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Sexualerziehung ist Gewaltprävention

von Mag.a Heidemarie König

Elternbildung
Elternbildung
Elternbildung

Ursprüngliche Autorin: Bettina Weidinger

Sowohl Sexualität als auch Gewalt gelten als Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Als Themen, die nicht gerne offen angesprochen werden, die gerne versteckt werden und leichter thematisiert werden können, wenn es andere betrifft.

Beide Themenbereiche lösen bei vielen Menschen eine Reihe von Bildern im Kopf aus, die nicht selten stark moralisierenden, aber auch beängstigenden Charakter haben können. Dies gilt für die Sexualität ebenso wie für das Thema Gewalt.

Gewalt im Kontext Sexualität hat viele Aspekte.

Gewalthandlungen, die die Sexualität benutzen – von Erwachsenen gegenüber Kindern oder gegenüber anderen Erwachsenen. Gewalthandlungen unter gleichaltrigen Jugendlichen, die aus einer dynamischen Situation entstehen und nicht bewusst geplant waren.

Gewalthandlungen unter gleichwertigen erwachsenen PartnerInnen, die gar nicht als solche gesehen werden, da sie von beiden Seiten als Normalität in der Beziehung betrachtet werden.

Unter sexueller Gewalt sind nicht nur jene Gewalttaten zu verstehen, die körperlich sichtbare Folgen haben. Als sexuelle Gewalt kann all das bezeichnet werden, wo ein Täter/eine Täterin eine Machtsituation (emotionale, psychische, körperliche Überlegenheit) nutzt, um sich selbst zu erregen. Sexuelle Gewalt ist keine Sonderform der sexuellen Lust, sondern ist ausschließlich Gewalt, die sich der Sexualität bedient. So wie ein Schlag ins Gesicht auch nicht als Sonderform des Streichelns bezeichnet werden kann, sondern als Gewalttat.

Nach dieser psychosozialen Definition sind daher viele Gewalttaten, die die Sexualität für die Gewalthandlung missbrauchen, nicht nachweisbar, da sie zwar die persönliche und auch körperliche Integrität negativ beeinflussen, aber nicht körperlich „beweisbar“ sind.

Für die meisten Eltern ist es ein wichtiges Anliegen, das eigene Kind/die eigenen Kinder vor jeglicher Gewalteinwirkung zu schützen. Besonders aber vor sexueller Gewalt zu schützen.

Schutz und AngstElternbildung

In diesem nachvollziehbaren Schutzbedürfnis liegt gleichzeitig auch die Angst der Eltern verborgen, dass ihrem Kind etwas zustoßen könnte. Angst als Motivator wirkt allerdings meist einengend und macht letztendlich handlungsinkompetent. Angst als einziger Input für die pädagogische Aufgabe der Prävention kann zu einer Defizitorientierung führen, die automatisch eine Konzentration auf das Negative bewirkt. Lähmung, Unsicherheit und eingeschränktes Sozialverhalten sind mögliche Konsequenzen eines angstbesetzten Zugangs zum Leben.

Kindern nur zu erzählen, was alles passieren kann und was sie daher vermeiden sollen, damit das Schreckliche nicht eintritt, ist daher kein adäquates Mittel der Prävention.

Kompetenz in vielen BereichenElternbildung

Vor allem in Ballungsräumen, aber auch im ländlichen Bereich, müssen Kinder schon sehr früh einen kompetenten Umgang mit dem motorisierten Verkehr lernen. Sie müssen altersadäquate Fähigkeiten entwickeln, eine Straße sicher zu überqueren. Lediglich die Gefahren des Straßenverkehrs zu erklären, würde nur verunsichern. Dieses Kind würde vermutlich bald nicht mehr bereit sein, in ein Auto zu steigen oder alleine den Schulweg zu bewältigen. Oder aber dieses Kind würde erkennen, dass nicht immer gleich etwas passiert, dass die Bedrohung auch bei wiederholtem Brechen der Regeln nicht real wird. Für das Kind ist dies wie eine indirekte Aufforderung, gar keine Regeln mehr einzuhalten und Erwachsene weniger ernst zu nehmen.

