Viele Studien und noch mehr Wissenschaftler beschäftigten sich im Laufe der Jahre mit dem Thema Geschwisterkonstellationen. Was macht es für einen Unterschied, ob ich als erstes oder letztes Kind in die Familie geboren wurde, oder irgendwo dazwischen drinnen. Welche Eigenschaften werden den Sandwichkindern nachgesagt und was ist eher typisch für die Erstgeborenen oder die Nesthäkchen? Und wem sind denn wohl die Einzelkinder am ähnlichsten?
Die Erstgeborenen
Das familiäre Umfeld sieht bei den Erstgeborenen so aus, dass sich für die Familie mit der Geburt (oder schon mit der Schwangerschaft) des ersten Kindes vieles verändert und neu ordnen muss. Die Eltern haben noch keine Erfahrung mit eigenen Kindern, auf die sie zurückgreifen können. Sie probieren aus, was funktionieren könnte um das Kind beispielsweise zu beruhigen oder sind auf Tipps von außen (Verwandte, Freunde, Hebammen, Beratungseinrichtungen, Kinderärzte) angewiesen. Jeder erste Schritt, ist wirklich der erste Schritt für die Familie – erstes Mal sitzen, erstes Mal aufstehen, erstes Mal alleine ein paar Schritte gehen bis hin zum ersten Kindergarten- oder Schultag – alles ist neu und aufregend für die ganze Familie. Laut Studien gibt es von Erstgeborenen die meistens Fotos (da hat man, so denke ich, einfach noch besser Zeit zum Knipsen) und sie bekommen mehr Zeit und Aufmerksamkeit (werden zum Beispiel häufiger auf den Arm genommen) als die Nächstgeborenen. Sie müssen also ihre Aufmerksamkeit anfangs nicht teilen und diese Umstellung kann dann später – bei der Geburt eines Geschwisterchens – manchmal besonders schwierig sein.
Unser Großer ist viel vorsichtiger, als der Kleine
Man sagt jeder Geschwisterposition besondere Eigenschaften nach. Erstgeborene sind laut Studien häufig etwas vorsichtiger, als die nachfolgenden Geschwister, weil sie vielleicht die Nervosität der Eltern (jeder erste Schritt ist wirklich eine ganz neue Situation und man weiß nicht immer genau, was zu tun ist) unbewusst gespürt haben. Gleichzeitig haben sie aber oft eine schärfere Kommunikationsfähigkeit, da mit ihnen besonders viel gesprochen wurde und die Aufmerksamkeit anfangs nicht geteilt werden musste. Weitere Eigenschaften, die Erstgeborene besonders häufig besitzen sind: gesetzestreu, erbringen gute schulische Leistungen, konservativ, haben ein besonderes Bedürfnis nach Bestätigung, fürsorglich, verantwortungsbewusst, selbstkritisch, sind gut organisiert und nehmen gerne das Ruder selbst in die Hand.
Die Sandwichkinder
Sandwichkinder sind zunächst die jüngsten Kinder in der Familie und erst mit der Geburt eines weiteren Geschwisterchens werden sie sogenannte Sandwichkinder. Je nachdem, wie groß der Altersabstand zum Nächstgeborenen ist, weisen sie sowohl Eigenschaften des Sandwichkindes, als auch des Nesthäkchens (vor allem dann, wenn der Altersabstand höher als drei Jahre ist) auf. Die Eltern haben bei den Sandwichkindern schon mehr Erfahrung und sind dadurch entspannter und sicherer. Schnell kommen sie aber auch drauf, dass nicht alles, was beim ersten Kind noch bestens funktioniert hat, auch beim Zweiten zum Ziel führt. Sandwichkinder müssen sich meist schon ein paar Stunden nach der Geburt die Aufmerksamkeit mit ihren älteren Geschwistern teilen – und später auch noch mit den Jüngeren. Dadurch werden sie dauerhaft mehr erfinderisch sein um die Aufmerksamkeit der Eltern zu erlangen.
Sind die Mittleren am sozialsten?
Das führt uns auch schon gleich zu den besonderen Eigenschaften der Sandwichkinder. Neben dem kreativen Umgang die Aufmerksamkeit der Eltern zu erlangen sind sie dadurch meistens auch noch sozial geschickter. Sie haben schon früh gelernt, was zu tun ist, um etwas zu erreichen, ohne den jeweils anderen zu ärgern. Denn nur so erreichen sie das Ziel der positiven Aufmerksamkeit der Eltern. Sandwichkinder sind übrigens die Geschwisterposition, die am häufigsten als erstes von daheim ausziehen. Weitere typische Eigenschaften für Sandwichkinder sind laut Studien: harmoniebedürftig, setzen sich realistische Ziele, individualistisch, kommen mit den meisten Menschen gut zurecht, suchen kreative Ausdrucksformen (Sport, Kunst, Musik) und engagieren sich oft für Benachteiligte.
