Zuzusehen, wenn das eigene Kind trauert und leidet ist für viele Eltern schrecklich. Sie würden dem Kind am liebsten den Schmerz abnehmen. Das geht natürlich nicht und allein diese Tatsache, die Trauer gemeinsam mit dem Kind aushalten und aussitzen zu müssen, macht Eltern hilflos. Es ist eine Situation, wo sie nicht aktiv werden können.
Das ist die eine Seite der kindlichen Trauer.
Auf der anderen Seite stehen aber ganz viele Trauersituationen von Kindern, die gar nicht als solche erkannt werden. Sei es, weil sich kindliche Trauer anders zeigt. Oder, weil die Traueranlässe für Erwachsene nichtig erscheinen.
Was ist also so speziell an der kindlichen Trauer?
Kindertrauer trägt manchmal Masken
„Kinder trauern anders“ heißt ein Buch von Gertrud Ennulat und der Titel bringt es gut auf den Punkt.
Kindliche Trauer äußert sich nicht immer mit Tränen. Manchmal versteckt sie sich hinter Masken und ist erst zu erkennen, wenn Eltern hinter diese Masken schauen.
Kindliche Trauer
- tarnt sich manchmal als Wut oder Widerstand bis hin zur Aggression
- kommt als Sprachlosigkeit bis hin zum selektiven Mutismus daher
- äußert sich ganz still oder in Zurückgezogenheit
- scheint manchmal sehr pragmatisch und sachlich
- entlädt sich zuweilen in unpassenden Reaktionen wie z. B. einem Lachkrampf
Am leichtesten tun sich Erwachsene, wenn Kinder ihre Trauer offen zeigen und weinen. Das macht Eltern zwar hilflos, aber sie verstehen die Reaktion und können sie nachvollziehen.
Kindertrauer folgt eigenen zeitlichen Gesetzen
Bei Erwachsenen spricht man von Trauerzyklen. Die meisten Menschen haben den Ausdruck schon einmal gehört. Sie wissen auch, dass Trauer Zeit braucht und nicht von einem Tag auf den anderen vorbei ist. Nicht umsonst sprechen wir von einem Trauerjahr.
Bei Kindern ist das meist anders. Ein Trauerjahr würde die kindliche Seele überfordern. Daher schützt sich die kindliche Seele. Bei Kindern treten sogenannte Trauerpfützen auf. Ich mag diesen Begriff sehr, denn er ist sehr bildlich. Kinder brauchen zwischen ihren Trauerphasen trauerfreie Zonen. Zeiten in denen sie ganz normal herumtollen und mit anderen Spaß haben können. Hin und wieder treten sie dann in so eine Trauerpfütze und lassen ihren Gefühlen freien Lauf.
Das ist für Eltern oft fordernd. Solche Anlässe können scheinbar aus dem Nichts auftauchen.
Oft passiert das auch Jahre nach dem Trauerfall. Zu einer Zeit wo gar niemand – weder die Eltern und schon gar nicht das Kind selbst – damit gerechnet haben. Auf einmal ist die Trauer wieder da!
Nachvollziehbar wird das an einem Beispiel: ein Junge verliert sehr für seinen Vater. Nach einer Zeit der Trauer geht er wieder zur Tagesordnung über. In der Pubertät wird dieses Gefühl des Verlustes aber plötzlich wieder präsent. Es fehlt vielleicht die Vaterfigur, an der er sich gerne orientieren möchte. Oder der Freund hat einen coolen Vater, der mit ihm werkelt und ihn mit väterlichem Rat unterstützt. Genau das, was Jugendlichen normalerweise auf die Nerven geht, kann dann fehlen und Trauer auslösen.
Kindertrauer ist also auch entwicklungsabhängig
Das Verständnis von Verlust und Tod ist in jedem Lebensalter des Kindes anders und entwickelt sich weiter. Daher kann es sein, dass die Seele einen bereits zurückliegenden Verlust noch einmal präsentiert, damit er jetzt mit neuem und besserem Verständnis gut aufgearbeitet werden kann.
Erst mit ungefähr 9 Jahren können Kinder realisieren, dass der Tod das endgültige Ende des Lebens ist und dass verstorbene Personen auch nicht irgendwann wieder kommen.
Kindertrauer tritt nicht nur bei Verlust von Menschen auf
Gerade bei kleinen Kindern ist Trauer nicht nur auf den Verlust von Menschen beschränkt. Schon eine verloren gegangen Kuscheldecke kann Tränen bedeuten.
Solange das Konzept von zeitlicher Trennung und wieder zurückkommen nicht verstanden wird, kann auch eine Trennung von Mutter oder Vater das Kind wirklich sehr traurig machen.
Ebenso kann ein entlaufenes Haustier Ihr Kind untröstlich machen.
In den letzten Jahren werde ich auch immer wieder mit dem Problem der Trauer über einen Großelternteil, der Alzheimer hat oder dement ist, konfrontiert. Denn diese Großeltern erkennen ihre Enkelkinder dann auf einmal nicht mehr. Sie reagieren ganz anders, als vor ihrer Krankheit. Das ruft Unverständnis und Trauer hervor.
Wie können Eltern ihr trauerndes Kind unterstützen?
Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit
Seien Sie ihren Kindern gegenüber absolut ehrlich und versuchen sie nicht Verluste zu beschönigen. Erklären Sie die Tatsachen in kindgerechten Worten. Vermeiden Sie aber vor allem bei kleinen Kindern im Zusammenhang mit Todesfällen blumige Formulierungen.