Die ausschließliche Darstellung von Schreckensszenarien – was alles passieren kann – können ängstlich, aber auch völlig sorglos machen. In keinem Fall aber machen sie sicher und kompetent im Umgang mit Gefahren.

Kompetenz im Straßenverkehr bedeutet für ein Kind daher zu wissen, wie es sich verhalten soll. Es bedeutet, dass das Kind positive Handlungsschritte lernt und dass es Risken abwägen kann. Es bedeutet auch, dass es sich selbstsicher und ohne Angst im Raum bewegt und auf unerwartete Situationen (Ampel fällt aus) reagieren kann.

So ähnlich verhält es sich mit nahezu allen Bereichen: Auch beim Essen werden Erwachsene Kindern (hoffentlich) qualitätsvolle, gesunde Nahrungsmittel anbieten und diese in einen positiven Kontext stellen, damit das Kind auf ganz alltägliche Weise einen entspannten Zugang zur gesunden Ernährung entwickeln kann.

Negativbilder schränken die Handlungskompetenz ein.
Positive Zugänge schaffen Interesse und Neugier am selbstständigen Tun.

Sicherheit und HandlungsoptionenElternbildung

 Wird Prävention sexueller Gewalt als pädagogisches Anliegen von Eltern formuliert, so verhält es sich ähnlich wie in allen anderen Bereichen, wo bedrohliche Situationen verhindert werden sollen:

Bevor einzelne Gefahrensituationen und mögliche Handlungszugänge besprochen werden können, müssen dem Kind Basiskompetenzen vermittelt werden, die dem Kind einen selbstsicheren Umgang ermöglichen.

Prävention sexueller Gewalt bedarf daher einer positiven Sexualerziehung, die die Ausbildung sexueller Basiskompetenzen forciert.

Sexuelle Basiskompetenzen werden im Alter zwischen 0 und 10 Jahren erlernt. Es sind jene Kompetenzen, die den Grundstein für die spätere erwachsene Sexualität legen und die ausschlaggebend für den Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Sexualität sind.

Eltern, KindergartenpädagogInnen, HortpädagogInnen und VolksschullehrerInnen haben eine sehr sensible und wichtige Aufgabe zu bewältigen. Sie sind es in erster Linie, die durch einen bewussten Umgang mit dem Thema Sexualität, Kinder dabei unterstützen können, zu kompetenten und selbstsicheren Persönlichkeiten heranzuwachsen, die die eigenen Grenzen und auch die anderer Personen einhalten können.

Täter und Täterinnen machen sich Unwissenheit, Unsicherheit und Scham anderer Personen zunutze, um sexuelle Gewalt ausüben zu können. Denn nur, wenn eine Person sich selbst schätzt, kann sie sich auch im Rahmen der Möglichkeiten selbst schützen.

Sexuelle BasiskompetenzenElternbildung

Sexuelle Basiskompetenzen beziehen sich auf unterschiedliche Ebenen. Sie sind keinesfalls Garantie dafür, dass ein Mensch vor gewaltvollen Situationen geschützt ist.  Sie stellen aber eine wichtige Basis für einen kompetenten Umgang mit sich selbst und anderen dar, sie sind zumindest Garantie dafür, dass eine Person mögliche gefahrvolle Situationen meidet und vor allem dafür, dass sich eine Person lautstark äußert, sobald Grenzen überschritten werden oder wurden.

Sexuelle Basiskompetenzen beziehen sich auf folgende Bereiche:

  • Kognitive Ebene
  • Körperliche Ebene der Körperwahrnehmung
  • Körperliche Ebene der Körpersicherheit durch ausreichend Bewegung
  • Körperliche Ebene der Wertschätzung des eigenen Körpers
  • Emotionale Ebene
  • Soziale Ebene

Kognitive EbeneElternbildung

Kinder benötigen auf der kognitiven Ebene altersadäquate Informationen über ihren Körper und vor allem auch über ihr Geschlechtsorgan. Nur das, was auch benannt wird, hat Wichtigkeit und bekommt Wertschätzung. Beim Wickeln, Waschen und Umziehen erlernen Kinder differenzierte Bezeichnungen für das eigene Geschlechtsorgan genau so selbstverständlich wie für andere Körperbereiche.

