Das kindliche Spiel ist in den allerersten Jahren vor allem eins: Erkunden, Ausprobieren und Nachahmen – mit allen Sinnen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit mit der das Kleinkind beim Geschirrspülerausräumen mitmachen will oder Bauklötze übereinander stapelt, bedient es sich auch der elterlichen Smartphones, um diese, ihrem Vorbild gleich, zu benutzen. Den Ärger, den viele Eltern darüber empfinden, können die Kleinen nicht nachempfinden, tun sie es ihren großen Vorbildern doch nur gleich.
Wer sich also selbst zu den gewohnheitsmäßigen Smartphone-UserInnen zählt, sollte sich nicht wundern, wenn „das Ding“, dem die Eltern mit so großer Aufmerksamkeit begegnen, schon für die Kleinsten von Interesse ist.
Mit der Zeit kommen Kinder natürlich auch abseits ihrer Kernfamilie mit Smartphones und Computer in Kontakt. Das sollte in der heutigen Zeit keinen mehr überraschen, verärgern oder beängstigen. Kinder üben fürs „Groß-sein“ und solange dieses „Groß-sein“ in einer hochtechnologisierten Umwelt stattfindet, wollen die Kinder diese auch (spielerisch) kennenlernen. Und in dieser Welt gibt es für Kinder sehr viel Reizvolles, zum Beispiel Spiele-Apps fürs Smartphone oder Tablet. Doch wie finde ich zu einem gelingenden Umgang mit diesen verheißungsvollen neuen digitalen Spielzeugen?
Allen voran, wie finde ich geeignete Spiele-Apps für mein Kind?
Die BuPP „Bundesstelle – Information zu digitalen Spielen“ ist ein Service des Bundeskanzleramts und unterstützt Eltern mit der Website www.bupp.at bei der Auswahl geeigneter digitaler Spiele für ihre Kinder (Computer- und Konsolenspiele sowie Spiele-Apps). Laufend werden von der BuPP getestete und empfohlene Spiele auf der Website veröffentlicht. Von der BuPP empfohlenen Spiele machen Spaß und bieten pädagogisches Förderpotential. Die Altersempfehlung der BuPP berücksichtigt nicht nur pädagogische Aspekte (Unbedenklichkeit), sondern auch die Spielbarkeit für die Altersgruppe. Neben den Spieletipps stellt die Website weitere Informationen für Eltern und Pädagogen/innen zum Thema „Digitale Spiele im Kindes- und Jugendalter“ zur Verfügung.
Die PEGI-Alterskennzeichnung (www.pegi.info) gibt allgemein Auskunft darüber, ab welchem Alter ein Spiel pädagogisch nicht mehr bedenklich ist und wird z.B. auch im Wiener Jugendschutz als Grundlage für die Altersfreigabe herangezogen. Jedoch sagt die Kennzeichnung nichts über die Spielbarkeit aus. Spiele-Apps für Android-Geräte (siehe: https://play.google.com/store/apps) verwenden mittlerweile auch eine PEGI-Kennzeichnung, iOS-Apps (siehe: https://itunes.apple.com/at/genre/ios-spiele/id6014?mt=8) haben ein eigenes Alterseinstufungssystem. Bei der Auswahl einer geeigneten Spiele-App sollten Sie natürlich nicht nur das Alter berücksichtigen, sondern auch die Interessen und Fähigkeiten Ihres Kindes oder auch, wofür das Spiel dienen soll. Soll es als kurze Unterhaltung für Zwischendurch dienen, eignen sich vor allem Spiele, die sich in kurze Levels gliedern oder jederzeit speicherbar sind. Darf ein Kind auch am Abend spielen, wäre es sicher vorteilhaft, wenn das Spiel eine eher ruhige Atmosphäre ohne Zeitdruck oder überladenen, hektischen Animationen bietet. Grundsätzlich gilt: Je jünger das Kind, desto wichtiger ist es, dass das Spiel die Wahrnehmung nicht überreizt sowie die Motorik und das Verständnis nicht überfordert. Viele Apps bieten die Möglichkeit, eine Gratisversion anzuspielen, wodurch sich interessierte Eltern selbst ein Bild vom Spiel machen können.
Gratisspiele oder kostenpflichtige – welche sind besser?
