (www.simonepfenninger.eu).
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