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Der involvierte Vater – Leitbild neuer Väterlichkeit

von Mag. Dr. Erich Lehner

Elternbildung
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Über die Bedeutung des Vaters lässt sich trefflich streiten. Beklagt wird seine Abwesenheit und damit im Zusammenhang der „Vaterhunger“, der als schwerwiegendes Defizit in der Entwicklungsgeschichte Heranwachsender wahrgenommen wird. Seine Wichtigkeit wie sein Mangel werden oft stark an der Bedeutung seiner Männlichkeit festgemacht. So betonte schon Sigmund Freud die Bedeutung des Vaters ab der ödipalen Phase – also im Alter von 2-3 Jahren -, wenn das Kind den Geschlechterunterschied zwischen Mutter und Vater erkennen kann. Bis dahin hält er die dyadische Beziehung zur Mutter für bedeutsamer. Hinter dieser Sichtweise ist die Struktur der bürgerlichen Kleinfamilie erkennbar, die dem Vater die Versorgung der Familie durch außerhäusliche Erwerbstätigkeit und der Mutter die Ernährung, die (emotionale) Versorgung und den Schutz des Kindes zuschreibt. In geäußerten Einstellungen, dass für ein Kind unter drei Jahren die Mutter am wichtigsten ist, bleibt die traditionelle Sichtweise auch heute noch präsent.

Dagegen sieht die moderne Entwicklungspsychologie das „primäre Dreieck“ (Fivaz-Depeursinge, Corboz-Warnery) als basale Beziehungsstruktur an, in der beide Elternteile und das Kind vom Anfang an miteinander verbunden sind. Damit ist einerseits gesagt, dass ein Neugeborenes von Anfang an nicht nur zur leiblichen Mutter, sondern zu mehreren Personen Beziehung aufnehmen kann.  Andererseits hat in diesem Beziehungsdreieck auch jede Teilbeziehung – also die Dyaden: Mutter/Kind, Vater/Kind, Mutter/Vater – ihre eigenständige Bedeutung und wirkt sich auf die Entwicklung des Kindes aus. Ein Vater ist wichtig von der Empfängnis an und seine Präsenz hat positive Auswirkung auf die Entwicklung von Kindern. „Umfassendes väterliches Engagement,“ so formuliert der Vaterforscher Wassilios Fthenakis (Fthenakis 1999, 122), „wirkt sich insbesondere auf die Entwicklung kindlicher Eigenschaften wie Empathie, soziale Kompetenz, schulische Leistungsfähigkeit und Problembewältigungsfertigkeiten aus.“ (vgl. Allen, Daly 2007)

Worin besteht nun seine Wirkmächtigkeit? Die von Fthenakis angesprochenen positiven Auswirkungen wurden bei Kindern festgestellt, deren Väter 40% und mehr der alltäglichen Versorgungsarbeit übernommen haben. Weiters zeigte die Bindungsforschung, dass die Bindungsqualität zwischen Vätern und Kinder ab einem gewissen qualitativen Niveau durch vermehrte Anwesenheit nicht mehr zu steigern ist. Was jedoch zur Vertiefung der Beziehung beitragen kann, ist die Involvierung in reproduktive und pflegende Tätigkeiten. Je mehr sich also Väter zu Hause engagieren und für ihre Kinder „kochen, waschen, putzen“, desto unterstützender werden sie von ihren Kindern wahrgenommen. (Herlth 2002) Schließlich kann als wichtigster Wirkfaktor die Sensitivität von Vätern gesehen werden. Der Sozialisationsforscher Alois Herlth (ebd.) sieht in der Sensitivität der Väter eine Art Schlüsselvariable des Gelingens familialer Beziehungen sowohl auf der Ebene der Partnerschaft als auch auf der Ebene der Vater-Kind-Beziehungen. Positive Väterlichkeit besteht in ihrem Kern in sensitiver Kommunikation zum Kind und zur Partnerin, sie umfasst dabei konkrete Fürsorge/Carearbeit ebenso wie sie auch ein gewisses Maß an zeitlicher Verfügbarkeit erfordert.