Es gibt Kinder, die sich weigern einzuschlafen, weil sie gehört haben, die Oma sei sanft entschlafen. Natürlich merken diese Kinder, dass die Oma weder aufgewacht noch wieder da ist. Daher werden sie von der Angst gequält, dass sie selbst vielleicht auf irgendwann nicht mehr aufwachen.
Vermeiden sie auch flapsige Formulierungen wie „den Löffel abgeben“ oder „die Radieschen von unten ansehen“. Erstens sind die Formulierungen nicht respektvoll. Andererseits sind sie ein matter Versuch, dem Tod seinen Schrecken zu nehmen. Das nimmt dem Ereignis aber auch Kraft.
Sollten Sie selbst auch von der Trauer betroffen sein, dann zeigen sie die eigene Trauer. Nichts ist für Kinder schwerer zu ertragen als das unbestimmte Gefühl, dass „da etwas nicht stimmt“. Dieses Gefühl taucht dann auf, wenn Kinder spüren, dass Erwachsene etwas verschweigen oder bewusst ihre Gefühle verschleiern.
Die Gefühle des Kindes ernst nehmen
Nehmen Sie die Gefühle ihres Kindes unbedingt ernst und machen Sie diese nicht klein. Auch wenn es sich um einen kleinen Verlust handelt, der in ihren Augen bedeutungslos ist. Sätze wie „aber das war doch nur ein Stofftier“, kann Ihr Kind in diesem Moment nicht annehmen. Besser ist es die Gefühle des Kindes zu spiegeln: „Ich kann verstehen, dass du traurig bist. Schließlich war Benno dein liebstes Stofftier und jetzt haben wir es verloren. Traurig sein tut ganz schön weh.“
Seien Sie einfach da
Wie bei Erwachsenen, so ist es auch bei Kindern. Trauer ist ein Gefühl, wo Außenstehende kaum aktiv zur Besserung beitragen können. Der Betroffene muss seine Trauer durchleben und verarbeiten.
Sie können nur eines tun: Da sein und Verständnis zeigen. Wenn Sie selbst nicht betroffen sind, zeigen sie Mitgefühl ohne mitzuleiden. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Unterschätzen Sie das nicht. Denn durch diese Haltung des Mitgefühls ohne mitzuleiden können sie Stütze sein. Sobald sie selbst mitleiden, werden sie in den Strudel der Gefühle hineingezogen.
Nicht sofort für Ersatz sorgen
Egal ob ein Kuscheltier verschwunden ist oder ein Tier verstorben ist. Selten ist es eine gute Idee, sofort für Ersatz zu sorgen.
Das ist von Erwachsenen beim Verlust von Haustieren meist gut gemeint. Kinder verstehen es aber oft ganz anders. Für sie kann ein neues Wesen das alte nicht sofort ersetzen. Sie müssen zuerst einmal richtig Abschied nehmen. Sofortiger Ersatz entwertet die Beziehung zum verlorenen Tier. Fragen Sie Ihr Kind, ob es schon bereit für ein neues Familien-Haustier ist.
Bei Verlust von Angehörigen
Gönnen Sie ihrem Kind trauerfreie Zonen
Wie bereits gesagt. Kinder trauern nicht ununterbrochen. Sie brauchen Raum um wieder zu lachen, zu toben und fröhlich zu sein. Wenn Sie selbst auch trauern, dann kann das für sie verstörend sein. Sie werden vielleicht glauben, ihr Kind vermisst den verstorbenen Menschen nicht. Das stimmt nicht!
Akzeptieren Sie, dass Ihr Kind diese trauerfreien Phasen hat.
Im Gegenteil zeigen Sie ihm, dass es absolut in Ordnung ist, zwischendurch nicht an einen Verstorbenen zu denken. Die Trauer kommt ohnehin zu einem passenden Zeitpunkt wieder.
Lassen Sie Ihr Kind mitentscheiden
Lassen Sie Ihr Kind entscheiden, ob es eine Verstorbene Person noch einmal sehen will oder ob es bei einem Begräbnis dabei sein will. Kinder haben meistens ein ganz gutes Gespür für das, was sie brauchen.
Stellen Sie aber auch sicher, dass es eine Person gibt, die Ihr Kind begleitet, wenn ihm plötzlich alles zu viel wird, und es frühzeitig nach Hause möchte.
Abschiedsrituale
Abschiedsrituale sind für alle Verlustprozesse eine gute Idee.
Beim Tod ist das Begräbnis selbst schon so ein Abschiedsritual.
Trotzdem kann es eine gute Idee sein, als Familie noch etwas Spezielles zu machen.
Sie können zum Beispiel eine Erinnerungsecke in der Wohnung einrichten. Dort können Sie Fotos aufstellen und Erinnerungsstücke, die sie mit der verstorbenen Person verbinden, sammeln.
Oder Sie gestalten eine Erinnerungs-Schatzkiste. Das Prinzip ist dasselbe, aber der aufgewendete Platz ist beschränkt. Die Schatzkiste kann zusätzlich gestaltet und bemalt werden.
Hilfe holen ist erlaubt
Gerade wenn Eltern selbst ebenfalls trauern sind sie oft nicht in der Lage ihrem Kind die Stütze zu sein, die diese brauchen. Das ist keine Schande. Trauer ist ein überwältigendes Gefühl.
In solchen Fällen kann es sehr hilfreich sein, extern Unterstützung zu suchen. Es gibt sehr gute Angebote von Vereinen wie Rainbows, Organisationen wie beispielsweise der Caritas oder eben von speziell ausgebildeten Lebens- und Sozialberatern oder Therapeuten.
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