Die Nesthäkchen
Das jüngste Kind in der Familie wird das Nesthäkchen genannt. Dies ist die Position, die angeblich die meisten Menschen auswählen würden, wenn sie könnten. Das kann vielleicht daran liegen, dass Nesthäkchen oft mit viel mehr durchkommen, was bei den Älteren noch nicht gegangen wäre. Die älteren Geschwister haben sich die Rechte „erkämpft oder erarbeitet“ und die Jüngsten können sie einfach so nutzen, ohne auf eigene Faust dafür zu kämpfen. Ein weiterer Vorteil dieser Position kann womöglich sein, dass nie ein jüngeres Geschwisterchen nachkommt, das einem die Rolle als die/der „Kleine“ abspenstig macht. Dies kann aber gleichzeitig auch zum Nachteil werden, wenn man dadurch unbewusst ständig ermuntert wird abhängig zu bleiben, statt selbstständig zu werden.
Ach, jetzt wird auch unser Kleinster schon so groß
Die Eltern wissen heutzutage meist sehr genau, dass dies das letzte Mal ist, dass sie die Elternrolle übernehmen wollen. Dabei herrschen sowohl Gefühle der Erleichterung, aber auch Gefühle voll Nostalgie und Bedauern vor. Jeder „erste Schritt“ wird auch ein „letztes Mal“ – ein letztes Mal die ersten Schritte von unserem Baby, ein letztes Mal der erste Kindergarten- oder Schultag… Unbewusst wird das Kind häufig für sein abhängiges oder unreifes Verhalten belohnt – besonders dann, wenn Eltern noch nicht bereit sind, ihre Elternrolle aufzugeben. Eher negativ kann sich auch übermäßiges beschützen oder verwöhnen, um eventuell die Fehler in der Erziehung der Älteren wieder gut zu machen, auswirken.
Typische Eigenschaften von Nesthäkchen können sein: innovativ, kreativ, charmant und „niedlich“, sie manipulieren gerne, offen, schlecht im Organisieren, rebellisch, stellen Autoritäten in Frage, risikofreudig, schnell enttäuscht, eher wenig Selbstbewusstsein aber spielen gern den Alleinunterhalter.
Die Einzelkinder
Früher war es noch ungewöhnlich – oder gar schon fast inakzeptabel – nur ein Kind zu haben, heutzutage gibt es sehr häufig Einzelkinder und die Familie ist mit dieser Konstellation zufrieden und glücklich. Dann ist das Kind vergleichbar mit einem Erstgeborenen. Anders ist dies, wenn sich Eltern eine große Familie wünschen und sich dieser Wunsch nicht erfüllt. Dann kann man das Einzelkind ganz oft mit einem Nesthäkchen vergleichen. Unabhängig davon wissen die Eltern heute sehr gut über die Bedürfnisse der Kinder und die Wichtigkeit der sozialen Kontakte Bescheid. Sie geben sich Mühe, dass das Kind regelmäßig mit (gleichaltrigen) anderen Kindern zusammenkommt. Dadurch fühlen sich Einzelkinder auch keinesfalls einsam oder „sozial isoliert“.
Sind Einzelkinder die besseren Schüler?
Besondere Eigenschaften, die den Einzelkindern nachgesagt werden, können sein: gute schulische Leistungen und gutes Ausdrucksvermögen, selbstbewusst, identifizieren sich mit Älteren, können sich gut alleine beschäftigen, starker Hang zum Perfektionismus, kommen mit Unwägbarkeiten schlechter zurecht, fühlen sich von Gleichaltrigen oft „missverstanden“ und denken sehr logisch und strategisch.
Veronika Richter
Geboren in Wien, vierfache Mutter und siebenfache Großmutter, Mediatorin, Kindercoach im Wiener Team Collaborative Law (www.collaborativelaw.eu),
22 Jahre Gruppenleiterin für Rainbows, 10 Jahre Besuchsbegleiterin beim Wiener Familienbund, 2011 Buch: „Rückenwind für Scheidungskinder, seit 2013 Elternberatung vor Scheidung.
Die Geschwisterrolle in der Patchwork-Familie
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