Und welche Bedeutung kommt dabei dem Mannsein des Vaters zu? Nüchtern betrachtet bleibt sie zweitrangig. (Lehner 2011) So lässt sich in den grundlegenden Dimensionen eines Fürsorge- und Erziehungsverhaltens von Müttern und Vätern kein Unterschied erkennen. Unterschiede in den mütterlichen und väterlichen Erziehungsstilen sind als individuelle Ausprägungen der Personen zu werten und liegen nicht in einer grundlegend unterschiedlichen Wesenheit der Geschlechter begründet. Auch werden Geschlechterrollen nicht einfach durch Erziehung oder durch Prozesse der Identifikation von Eltern auf Kinder übertragen. Das Erlernen von geschlechtlicher Identität ist als Ergebnis eines Gruppenprozesses anzusehen, in den das Kind sowohl agierend als auch rezipierend eingebunden ist. Die für die Kindheit wichtigsten Bezugsgruppen sind die (größere) Familie, die peers im Kindergarten, die Schule und in die örtlichen Gemeinschaften, in denen das Kind eingebunden ist. (Paechter 2007) Eltern haben dabei eine herausragende Funktion als begleitende Bezugspersonen, die jedoch in ihrer geschlechtlichen Verfasstheit als Teil dieser Gruppen erfahren werden. Der wesentliche Wert aktiver Vaterschaft liegt also nicht primär im Geschlecht des Vaters, sondern in der Anwesenheit einer (weiteren) verlässlichen Bezugsperson. In positivem Falle hat ein Kind zwei präsente Elternteile, zu denen es autonome und nahe Beziehungen aufbauen kann.

Vor diesem Hintergrund erklärt es sich einerseits, dass Kinder aus Regenbogenfamilien bzw. mit LGBTQI-Eltern sich in ihren positiven Entwicklungschancen in keiner Weise von Kindern mit heterosexuellen Elternpaaren unterscheiden. (Silbermayer 2015) Wenn andererseits berechtigter Weise eingemahnt wird, dass mangelndes väterliches Engagement, Vaterlosigkeit oder Vaterabwesenheit (so wie die Abwesenheit jedes Elternteils) Kinder in ihrer Entwicklung belasten kann, darf dies nicht vorschnell auf die Männlichkeit des Vaters reduziert werden. Die Ursachen der Belastung können vielfältig sein. Sie können im Fehlen des zweiten Elternteils bestehen, sie können aber auch durch ökonomische Probleme verbunden mit dem emotionalen Stress, die sich für Ein-Eltern-Familien ergeben, hervorgerufen werden. Ebenso kann sich die subjektive Erfahrung des Kindes, von einem Elternteil vernachlässigt zu werden, negativ auswirken oder die Konflikte, die rund um eine Scheidungssituation auftreten. Lamb 1997) Es sind also eher die Folgen schwieriger Lebensumstände, die aus einer Trennung, Abwesenheit oder vernachlässigendem Verhalten folgen als die fehlende männliche Bezugsperson, die beeinträchtigen. Auch im Fall einer Trennung soll und kann der Vater weiterhin eine positive Bezugsperson darstellen. Ob er dies erfüllen kann, hängt nicht in erster Linie an der Anzahl der Kontakte mit den Kindern. Der wesentliche Punkt ist seine Beziehungsfähigkeit. Entscheidend ist, wie sehr er mit seinen Kindern in Beziehung bleibt und wie er mit der Mutter auf der Elterneben konstruktiv zugunsten des Kindes kooperieren kann. Diese Kooperation kann rechtlich gestützt werden, sie ist und bleibt aber in erster Linie eine Herausforderung und Leistung der handelnden Eltern. Ebenso kommt der väterlichen Person in Patch-Work-Familien – ganz gleich ob sie der leibliche Vater oder der neu hinzukommende Partner ist – ein wichtige Funktion hinzu, die wiederum an ihrer Beziehungsfähigkeit hängt. Entscheidend ist, wie sehr sich die väterliche Person wohlwollend begleitend in das Leben der Kinder einbringt. (Flood 2003)

