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Was ist Trotz überhaupt?

von Christine Kügerl

Elternbildung
Elternbildung
Elternbildung

Warum kommt es im zweiten und dritten Lebensjahr oft zu heftigen Trotzanfällen die für das Kind und die Eltern so anstrengend sind? Wozu ist diese ganze Anstrengung gut? Trotz ist ein Entwicklungsphänomen auf dem Weg zur Selbständigkeit und ich will mit Ihnen ein wenig hinter die Oberfläche des Trotzverhaltens blicken.

Sichere Verbundenheit mit den Eltern als Ausgangslage
Wenn ein Kind im ersten Lebensjahr erlebt hat, dass es von den Eltern gut versorgt wurde, dass es geliebt wird und vertrauen kann, dann beginnt es sich, zwischen 12 und 18 Monaten seiner Selbständigkeitsentwicklung zu widmen. Bis es von sich mit „ICH“ spricht – also ca. bis zum dritten Geburtstag – , ist es mit diesem Entwicklungsschritt befasst.

Eigene Ideen erproben
Das Kind hat im ersten Lebensjahr viele Erfahrungen gemacht und in seinem Gehirn gespeichert. Nun ist es zunehmend fähig eigene Ideen und Vorstellungen zu entwickeln. Eltern erleben dies sehr deutlich, wenn das Kind „etwas unbedingt will“. Wir sagen dann oft: „Es will eben seinen Willen durchsetzen“. Ich verwende lieber das Wort “umsetzen“. Das Kind hat eine Idee und versucht diese umzusetzen. Dabei geht es nach dem Prinzip „versuchen und finden“ vor. Es lernt noch überwiegend durch eigene Erfahrungen. Sein Sprachvermögen ist noch nicht so weit entwickelt, dass es sein Vorhaben mit den Eltern besprechen und Erklärungen nützen kann. Es tut einfach und dabei entdeckt es, wo oder wie es seine Idee mit Erfolg umsetzten kann. Gelingt das Vorhaben, dann freut sich das Kind und die Eltern registrieren dies meist gar nicht oder sie freuen sich mit. Dieser Teil der „Willensübung“ wir meist nicht mit dem Trotzalter in Verbindung gebracht. Es ist jedoch der Teil, der nach dem Trotzalter ein Leben lang bleibt. Der Mut, sich eigene Gedanken zu machen, Ideen auszuprobieren und erfolgreiche Wege beizubehalten oder weiterzuentwickeln.

Misserfolge erzeugen Frust
Wenn das Kind nun beim Umsetzen einer Idee auf Widerstand stößt, wenn es erlebt, dass seine ganze Willenskraft nicht ausreicht um Erfolg zu haben, dann entsteht einfach Frust, Wut und auch Verzweiflung. Dies zeigt es je nach Temperament, mehr oder weniger heftig mit seiner Stimme und seiner Körpersprache. Es braucht jahrelange Übung bis sich die sogenannte Frustrationstoleranz entwickelt und Misserfolge sowie Enttäuschungen ruhiger verarbeitet werden können.

Frust mit den Eltern
Kann eine Idee nicht umgesetzt werden, weil die Eltern „Nein“ sagen, ergibt sich eine weitere Komplikation. Das Kind hat bis jetzt erlebt, dass ihm Mama und Papa bei unzähligen Schwierigkeiten geholfen haben. Es spürt auch, dass es von seinen Eltern geliebt wird. Es vertraut ihnen und erlebt nun, dass genau diese „Wundermenschen“ mit ihrem „Nein“ zu ihrem Frust beitragen. Das macht das Kind nicht nur wütend, sondern auch enttäuscht und oft verzweifelt. Es weiß praktisch nicht mehr aus noch ein. Es will etwas unbedingt und setzt bei Misslingen oder beim Erleben einer Grenze seine ganze verfügbare Kraft ein, es doch noch zu erreichen. Deshalb schreit es so kräftig und nützt die Kraft seines ganzen Körpers.

Wie geht es weiter, wenn die erste Idee nicht geht?
Das Kind erlebt praktisch eine „Mini-Trauerkurve“ mit mehreren Phasen. Wenn die Idee nicht umsetzbar ist oder Mama/Papa „Nein“ sagen, dann kommt es zu einer kurzen „Schrecksekunde“. Oft folgt eine kurze „Verleugnung“ die dadurch sichtbar wird, dass das Kind so tut, als ob nichts wäre. Es versucht einfach weiter zu machen. Führt dies nicht zum Erfolg oder sagen die Eltern erneut „Nein“ oder handeln entsprechend, dann beginnt das Kind um sein Vorhaben/seinen Willen zu kämpfen. Es schreit und setzt seine ganze Körperkraft ein. Daran schließt sich meist eine eher weinerliche Phase an. Das Kind kämpft nicht mehr, ist weinerlich oder jammernd und registriert langsam, dass „es eben so ist wie es ist“. Durch diese Erkenntnis kann es loslassen. Die nächste Phase erleben Eltern oft so, als ob das Kind „einen Schalter umlegen würde“ und alles wieder o.k. ist. Bei diesem letzten Abschnitt der „Trauerkurve“ spricht man von „Neuorientierung“. Das Kind atmet noch einmal tief durch und wendet sich einem anderen Spiel zu. Hat sich die Trotzreaktion stärker zwischen Kind und Eltern abgespielt, dann werden manche Kinder in dieser Phase anschmiegsam und meinen z.B.: „Mama lieb haben“. Damit signalisieren sie, dass es mit dem vorherigen „Nein“ leben kann und froh ist, dass die liebevolle Beziehung zu den Eltern erhalten geblieben ist.

