Wie oft stehen wir verwundert vor schlafenden Babys, beobachten das Zucken einer Hand, die Bewegungen der Augen unten den geschlossenen Lidern, und fragen uns, worüber sie wohl träumen mögen!
Eine genaue Antwort darüber, wird es wohl nie geben, denn trotz aller Messapparatur, die heute schon zur Verfügung steht, bleibt die Möglichkeit, Gedanken und Träume zu visualisieren ein Thema, das wohl auch in Zukunft allein Science-Fiction-Autoren vorbehalten sein wird.Was wir jedoch über die Funktion des Schlafes und über die Welt der Träume wissen, kann uns dabei helfen, Spekulationen vorzunehmen.
Zunächst zu den Schlafphasen: Allgemein bekannt ist, dass die bunten Träume, die uns oft mit spannenden, komplexen Geschichten beschenken, vermutlich im REM-Schlaf stattfinden, der leicht dadurch zu erkennen ist, da sich während dieser Phase unsere Augen bewegen.Dieses Merkmal erlaubt es im Laufe von Ultraschall-Untersuchungen zu sehen, dass Babys sogar schon im Mutterleib REM-Schlafphasen erleben.
Neugeborene verbringen ganze 50-60 Prozent ihres Schlafes in der REM-Phase und schlafen zwischen 11 und 18 Stunden. Bis zum zweiten Lebenshalbjahr reduziert sich die REM-Schlafphase auf ca. 25% der Schlafzeit, danach erreicht sie rapide den Erwachsenenanteil von 20 % bis 25%.
An diesem Punkt ist es zum besseren Verständnis notwendig, einen kurzen Abstecher in die Schlafstruktur zu machen, angefangen mit der Schlafstruktur von Erwachsenen. Der Schlaf von Erwachsenen beginnt typischerweise mit Nicht-REM-Schlaf und schreitet über tiefere Nicht-REM Schlafstadien (2,3, und 4 nach der klassischen Definition) voran, bis die erste Episode des REM-Schlafes eintritt (ca. 80 bis 100 Minuten nach dem Einschlafen). Danach wechseln sich Nicht-REM und REM-Schlaf in Zyklen von ca. 90 Minuten ab (BRAC). Die REM-Schlaf Episoden verlängern sich (von ihrer Dauer) über die Nacht (Carscadon & Dement, 2011).
Tiefschlafphasen dienen im Wesentlichen zum Entgiften und Regenerieren des Körpers, während REM-Schlafphasen dazu dienen, die Erlebnisse vom Tag aus dem Kurzzeitgedächtnis zu filtern und wichtige Elemente in das Langzeitgedächtnis zu speichern.
Säuglinge beginnen im Gegenteil zu Erwachsenen gleich nach dem Einschlafen REM zu schlafen. Der REM-Schlaf von Babys und auch der von Kleinkindern weist einige Unterschiede zu dem der Erwachsenen auf, wodurch einige Wissenschaftler hier noch nicht von REM-Schlafphase sprechen, sondern von Aktiver-Schlafphase. Die Hirnschranke, die bei Erwachsenen während des Schlafes Bewegungen verhindert, ist hier noch nicht so stark ausgeprägt, was zur Folge hat, dass Babys und Kleinkinder sich im Schlaf viel mehr bewegen und auch aus dem Bett fallen können, wenn sie nicht abgesichert sind. Aus dieser Schlafphase erwachen Säuglinge recht leicht, während sie aus der zweiten Schlafphase, dem Tiefschlaf (bei Babys werden nur 3 Schlafphasen festgestellt), kaum wach zu bekommen sind, was vom enormen physischen Aufwand des Wachstumsprozesses leicht erklärbar scheint. Insgesamt dauert bei Säuglingen und Kleinkindern ein Schlafzyklus kürzer als bei Erwachsenen, also in etwa 45-60 Minuten. Nach diesem Schlafzyklus können Babys recht leicht erwachen, was erklärt, warum sie sich in der ersten Zeit recht regelmäßig, nach zwei Schlafzyklen, also alle zwei Stunden melden.
Neugeborene sind noch nicht am Tag-Nacht Rhythmus angepasst. Daher finden diese Schlafphasen sowohl bei Tag als auch nachts statt.
Aber was passiert in diesen vielen Stunden, die Babys in der Traumwelt verbringen?
Allgemein träumen wir, um Tagesreste zu verarbeiten, um das Erlebte im Kurzzeitgedächtnis Revue zu passieren und die wichtigen, neuen Elemente im Langzeitgedächtnis zu integrieren, kurz Träumen hilft beim Lernen.
Wir speichern offenbar komplexe Zusammenhänge als einzelne Bilder ab, die das gesamte Konzept repräsentieren. Dies dient dazu, Speicherplatz in unserem Gehirn zu sparen. Jedes Erlebnis der Babys ist neu, jedes davon muss vermutlich in ein Bild umgewandelt werden, damit es abgespeichert werden kann. Dies geschieht während des Träumens.