Das kann pauschal nicht beantwortet werden. Entscheidend ist, neben der grundsätzlichen Qualität, ob es sich bei dem Gratisspiel tatsächlich um ein kostenloses Spiel handelt oder ob man im Spielverlauf aufgefordert wird etwas zu kaufen, damit man (besser) vorankommt. Solche sogenannten „In-App-Käufe“ können zu einer Kostenfalle werden, vor allem dann, wenn sich den Spielenden vielleicht gar nicht bewusst sind, dass es sich um Käufe mit Echtgeld (d.h. von Mamas oder Papas Kreditkarte) handelt. Dem kann am einfachsten vorgebeugt werden, indem man in den Einstellungen des Smartphones „In-App-Käufe“ deaktiviert bzw. mittels Passwort schützt. Näheres dazu auf Saferinternet.at: Wie vermeide ich, dass Apps zur Kostenfalle werden? – saferinternet.at
Sind die Kinder schon etwas älter, sollte man sie über derartige Fallen aufklären und ihnen anhand praktischer Vergleiche verständlich machen, wieviel Geld sie im Verlauf der Zeit bei einem Spiel los werden können, wenn man die vielen kleinen Beträge zusammenrechnet. Auch PEGI bietet mittels Kreditkarten-Symbol mittlerweile einen Hinweis darauf, ob im Spiel In-Game-Käufe vorkommen oder nicht
Aber nicht nur „In-App-Käufe“ können problematisch sein, sondern auch „In-App-Werbung“, mit der sich viele kostenlose Spiele-Apps finanzieren. Nicht nur, dass diese den Spielverlauf stören kann, sie führt über das Anklicken häufig zu externen Internetseiten, die nicht immer mit den Jugendschutzbestimmungen konform gehen. Detaillierte Informationen zu den vorhandenen „In-Game-Käufen“ und der „In-Game-Werbung“ des jeweiligen Spiels findet man auch auf www.bupp.at.
Obwohl es immer wieder löbliche Ausnahmen bei den Gratis-Apps gibt, so ist es ja auch verständlich, dass sich die Spiele irgendwie finanzieren müssen. Gefällt dem Kind also ein Spiel, das in der Gratisversion angespielt wurde, und sind die Eltern einverstanden, dann lohnt es sich häufig die meist geringen Kosten (unter 5,- Euro) zu investieren, damit das Kind anschließend in den Genuss des vollen Spielumfangs ohne Werbung und Kauf-Angebote kommt. Abschließend sollten Sie sich vor der Installation noch anschauen, welche Zugriffsrechte die App auf ihr Smartphone verlangt. Stimmen Sie den Nutzungsbedingungen zu, steht dem Spielspaß nichts mehr im Wege!
Wie schaffe ich geeignete Rahmenbedingungen für ein gesundes Spielverhalten mit Apps?
Damit sich Kinder in ihrer spielerischen Entwicklung voll entfalten können, bedarf es natürlich mehr als digitale Erfahrungsräume. In einer Umgebung in der Eltern durch ihr Vorbild ein reiches Angebot an Beschäftigungs- und Erlebnismöglichkeiten schaffen, wird sich ein Kind, je nach aktuellem Interesse mal mit dem einen, dann wieder mit dem anderen befassen. Zu viele Spielangebote auf einmal sind für ein Kind genauso ungeeignet wie einseitige Beschäftigungen mit dem immer Gleichen. Ein Kind muss sich, um etwas erfahren zu können, in sein selbst gewähltes Spiel vertiefen können, sich diesem einen Spiel ganz und gar zuwenden. Eltern bleibt dabei einerseits die Rolle, das Angebot so zu gestalten, dass es sowohl den Interessen und Fähigkeiten des Kindes gerecht wird, als auch seine Entwicklung möglichst positiv unterstützt. Dabei ist nicht von Lernspielen die Rede. Spielzeug, das den Spielenden Freiheit in der Anwendung bietet, fördert Kreativität und Initiative am besten. Andererseits können Eltern auch die Rolle des Begleiters/der Begleiterin oder des Spielpartners/der Spielpartnerin einnehmen. Dies gibt Kindern die Gelegenheit, sich mitzuteilen und eventuell nach Hilfe zu fragen und Eltern die Möglichkeit, Einblicke in die kindliche Erfahrungswelt zu erhalten. Beim gemeinsamen Spielen, sei es mit der klassischen Spielzeugkiste oder mit einem digitalen Spiel, wird die Eltern-Kind-Interaktion und -Beziehung am besten gefördert. Rollenspiel mit den Eltern ist für Kinder deshalb so interessant, weil sie durch die zugeteilten Rollen mit ihnen auf Augenhöhe interagieren können. Beim digitalen Spielen bietet sich sogar die Situation des Rollentauschs an, da Kinder hier oftmals die ExpertInnen sind und sich Eltern viel von ihren Sprösslingen zeigen lassen können – sofern die Bereitschaft dafür da ist. Durch ein Einlassen auf so einen Rollentausch, bei dem Eltern sagen „Komm, erklär mir mal, wie das hier funktioniert!