Trotzanfall als Super-Lernsituation
So übt ein Kind von Trotzanfall zu Trotzanfall wie es eine Idee umsetzen kann und wo es an eine Grenze stößt. Es übt mit Frust zurecht zu kommen und trotzdem entdeckungsfreudig zu bleiben. Gleichzeitig lernt es, dass es auch in liebenden Beziehungen Frustration gibt und dass auch Menschen, denen es vertraut, ein sinnvolles „Nein“ sagen. Es lernt, dass sich auch heftige Gefühle von Wut, Enttäuschung und Verzweiflung wieder legen und „Alles wieder gut wird.“

Zusammenfassend kann man sagen, dass Kind versucht heraus zu finden:
Was will ich?
Was kann ich?
Was ist für Mama/Papa o.k. und was nicht?
Wo komme ich weiter?
Was geht nicht?
Wie komme ich mit Frust zurecht?

Und all das lernt das Kind in der ersten Hälfte des Trotzalters mit einem sehr geringen Wortschatz und meist einer Grammatik von „Zweiwortsätzen“. Es hat gerade laufen gelernt und sein Gefühlszentrum im Gehirn reagiert hoch sensibel und sehr heftig. Das Kleinkindalter ist sozusagen das Alter der großen Gefühle die mit noch sehr geringer Muskelkontrolle zum Ausdruck gebracht werden.
Wenn wir uns bewusst machen, wie viele Entwicklungsschritte ein Kind in diesen zwei Jahren in der Gefühlsentwicklung, im Denken, in seiner Sprachfähigkeit und in seiner sozialen Entwicklung lernt, dann sehen wir die Trotzanfälle vielleicht wieder in einem anderen Licht. So nach dem Motto: „wo gearbeitet wird gibt es auch Lärm und Staub!“

Wie Eltern helfen können:
Wenn Eltern und andere wichtige Bezugspersonen des Kindes für Klarheit und gleichbleibende Orientierung sorgen und dem Kind zeigen, dass es geliebt wird und liebenswert ist, dann helfen sie ihm beim Lernen. Wenn sie zu wechselhaft, zu nachgiebig, zu streng oder strafend sind, dann erschweren sie dem Kind diese Entwicklung.


KommentareElternbildung

Frieda

Hallo, das ist ein toller Artikel! Leider bin ich in einer schwierigen Situation, dass ich neben einem vierjährigen Kind, mitten in der Trotzphase, auch noch 21 Monate alte Zwillinge habe, die auch gerade damit "starten". Momentan bin ich auf Hilfe von außen angewiesen, da wir keine Familie in der Nähe haben und ich frisch operiert bin und nicht mehr als drei Kilo heben darf. Die Helferinnen vom Hilfswerk sind manchmal überfordert. Beim abholen vom Kindergarten entstand kürzlich die Situation, dass der vierjährige nicht mit der Helferin nach Hause fahren wollte. Es endete damit, dass er sie schlug, trat und übel beschimpfte. Sie wusste sich nicht mehr zu helfen und versuchte das Kind trotzdem anzuschnallen und nach Hause zu bringen. Während der ganzen Autofahrt, die zum Glück nicht lange dauerte, schrie und schimpfte er weiter. Nach dem aussteigen schlug immer wieder auf sie ein. eine Freundin der Familie, sozusagen Ersatz Oma, meinte, das läge an meiner falschen Erziehung, da bei ihr die Kinder brav wären! Als das passierte, war ich im Krankenhaus und sie war zu Hause und nahm den Jungen in Empfang. Sie befahl ihm, sich auf den Stuhl zu setzen und sich nicht zu rühren. Er sollte sich für alles was er gemacht hat, was ihm auch bewusst war, nachdem sie ihn fragte was er gemacht habe, entschuldigen. Das tat er dann auch! Sie erzählte mir später den Vorfall und sagte, da müsste was nicht stimmen, da diese Wutanfälle bei mir auch vorkommen, aber nicht bei ihr. Alle Erklärungen, dass das normal ist in der Trotzphase gehen ins Leere. Sie ist überzeugt, dass das mit einer falschen Erziehung Zusammenhängen muss, weil die Kinder sich anders verhalten, wenn ich Z. B. dazu komme. Seit ich aus dem Krankenhaus wieder zu Hause bin, stürzen sich die Kinder auf mich und wollen nicht mehr weg. Sie weinen natürlich auch viel. Kommentare wie " so kenne ich die Kinder ja gar nicht!“ Helfen mir auch nicht weiter. Leider bin ich auch auf diese Freundin angewiesen und ich weiß aber nicht, wie ich ihr klarmachen soll, dass ich die Kinder erziehe und mich über Ihre Hilfe freue, aber nicht möchte, dass sie, in meine Erziehung eingreift… Vielen Dank für eure Tipps!


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