Kinder interessieren sich bereits im Kindergartenalter für das eigene Geschlechtsorgan, für sexuelle Gefühle, für das Geschlechtsorgan anderer Menschen. Aufklärungsbücher und das geduldige Beantworten unzähliger Fragen stellen eine wichtige Basis für die Erweiterung der kognitiven Ebene dar. In späteren Jahren werden Aufklärungsbücher durch altersadäquate Broschüren zum Thema Sexualität ersetzt.

Die Eltern signalisieren damit: Sexualität und Körperlichkeit ist ein selbstverständliches und normales Thema in unserer Familie.

Es gibt kein „zu frühes“ Sprechen über Sexualität, wenn Bezug genommen wird auf die kindliche Lebenswelt, wenn Kinderfragen nicht dazu genutzt werden die eigene, erwachsene sexuelle Sichtweise zu präsentieren. „Das geht dich noch nichts an“ ist jedenfalls keine adäquate Antwort auf eine neugierige Frage.

Ein ausreichendes Wissen über Sexualität ist eine wichtige Voraussetzung dafür, unsicheren, unrealistischen (medialen) Informationen über erwachsene Sexualität als solche zu identifizieren. Das Wissen bezieht sich dabei in erster Linie auf den eigenen Körper. Moralische Wertvorstellungen gehören in den Bereich der sozialen Regeln, stellen aber kein Wissen über Sexualität dar!

Körperliche EbeneElternbildung

Sicherheit im eigenen Körper und vor allem absolute Wertschätzung allen Körperteilen gegenüber erlangen Kinder vor allem durch die freie Bewegung beim Laufen, beim Springen, beim Klettern und Turnen. Die Förderung der freien Bewegung im familiären Alltag, wie auch in Kindergarten und Schule, sind daher wichtiger Teil der Sexualerziehung.

Durch gezielte musikalische Frühförderung von Fachleuten lernen Kinder auch ihre Stimme einzusetzen und ihre Atmung zu regulieren.

Sicherheit im Körper bedeutet auch, den gesamten Körper wertschätzen zu lernen. Die subtile Vermittlung, das Geschlechtsorgan wäre „schmutzig“ oder „unanständig“, führt zu einer negativen Besetzung, manchmal zu einer Ausblendung dieses Körperbereiches.

Unangenehme, unpassende und ungewollte Berührungen von anderen Menschen im Bereich des eigenen Geschlechtsorgans werden tendenziell eher dann massiv abgewehrt oder, wenn dies nicht möglich ist, sofort einer Vertrauensperson erzählt, wenn das Kind einen wertschätzenden Zugang zu diesem Körperteil hat.

Im jungen Erwachsenenalter dann zu wissen ob und wann der erste Geschlechtsverkehr passend sein könnte ist ausschließlich für jene Menschen möglich, die ihren ganzen Körper und auch das eigene Geschlechtsorgan aktiv wahrnehmen können. „Sich überreden lassen“ ist nur dann möglich, wenn zu wenig Wissen und zu wenig Körperbewusstsein vorhanden sind. Soziale Regeln schützen in diesem Fall keineswegs – „Brave“ Kinder, die alles machen, was Erwachsene sagen, werden zu „braven“ jungen Erwachsenen, die das tun, was ihnen andere, scheinbar „erfahrenere“ Menschen einzureden versuchen.

Emotionale EbeneElternbildung

Zentraler Bereich der emotionalen Entwicklung ist die Fähigkeit zur Wahrnehmung eigener Emotionen und deren Verarbeitung.

Teil der Sexualerziehung ist es, Kinder dabei zu unterstützen eigene Emotionen auszusprechen, auch dann, wenn sie von der Umgebung als „unsinnig“ empfunden werden.

