Betrachten wir die Pandemie 2020 -bis heute im Rückblick, so müssen wir uns die Frage stellen, ob wir nicht die psychischen Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen unterschätzt bzw. ausgeblendet haben? Alle Strategien waren zunächst auf den Schutz der alten und vulnerablen Bevölkerung ausgerichtet, so dass andere Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Jugendliche, berufstätige Frauen und Männer, Eltern sowie Menschen mit Migrationshintergrund und geringeren Deutschkenntnissen nicht spezifisch im Fokus waren.
Eines zeigt sich deutlich in Forschung und Praxis: die durch die Erfordernisse der Pandemie veränderten Bedingungen in Kindergarten, Schule und im Alltagsleben haben bei rund einem Drittel der Kinder und Jugendlichen psychische Belastungen wie Depressionen, Angststörungen und soziale Isolation, Entwicklungsstörungen etc. verursacht. (COPSY -Studie, Befragung von 1000 Kindern und Jugendlichen und 1500 Eltern in Deutschland; Leitung: Prof. Dr K. Hurrelmann (www.uke.de/copsy)
Soziale Distanz als Gebot
Die seelischen Wunden als Folge der Pandemie, die noch deutlicher als vorher schmerzten – sollte uns jedoch aus kinder- und jugendpsychologischer Sicht nicht verwundern – wissen wir doch ganz eindeutig und faktenbasiert, dass Kinder für ihre gesunde Entwicklung soziale und emotionale Nähe brauchen – weiters Stabilität, Verlässlichkeit und vorhersehbare Alltagsstrukturen und Orientierungen. Sie brauchen den täglichen Austausch mit ihren peers, Freude an diversen Spielen und Spaß im Miteinander.
Die durch die Pandemie bedingten Einschränkungen haben jedenfalls den meisten kindliche Bedürfnissen nicht entsprochen. So konnten sie ihre FreundInnen nicht persönlich treffen. Falls doch, war die Devise – Abstand halten – was sonst so viel bedeutet wie „ich will dir nicht zu nahen treten“ oder „bleib mir bloß vom Leib“. D.h. bis dato hatte Distanz halten eine abwertende negative emotionelle Bedeutung.
Selbst bei guter kognitiver Vermittlung und Aufklärung verursacht dies Kränkung einen emotionellen Mangel und Leere. Zu fragen ist generell, wie haben wir diese Reglements den Kinder und Jugendlichen vermittelt? Was hat das ausgelöst? Die Nähe der FreundInnen ist nur schwer ersetzbar. Nähe bekam auch plötzlich den Beigeschmack von Gefahr: „Ich bin in Gefahr“ oder“ eine Gefahr für die anderen, z.B. die Großeltern.
Lockdown und gesundheitliche Folgen
Der Lockdown bedeutete eine Kaskade von Konsequenzen wie: Auf engem Raum mit Familie bleiben müssen – angespannte Gruppendynamik und Stimmung – wenig Bewegungsmöglichkeiten – Überangebote von digitalen „Spielwiesen – Gaming.
Was sich als Folge deutlich abzeichnet sind Essstörungen – dies überwiegend bei Mädchen – deutliche Zunahme von Übergewicht bei den Kindern und Jugendlichen als Folge des Bewegungsmangels, Schlafstörungen und Kopfschmerzen.
Neue Formen des Lernens: Homeschooling und Ausweitung der online Welten
Homeschooling als Antwort auf das zunächst unterschätze Infektionsrisiko unter den Kids brach als unbekannte große Herausforderung auf das pädagogische und administrative Schulpersonal auf die Kinder und Jugendlichen sowie auf die Eltern herein. Dies verursachte viel an Umstellung, Verunsicherung und Anpassung. Manche Kinder und deren Eltern konnten das gut meistern – für viele jedoch wurde es als starke Belastung erlebt. Deutlich hat dies auch zu zusätzlicher sozialer Ungleichheit im schulischen Bereich geführt, je nachdem ob Eltern ihre Kinder unterstützen konnten. Dies hat aber auch zu neuen psychischen Phänomenen geführt. Kinder und Jugendliche blieben auch nach dem Öffnen der Schulen „im Netz gefangen, konnten nicht mehr an das soziale Ereignis „Schule“ andocken, keine Freundschaften mehr pflegen und verharrten in einer Regression. Nix geht mehr, alles steht – totale Passivität (NEETS Phänomen).
Was können wir tun? Was hilft?
Die Generation der „Pandemie Kinder“ braucht mehr denn je Verständnis, Zuwendung, Aufmerksamkeit und unsere gemeinsame Unterstützung. Wir sollten sie stärken, ihnen wieder Selbstvertrauen geben, loben- und positiv motivieren – NO GOS sind pushen, drängeln, tadeln oder abwerten.
Auffallende Anzeichen von depressiver Verstimmung sind Antriebslosigkeit, Abwesenheit, Interesselosigkeit, Lustlosigkeit. Gefühle von Überforderung zeigen sich in Ungeduld, Abwehr, aggressivem Verhalten.
Professionelle psychologische Hilfe ist dann wichtig, wenn sich beim Kind oder dem Jugendlichen längerfristig auffallender Missmut, Desinteresse, Teilnahmslosigkeit, ungewohnte Ängstlichkeit, Traurigkeit, keinerlei soziale Kontakte, Rückzug oder auch Selbstverletzungen- und Essstörungen (Dh -ganz wenig Essen oder sehr viel auf einmal und Erbrechen ) zeigen. Es gilt hier – wie sonst auch im Leben – besser früher Unterstützung holen als zuwarten. Selten verschwinden Problem oder Krisen einfach so und rasche Unterstützung wirkt meist doppelt. Ein Gespräch hilft eventuell schon eine andere Sichtweise zu bekommen, um das alles in einem anderen Lichte oder Zusammenhang zu verstehen.
Vor allem: Es ist keine Schwäche oder Schande und NIEMALS falsch ein Problem zu sehen, darüber zu reden und Unterstützung zu holen, sondern eine emotionale persönliche Stärke und wichtige Fähigkeit. Gerade jetzt!!
Kommentare