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Begegnungsraum Bibliothek

von Dr. Reinhard Ehgartner

Elternbildung
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Kinder erobern BibliothekenElternbildung

1500 Öffentliche Bibliotheken gibt es in Österreich – und allesamt stehen sie in einem spannenden Veränderungsprozess: Aus den Entlehnstellen früherer Zeiten wurden und werden lebendige Begegnungsräume, in denen neben einem breiten Angebot an Medien auch Lesungen, Spielfeste, Kinderprogramme, MINT-Experimente, Fortbildungen, Vorlesestunden oder Bilderbuchkinos angeboten werden.

Bibliotheken erweisen sich zunehmend als attraktive Freizeitorte und alle Statistiken belegen: Familien mit kleinen Kindern zählen zu den aktivsten Nutzergruppen – und zugleich zu den wichtigsten, denn die beglückenden Kindheits-Entdeckungen in der Welt der Bücher wecken Neugierde und Begeisterung, die ein Leben lang anhalten. Nichts prägt uns so sehr wie unsere ersten Lebensjahre – Bücher und Geschichten finden hier ihren Platz.

Bibliotheken als ideale Begegnungs- und LernorteElternbildung

Lesen beginnt lange vor der Schule und es hat nicht nur mit dem Erkennen, Deuten und Verstehen von Buchstaben zu tun, sondern viel mit Beziehung. Bevor sie in Kindergarten und Schule auf neue außerfamiliäre Orte des Lernens stoßen, können Kinder Bibliotheken als vertraute Räume entdecken und das gemeinsame Eintauchen in Geschichten als wohltuende und stärkende Zuwendung erfahren. In Bibliotheken kann man gut wachsen: Schon die Jüngsten erobern sich ihre Lieblingsplätze in den Kinderecken, finden zwischen Lesetreppe und Kuscheltieren eine heimelige Umgebung und suchen in Bilderbuchtrögen selbständig nach Büchern, die sie interessieren und ansprechen. Ohne Vorgaben, Bewertungen oder Benotung werden hier starke Lernimpulse gesetzt: Bilder und Vorstellungen wachsen, literarische Figuren werden zu vertrauten Begleiter*innen, der kompetente Umgang mit Medien wird selbstverständlich geübt, die bunte Vielfalt an literarischen Ausdrucksformen und Sprachklängen Teil des persönlichen Erlebens. Sowohl in den Büchern als auch in der Bibliothek entdecken Kinder einen abenteuerlichen, zugleich aber auch sicheren Ort, der sie emotional beheimatet.

Ein erfreulicher ParadigmenwechselElternbildung

Über Jahrhunderte wurden in unserem Kulturkreis kleine Kinder als die potentiellen Störenfriede bibliothekarischer Ordnung und feierlicher Ruhe betrachtet – heute gelten sie als wichtige Zielgruppe und Hoffnungsträger einer buchaffinen Zukunft. Kinderecken, Kindermöbel und Kindermedien zählen längst zum bibliothekarischen Grundinventar und Veranstaltungen für Kinder zu den am stärksten frequentierten Bibliotheksprogrammen. Hinter diesem Paradigmenwechsel steht eine Idee, die sich mittlerweile zu einer weltweiten Bewegung entwickelt hat.

Buchstart – eine Idee erobert die WeltElternbildung

Zu Beginn der Buchstart-Bewegung stand ein kleines, unscheinbares Ereignis: Als die englische Autorin und Lesepädagogin Wendy Cooling im Jahr 1992 in Birmingham den ersten Tag einer Kindergarten-Vorschulklasse begleitete, beobachtete sie einen vierjährigen Jungen, der auf die so- eben ausgeteilten Bilderbücher befremdlich reagierte. Er warf sein Buch erst hin und her und klopfte dann damit auf den Tisch. Ein wenig verunsichert schaute er schließlich zu den anderen Kindern und versuchte wie sie das Buch zu öffnen und darin zu blättern. Wendy Cooling erkannte, dass dieser Junge ganz offensichtlich zum ersten Mal in seinem Leben ein Buch in Händen hielt, reagierte betroffen und startete eine kleine Initiative, die in Birmingham 300 Familien mit Buchpaketen für Kleinkinder ausstattete. Diese erste Aktion war der Startschuss zu einer nationalen Bewegung, in der schließlich der Bildungsbereich, das Gesundheitswesen, Verlage, Buchhandel und Bibliotheken gemeinsam ein Konzept erarbeiteten, um dem Ziel von Wendy Cooling zu folgen: »I want to get every child in the country reading for pleasure.«

Jedes Kind sollte die Chance erhalten, Lesen zu einem freudigen Erlebnis werden zu lassen. Diese Bookstart-Idee, bereits sehr früh auf Familien mit kleinen Kindern zuzugehen und sie in ein Netzwerk des Lesens, Erzählens und Lernens hereinzunehmen, ist zu einer globalen Bewegung gewachsen, die erfreulicherweise auch in Österreich in unterschiedlichen Formen Nachahmung findet. In zahlreichen Bibliotheken gibt es engagierte Buchstart-Aktionen und mit »Buchstart Österreich« (buchstart.at) wurde eine Plattform mit Konzepten und einer Fülle an Materialien aufgebaut. Von vielen Bundesländern werden diese Konzepte aufgegriffen und mit der Adaption der Materialien wieder neue Impulse gesetzt. Hieraus ist eine überaus kreative Szene entstanden, die von österreichischen Autor*innen und Künstler*innen geprägt wird und für Buchhandel und Verlage zunehmend Bedeutung gewinnt.

Mit Büchern wachsenElternbildung

Unter buchstart.at finden sich Informationen, Impulse, Videos und eine Übersicht über die vielen Buchstart-Materialien (Broschüren, Bilderbücher, Fingerpuppen, Werbematerialien), die eine gelingende Begegnung mit der Welt der Bücher begleiten. Entscheidend ist aber immer die persönliche Begegnung, die sich nicht durch audiovisuelle Technik ersetzen lässt. Nur im Austausch mit anderen Menschen können wir wirklich wachsen und uns entfalten, denn: »Alles wirkliche Leben ist Begegnung.« (Martin Buber)

Diesen lebendigen Austausch braucht es auch unter den Institutionen. Das Buchstart-Projekt des Österreichischen Bibliothekswerks steht in Kooperation mit vielen Einrichtungen im In- und Ausland.    Der Brückenschlag zwischen Familien, Eltern-Kind-Gruppen, Kindergärten und Öffentlichen Bibliotheken gelingt zusehends besser und es ist schön und überaus bereichernd, in diesem spannenden Arbeitsfeld mitwirken zu dürfen.

 


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