Familienpolitik hat das Ziel, durch unterschiedliche Maßnahmen die Rahmenbedingungen zu gestalten, unter denen Familien in Österreich leben, um damit die familialen Lebenssituationen positiv zu beeinflussen. Dabei spiegelt sich gerade in diesem Politikfeld die föderale Struktur unseres Landes deutlich wider: Familienpolitische Akteure sind der Bund, die neun Bundesländer und die mehr als 2.000 österreichischen Gemeinden. Die Maßnahmen des Bundes stellen die Basisversorgung der Familien sicher, während die Länder Unterstützungen bei speziellen Anforderungen und Situationen bereitstellen. Die Gemeinden gestalten das unmittelbare Lebensumfeld der Familien. Sie sind somit hauptverantwortliche Akteure im Bereich der Familienfreundlichkeit.
Der bundesstaatliche Aufbau mit jeweils eigenen Gesetzgebungskompetenzen für Bund und Länder ist eine wesentliche Komponente der österreichischen Familienpolitik. Wichtig ist deshalb eine Kompetenzverteilung, die sicherstellt, dass es zu keinen substanziellen Überschneidungen zwischen Bund und Ländern im Politikfeld „Familien“ kommt. Diese Kompetenzverteilung ist in der Bundesverfassung geregelt.
Leistungen der Bundesländer für Familien
Im Familienbericht 2019 wurde die Summe der aktiven familienpolitischen Maßnahmen der Bundesländer mit 159 Leistungen angegeben (s. Neuwirth & Schipfer 2021). Diese Anzahl umfasst monetäre, Sach- und Versicherungsleistungen ebenso wie Ermäßigungen für Familien, jeweils mit unterschiedlichsten Zielsetzungen. Mit Stand Jänner 2024 sind in der Familienpolitischen Datenbank (FPDB) nunmehr 178 Familienleistungen der Bundesländer erfasst. Das zeigt die Dynamik bei der Ausgestaltung der Familienpolitik auf Länderebene.
Zur Systematisierung der verschiedenen Leistungen wurde am ÖIF ein Kategorienschema entwickelt, das sich an „Life Events“ (Ereignisse im Lebensverlauf) orientiert. Beispiele wie Familiengründung, Einstieg in die Kinderbetreuung beziehungsweise in die Schule, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit zeigen, dass nicht nur das Individuum, sondern das ganze System Familie betroffen ist. Oftmals sind diese einschneidenden Ereignisse der Beginn einer Phase mit erhöhten finanziellen sowie materiellen Belastungen. „Life Events“ und die daraus entwickelten Kategorien sind die Grundlage für die Erfassung von Familienleistungen in der Familienpolitischen Datenbank (FPDB), die am ÖIF geführt wird. Die in der FPDB erfassten Familienleistungen gliedern sich in folgende Gruppen:
- Familiengründung und Geburt (Beispiele: Kinderbetreuungsgeld, Unterstützung bei Mehrlingsgeburten, Sachleistungen nach einer Geburt)
- Kinderbetreuung und Elementarbildung (Beispiele: verpflichtendes Kindergartenjahr, Förderung von Tageseltern, Beitragsermäßigungen, Gratiskindergarten)
- Schule, Lehre, Studium (Beispiele: Schulbeihilfe, Stipendien, Unterstützungen bei Schulveranstaltungen und für Wohnkosten)
- Hilfe in Notsituationen (Beispiele: Familienhärteausgleich, Hilfen bei geringem Einkommen)
- Versicherungsleistungen (Beispiele: Kranken-, Personen- und Unfallversicherungen)
- Gesundheitsleistungen (Beispiele: Mutter-Kind-Pass, Gratiszahnspange, Schutzimpfungen)
- Mobilität (Beispiele: Schülerfreifahrt, Fahrtkostenbeihilfe, Beförderungskostenzuschuss)
- Familienberatung (Beispiele: Erziehungsberatungsangebote, Elternbildungsgutscheine)
- Urlaube und Ferienbetreuung (Beispiele: Urlaub für pflegende Angehörige, Familienurlaubsaktionen)
- Pflegeeltern (Beispiele: Sozialversicherungsbeiträge, Ruhegeld)
- allgemeine Familienförderung (Beispiele: Familienpässe, Prozesse zur Entwicklung von Familienfreundlichkeit)
Details zu den jeweiligen Bundes- und Länderleistungen können im Familienbericht 2019 in einem eigenen Beitrag (Neuwirth & Schipfer 2021) nachgelesen werden.
Für den vorliegenden Artikel wird eine Kategorie exemplarisch herausgegriffen, die aktuell einen Schwerpunkt familienpolitischen Handelns auf allen Ebenen darstellt: – Kinderbetreuung und Elementarbildung.