Von Kleinkindern, die schon alt genug sind, um über ihre Träume zu sprechen, wissen wir, dass sie nicht oft wie Erwachsene, lange, komplexe Geschichten erträumen. Sie erleben entweder kurze Plots, oder sogar nur einzelne Standbilder. In diesen einzelnen Bildern sind jedoch eine Fülle von Gefühlen und Emotionen enthalten. Hakt man beim Zuhören nach, können Kinder erstaunliche Zusammenhänge und Hintergründe zu ihren Träumen aufdecken. Man kann davon ausgehen, dass Babys auch keine Plots entwickeln, dafür fehlt ihnen noch das Verständnis für Zusammenhänge und die Komplexität der Gedankenwege.
Babys entdecken aber unsere Welt. Vom Mutterleib kennen sie schon Geräusche, die sie sicherlich in irgendeiner Form während des REM-Schlafs im Mutterleib abgespeichert haben, doch zuordnen können sie auch diese vermutlich noch nicht und müssen vermutlich neue Informationen ins Langzeitgedächtnis übertragen.
Sie entwickeln und entdecken in dieser ersten Lebensphase und vermutlich auch schon im Mutterleib zunächst die fünf Sinne, die die meisten von uns ein Leben lang begleiten werden. Das Erleben eines Neugeborenen wird in der Psychologie u.a. vorsprachlicher Raum oder primärprozesshaftes Erleben genannt – vielleicht erleben Babys ihr Welt und ihre Traumwelt ähnlich wie wir unsere Träume erleben.
Babys lernen Gesehenes, Gerochenes, Gehörtes, Geschmecktes, Empfundenes wahrzunehmen, zuzuordnen, mit Bedeutung zu versehen, wiederzuerkennen und zu integrieren.So kann man mit dem Gedankengebäude der Gestalttheorie und der Gestalttherapie davon ausgehen, dass unsere Weltsicht Nacht für Nacht bereits schon im Mutterleib zu entstehen beginnt.
Wir wissen auch nicht genau, was Babys genau wahrnehmen, denn selbst die Wahrnehmung dürfte sich erst herausbilden. Aber vermutlich sind es eher Bilder und Gefühle, Stimmungen und Atmosphären.
Man stelle sich vor, wir entdecken zum ersten Mal, alles was uns umgibt. Die Farben, der Wind mit seinen Düften, Berührungen… Die Intensität dieser Entdeckung der Sinne muss berauschend sein und entsprechend intensiv auch die Träume. Beobachtet man Babys, so weiß man, dass zunächst der Tastsinn Hauptbestand des Lernprozesses ist. Ein Baby greift ständig nach dem, was es umgibt, es entdeckt, was sich gut anfühlt und was nicht. Es mag von seinem weichen Kuschelbär träumen, zumindest vom Gefühl das es auslöst, ihn zu halten. Es mag aber leider auch von Unangenehmeres träumen, wir der Nadel einer Impfung, dazu können aber auch die beruhigenden, tröstenden Stimmen der Eltern hinzukommen. All diese Erfahrungen, werden seine zukünftige Wahrnehmung der Welt prägen, denn jedes noch so kleines Erlebnis wird gespeichert, über den Weg des Traumes hinein in das Langzeitgedächtnis. Dieser erste Lernprozess eines Säuglings wird ungefiltert vollständig aufgenommen werden. Er wird auch Unangenehmes enthalten, was aber auch dazu dient, das eigene Überleben zu sichern, indem es Gefahren erkennt, bzw. lernt, den Zusammenhang zwischen einigen Sinneseindrücken und Gefahr zu machen. Die Träume der Babys bilden vermutlich ihre Realität.
Erst ab dem dritten oder vierten Lebensjahr können Kinder zwischen Traum und Realität unterscheiden und bis zum zwölften Lebensjahr befinden sich die Gehirnwellen von Kindern in einem Zustand, den Erwachsene nur im Rahmen einer leichten Hypnose erreichen können. Das ist es, was Kinder so leicht beeinflussbar macht, aber das ist es auch, was sie dazu befähigt, so viel und so schnell zu lernen, dass jeder Erwachsener nur staunen kann.
Als Abschluss eine kleine Empfehlung zum Thema Schlaf: Ein Baby tagsüber möglichst vielen, neuen Eindrücken auszusetzen und möglichst wenigen in der Nacht, kann bewirken, dass seine Traumwelt sich bei Nacht ruhiger verhält und es dadurch schneller lernt, nachts durchzuschlafen.
Birgit S.
Sie ist berufstätige Mutter von zwei Söhnen. Hauptberuflich in der Wissenschafts- kommunikation und als freie Journalistin tätig, plaudert sie unter dem Pseudonym „Mutti“ seit 2009 in ihrem Blog aus dem Nähkästchen: „Muttis Nähkästchen“
https://muttis-blog.net
Um Nadel, Faden und Zwirn geht es hier dennoch nicht, sondern vielmehr um Begleitung, Erziehung, Kommunikation mit Kindern, Tipps rund den Alltag mit Kindern, die Behebung des einen oder anderen Wehwehchens und auch ganz viel Scheitern. Das sind Erfahrungsberichte aus erster Hand sowie relevante Inhalte zu Themen, die uns Eltern bewegen – insgesamt möglichst lösungsorientiert.
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