“ signalisiert man dem Kind sein Interesse, kommt mit ihm in ein Gespräch und stärkt zugleich dessen Selbstwertgefühl. Eltern kriegen Einblicke in die Lebenswelt ihrer Kinder und können während des gemeinsamen Spielens auch über Ängste oder moralische Fragen mit ihren Kindern reden. Hier ist ein offener, ehrlicher, aber zugleich wertschätzender Zugang wichtig, da sich Kinder und Jugendliche, wenn sie das Gefühl haben, bevormundet zu werden, schnell verschließen. Wichtig ist, von Anfang an, auf kindgerechte Art und Weise, notwendige Regeln zu begründen, damit sie das Kind nachvollziehen kann und irgendwann von alleine anwendet, wenn es deren Grund als sinnvoll anerkennt. Mit einer guten Vertrauensbasis, Zeit füreinander, einem reichen, aber nicht überfordernden Angebot und einem guten Vorbild wird das Kind ein gesundes, vielfältiges Spielverhalten entwickeln, das auch digitale Spiele, wie Apps, beinhalten kann. Erkennen Sie diese neue Spielwelt als selbstverständlich an und setzen sie den Zugang zu dieser nicht mit Belohnungen oder Bestrafungen in Verbindung, denn damit erhält das Ganze einen Sonderstatus. Sie würden ihrem Kind ja (hoffentlich) als Strafe auch nicht das Spielen mit dem Puppenhaus oder das Fußballspielen verbieten oder es damit belohnen. Dass der zeitliche Zugang zu digitalen Welten vor allem für sehr junge Kinder noch begrenzt sein sollte, ist schon allein dadurch verständlich, dass ein Klein- und Vorschulkind noch mehr als ältere Kinder alle Sinne und möglichst viele Erfahrungsräume nutzen sollte, um alle Fähigkeiten und Kompetenzen ausreichend zu entwickeln.
Ich sorge mich, dass mein Kind zu viel am Smartphone oder Computer spielt.
Beobachten Sie, dass sich ihr Kind oder Jugendlicher zunehmends abschottet und Sie auch über feinfühlige Gesprächsversuche keinen Zugang mehr finden? Nehmen Sie jederzeit das kostenlose Beratungsangebot der Familienberatungsstellen in Anspruch (Hotline: 0800 / 240 262)! Meist steckt bei solchen Fällen etwas anderes dahinter als nur ein zu motivierendes Spiel – das sollte man dann versuchen gemeinsam zu lösen.
Was soll ich tun, wenn ich mich selbst ganz und gar nicht für derartige Spiele begeistern kann und auch im Umgang mit dem Smartphone unerfahren bin?
Das macht nicht wirklich viel. Solange Sie Interesse für die Lebenswelt Ihres Kindes haben und das auch zeigen. Ihr Kind wird sich höchstwahrscheinlich freuen, wenn Sie einmal nachfragen, was es denn da am Handy so spielt und Sie sich sein Lieblingsspiel zeigen lassen. Spieletipps erhalten Sie auf www.bupp.at und Informationen zu einem sicheren Umgang mit Internet und Smartphone finden Sie auf www.saferinternet.at. Man muss nicht selbst VielspielerIn/-nutzerIn sein, um seinem Kind einE unterstützende BegleiterIn zu sein!
Karina Kaiser-Fallent
Psychologin und Mama eines 5-Jährigen (geb. 2017). Seit 2005 Bewertung von digitalen Spielen für Kinder (Empfehlungen auf www.bupp.at). Mitarbeiterin in der Abteilung Jugendpolitik im Bundeskanzleramt.
Drohnen-Eltern – Überwachung via App
Der Markt boomt. Überwachung hat ihren Schrecken verloren und findet unter verschiedenen Namen Einzug ins Familienleben. iNanny, MamaBear, Qustodio, Familo, Ignore No More, TABALUGA SOS Familien App und Co haben die Zeichen der Zeit erkannt und verkaufen Familien das, was in unsicher wahrgenommenen Zeiten ein wertvolles Gut ist: Schutz und Sicherheit für ihre Liebsten – nur einen Klick entfernt.
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