In ihrem Bericht „State of the World´s fathers“ (2015) hat die UNO drei Vorteile einer aktiven Vaterschaft hervorgehoben: als Bindungsgeschehen fördert sie Kinder. Auf der Paarebene trägt sie zu einer besseren Aufteilung der familiären unbezahlten Fürsorgearbeit bei und unterstützt die Partnerin bei außerhäuslicher Erwerbstätigkeit. Einen dritten wesentlichen Benefit sieht der Bericht für die aktiven Väter selbst. Aktive Vaterschaft erhöht ihr eigenes Wohlbefinden, schenkt ihnen Sinn und Erfüllung und führt zu einem Abbau stereotyper Männlichkeiten. Die Zahl der Männer, die sich von derartigen Überlegungen motivieren lassen, nimmt zu. In einer eigenen Studie (2010) waren 2/3 der Männer bereit in Karenz zu gehen und ¾ waren bereit zugunsten der Versorgung ihrer Kinder Teilzeitarbeit zu übernehmen. Worin sie schlussendlich dann doch Grenzen sahen, diese Absicht auch tatsächlich umzusetzen, waren die Angst vor Einkommensverlusten und einer möglichen Beeinträchtigung der Karriere. Diese Ängste weisen darauf hin, dass die Art und Weise, wie Männer ihre Vaterschaft leben, nicht ausschließlich ihrem individuellen Gestaltungswillen entspringt, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit gesellschaftlichen Arbeits- und Familienstrukturen und kulturellen Mustern steht. Um diesen gesellschaftlichen Wirkmechanismen etwas entgegenhalten zu können, ist eine aktive Männer/Väterpolitik zu forcieren. Gefordert wäre ein Anreiz- und Regelungssystem auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene, das die bekundete männliche Bereitschaft zur Fürsorgearbeit in die Pflicht nimmt, sie unterstützt und auch schützt. Denn fürsorgende Männer können als ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft angesehen werden.

Literatur:

Allen, S./Daly, K. (2007). The Effects of Father Involvement. An Updated Research Summary of the Evidence. Guelph. Zugriff am 23.10.2019 unter https://library.parenthelp.eu/wp-content/uploads/2017/05/Effects_of_Father_Involvement.pdf

Fthenakis Wassilios (1999): Engagierte Vaterschaft. Die sanfte Revolution in der Familie, Opladen

Herlth, Alois (2002): Ressourcen der Vaterrolle. Familiale Bedingungen der Vater-Kind-Beziehung, in: Walter, Heinz (Hg.): Männer als Väter. Sozialwissenschaftliche Theorie und Empirie, Gießen, 585 – 608

Lamb, Michael E. (1997): Fathers and Child Development: An Introductory Overviewand Guide. In: Lamb, Michael E. (Ed.), The Role of the Father in Child Development, New York, 1-18

Lehner, Erich (2011): Brauchen Jungen männliche Vorbilder? In: Forster, Edgar J; Rendtorff, Barbara; Mahs, Claudia (Hg.): „Jungenpädagogik im Widerstreit?“, Stuttgart, 96 – 108

Paechter, Carrie (2007): Being Boys, Being Girls: Learning masculinities and feminities, New York

Silbermayr, Ernst (2015):  Regenbogenfamilien. Über lesbische und schwule Elternschaft. In: Zeitschrift für  Psychodrama und Soziometrie, 14, 29–39

“State of the World father´s” (2015), Zugriff 23.10.2015 https://www.issuelab.org/resources/22417/22417.pdf


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