Dies gilt vor allem für ambivalente, sich widersprechende Gefühle. Sexuelle Gewalterlebnisse können von Kindern ambivalent empfunden werden. Kinder, die wissen, dass es völlig normal sein kann eine Situation als abstoßend und angenehm zugleich erleben zu können, wagen es viel eher ihre Gefühle zu äußern. Wird Kindern ständig vermittelt, dass es nur „ein reines“ Gefühl geben darf, werden Gewalterlebnisse meist dann nicht erzählt, wenn Ambivalenzgefühle da waren. Das Kind fühlt sich schuldig, weil es bei sich selbst kein eindeutiges, „reines“ „Nein“ wahrnehmen konnte.

Gewaltfreie Kommunikation und ressourcenorientiertes Handeln in der Begleitung von Kindern bedeutet daher auch, Kinder wegen ihrer Gefühle nicht zu tadeln – auch dann, wenn man diese Gefühle wie z.B. Wut, Aggression, Macht als unangenehm empfindet. Ein Umgehen lernen mit diesen scheinbar negativen Gefühlen kann schließlich und endlich nur dann erlernt werden, wenn die Emotionen wahrgenommen werden dürfen und vom Gegenüber ernst genommen werden.

Soziale KompetenzElternbildung

Die Einhaltung von Gesellschaftsregeln zum Thema Sexualität, das Wissen um Intimitätsregeln in einer Gesellschaft (Verhalten auf der Toilette, im Umkleideraum), das Wissen um sprachliche Regeln (kein be-schimpfen) ist Teil der sozialen Kompetenz und Teil der Sexualerziehung.

Regeln sind pragmatische Hilfestellungen zur Erleichterung eines gemeinsamen Alltages. Regeln in Zusammenhang mit Sexualität sollten daher klar und emotionslos eingefordert werden. Moralisierende Bemerkungen führen zu einer Negativbesetzung des Themas Sexualität und machen die Regel zu einem Emotionsspiel.

Die Verwendung sexueller Schimpfwörter, Tabubrüche, Überschreitungen beim Intimitätsrahmen – all das kann in jeder Altersphase geschehen. Schon bei kleinen Kindern gilt: Soziale Regeln einfordern und den sexuellen Aspekt ignorieren. Nur dann, wenn die Sexualität ständig und immer über Regelbrüche thematisiert wird, können Bezugspersonen darauf reagieren, indem sie die Einforderung der Regel und das Thema Sexualität trennen – wie z.B.:

Die Regel bleibt bestehen – unabhängig davon, ob da etwas Sexuelles mitschwingt oder nicht. Ich habe den Eindruck, dich interessiert das Thema Sexualität sehr, dann können wir uns in den nächsten Tagen Zeit nehmen und darüber reden.

Im Alter zwischen 0 und 10 Jahren werden die sexuellen Basiskompetenzen gelegt und gefestigt. Veränderungen können später immer wieder forciert werden. Sexuelle Basiskompetenzen fördern die sexuelle Identität, unterstützen eine positive sexuelle Weiterentwicklung in den folgenden Jahren und sind daher unumgänglich in Bezug auf nachhaltige Prävention nicht nur bezüglich sexueller Gewalt, sondern ebenso in Bezug auf all jene Themen, die im Moment häufig öffentlich thematisiert werden:

Übermäßiger Pornokonsum, ungewollte Schwangerschaft, grenzüberschreitendes Verhalten, sexuelles Mobbing aufgrund von Bildern/Videos/Texten mit sexuellem Inhalt.

 

Mag.a Heidemarie König

Pädagogische Leitung des Österreichischen Instituts für Sexualpädagogik und Sexualtherapien
www.sexualpaedagogik.at

Klinische- und Gesundheitspsychologin, Sexualpädagogin, Klinische Sexologin nach Sexocorporel, Bio- und Neurofeedbacktherapeutin

Sexualpädagogische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Lehrgangsleitung Praxisorientierte Sexualpädagogik
Fachfortbildungen für Multiplikator*innen
Elternabende
Fachsupervision
Lehrtätigkeit an der Fachhochschule

 


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