Beispiel: Kinderbetreuung und Elementarbildung
Den bedeutendsten Bereich familienrelevanter Leistungen der Bundesländer und der Gemeinden stellen Förderungen und Bereitstellungen auf dem Gebiet der Kinderbetreuung und Elementarbildung dar. Konkret geht es dabei um Kindergärten, Krippen/Krabbelstuben/Kleinkindgruppen, aber auch um altersgemischte Gruppen und Horte von privaten sowie öffentlichen Trägern. In diesen Bereich fallen auch die Unterstützung und die Förderung von privat organisierter Kinderbetreuung in Spielgruppen oder durch Tageseltern sowie die außerschulische Nachmittagsbetreuung von schulpflichtigen Kindern. Gerade der Bereich Kinderbetreuung zeigt sehr deutlich, dass trotz der rechtlichen Bestimmungen und Abgrenzungen, die die Kompetenzen in diesem Bereich den Bundesländern zuweisen, scharfe Trennlinien zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nicht gezogen werden können. Die realen Gegebenheiten, zum Beispiel bei der Finanzierung, verlangen ein Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden.
Der Bund fördert speziell durch die ab 2007 geschlossenen Bund-Länder-Vereinbarungen gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz („15a-Vereinbarungen“) überwiegend Investitionskosten, während die Länder und Gemeinden für den laufenden Betrieb aufkommen. In diesem Zusammenhang ist die Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres ein Jahr vor regulärem Schuleintritt zu nennen. Im Zuge dieser österreichweiten Reform wurde zumindest die Vormittagsbetreuung im letzten Kindergartenjahr kostenfrei gestellt und mit Bundesmitteln finanziert. Die Länder ersetzen den Trägern die entgangenen Einnahmen.
Neben den Investitionen und laufenden Kosten gewähren die Länder – sofern die Betreuung den Eltern nicht grundsätzlich kostenfrei angeboten wird – finanzielle Unterstützungen für einkommensschwache Familien, damit auch deren Kinder an den jeweiligen Elementarbildungsprogrammen teilhaben können. Manche Länder fördern parallel auch explizit die Kinderbetreuung in der Familie bis zu einer festgelegten Altersgrenze. Darüber hinaus erbringen die Bundesländer wesentliche Leistungen im und um den schulischen Bereich, z.B. die Förderung von Schulveranstaltungen. Solche Förderungen werden jedoch der Bildungspolitik zugeordnet.
Familienfreundlichkeit als Handlungsfeld für Gemeinden
Leistungen für Familien in den über 2.000 österreichischen Kommunen sind so vielfältig und zahlreich wie die Gemeinden selbst. Oft ist aber nicht einmal den Einwohner/innen bekannt, welche kommunalen Angebote und Möglichkeiten es für Familien gibt.
Vor allem die Realisierung von Familienfreundlichkeit ist ein Wirkungsbereich der Kommunen. Ein wichtiges Instrument in diesem Kontext ist die Zertifizierung familienfreundlichegemeinde. Die Durchführung wird bundesweit über die Familie und Beruf GmbH koordiniert und zum Teil von den Ländern gefördert. Die Zertifizierung ist ein strategisches Planungs-, Controlling- und Evaluierungsinstrument, um die kommunalen Handlungsfelder Familien und Generationen weiterzuentwickeln. Mit der Zertifizierung familienfreundlichegemeinde können sich Kommunen als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume positionieren und sich einen Standortvorteil schaffen.
Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für Familien
Fasst man sämtliche Ausgaben sowie Einnahmenreduktionen, beispielsweise durch steuerliche Absetzmöglichkeiten, zusammen, zeigt sich, dass der Bund etwa 70 % und die Länder und Gemeinden etwa 30 % der familienrelevanten Ausgaben in Österreich tragen. Dabei wird rund die Hälfte der Ausgaben über den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) abgewickelt. Für 2022 beispielsweise betrugen die Ausgaben für Familienleistungen inklusive familienrelevanter Steuerabsetz- und -freibeträge etwa 18,2 Milliarden Euro.
Verweise
Neuwirth, Norbert; Schipfer, Rudolf Karl (2021): Familienpolitische Maßnahmen der Länder. In: Bundeskanzleramt / Frauen, Familie, Jugend und Integration (Hg.): 6. Österreichischer Familienbericht 2009–2019. Neue Perspektiven – Familien als Fundament für ein lebenswertes Österreich. Wien: BKA/FFJI, S. 1045–1082
Schipfer, Rudolf Karl; Buchebner-Ferstl, Sabine; Dörfler, Sonja; Geserick, Christine; Kaindl, Markus; Schmidt, Eva-Maria (2018): Audit familienfreundlichegemeinde. Erfahrungen aus zertifizierten und nichtzertifizierten Gemeinden. Wien: ÖIF (ÖIF Working Paper 91)
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