In ganz Österreich werden nach wie vor Plätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen. Finanzierungmöglichkeiten wie die Kindergartenmilliarde oder die Anstoßfinanzierung über die 15a Vereinbarung, die von Seiten des Bundes und der Länder zur Verfügung gestellt wurden und werden, sollen vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.
Dies bedingt auch im System Kindergarten veränderte Angebote und Betreuungsmodelle für das junge Kind. So ist auch das Thema „Sauberwerden“ – oder fachlich ausgedrückt: Das Erlangen der Ausscheidungsautonomie in Kindergärten zum Alltag geworden. Vor allem im urbanen Bereich, wo die Versorgungsdichte an Plätzen für junge Kinder schon über 30 Prozent liegt, ist der Umgang mit Kindern in dieser sensiblen Phase meist sehr vertraut.
Vor einigen Jahren noch war bei der Aufnahme eines Kindes im Kindergarten das „Sauber sein“ ein Kriterium, um einen Platz zu bekommen – heute ist es in den meisten Einrichtungen selbstverständlich, Kinder bei allen Entwicklungsschritten adäquat zu begleiten.
Aufnahme in den Kindergarten heute
Je nach Kindergarten, es kommt auf den Träger bzw. auf das Bundesland an, finden Eltern bei der Anmeldung ihres Kindes unterschiedliche Gruppenformen vor: Für Kinder von 0 bis 3 Jahren stehen Kleinkinder-, Krippen- oder Familiengruppen zur Verfügung, Kindern ab drei Jahren Kindergarten- oder auch Familiengruppen von 0 bis 6 Jahren.
Für die Aufnahme eines Kindes in den Kindergarten, egal in welcher Gruppenform, darf es heute keine Rolle mehr spielen, ob ein Kind noch eine Windel braucht oder nicht. Dennoch werden Kinder, die noch Windeln tragen manchmal mit der Begründung abgewiesen, dass es in dieser Gruppe keine Möglichkeit gibt, ein Kind zu wickeln. Auch das Argument, Kinder die Windeln tragen wären noch nicht reif für den Kindergarten, stammt aus der Zeit, in der vorwiegend nur Kinder ab drei Jahren aufgenommen wurden. Es ist natürlich so, dass im Kindergarten eine für das Kind entsprechende Wickelmöglichkeit mit dementsprechender hygienischer Ausstattung zur Verfügung stehen sollte. Durch die Ausdehnung des Bildungs- und Betreuungsangebotes für junge Kinder gibt es in den meisten Kindergärten bereits eine adäquate Ausstattung.
Die pädagogische Arbeit im Kindergarten
Der Kindergarten versteht sich als Bildungs- und familienergänzende Einrichtung. ElementarpädagogInnen sind grundsätzlich geschult, Entwicklungsschritte des Kindes achtsam zu begleiten und sind dadurch Kindern und Eltern verlässliche PartnerInnen und BegleiterInnen in einer wichtigen Entwicklungszeit. Gerade eine sensible und positive Begleitung des Prozesses des „Sauberwerdens“, trägt auf vielfältige Weise zu Bildung einer gesunden stabilen Persönlichkeit bei. Je ungezwungener und natürlicher die Entwicklung zur autonomen Kontrolle der Ausscheidung stattfindet, umso besser ist dies für die Gesamtentwicklung eines Kindes. PädagogInnen (und Eltern) sollten sich daher gerade beim Sauberwerden der Kinder stets um eine macht-, druck- und angstfreie Atmosphäre bemühen.
PädagogInnen im Kindergarten begleiten und unterstützen Kinder in all ihren Bildungsprozessen. Damit die kindliche Selbststeuerung und Eigenaktivität gewahrt bleibt, ist es eine wichtige Aufgabe von PädagogInnen, Signale von Kindern wahrzunehmen, zu deuten und darüber ihre Interessen und anstehenden Entwicklungen zu erfassen (vgl. Stenger/ Viernickel 2010). Dieses Wahrnehmen der pädagogischen Fachkräfte ist nur in einer Atmosphäre der Achtsamkeit möglich. Eine stabile und verlässliche Beziehung zu den Bezugspersonen ist hierfür Voraussetzung. Kindern Erfolgserlebnisse und Bestärkungen zu geben, trägt wesentlich dazu bei, dass Kinder in dieser wichtigen Phase der Entwicklung auch durch positive Verstärkung lernen, Signale des Körpers zu verstehen.
Entwicklung der Kompetenzen
Die Erlangung der Ausscheidungsautonomie an sich ist keine losgelöste Kompetenz, die es alleine zu erlernen gilt. Sie ist ein Teil eines umfassenden Entwicklungsgeschehens wie z. B. der Selbstständigkeitsentwicklung oder der Ausbildung der eigenen Identität und zunehmender Sozialkompetenz. Der Kindergarten ist ein Ort, an dem Kinder in ihrer Autonomie bestärkt werden: „Selber machen“ – der Wunsch aller Kinder. Anna Tardos (Mit Kindern neue Wege gehen; L. Valentin) macht die „gewagte“ Aussage: „Es ist wichtig zu verstehen, dass wir Selbständigkeit vom Kind nicht erwarten oder gar fordern dürfen, sondern dass wir ihm die Möglichkeit geben, so selbständig zu sein, wie es das von sich aus möchte. […] denn wir können darauf vertrauen, dass es selbständig werden wird, sich von uns lösen wird, seinen Weg gehen wird, wenn es dafür bereit ist – wenn die Zeit reif ist.“
Jedes Kind will von sich aus selbständig werden, sich weiterentwickeln. Im Kindergarten werden den Kindern dazu die bestmöglichen Rahmenbedingungen gegeben. Das heißt, Kinder bekommen Zeit, ihre Entwicklung selbst voranzutreiben.
Die Kindergruppe als Übungsfeld
Der Vorteil eines Kindergartens ist, dass ältere Kinder zum Vorbild genommen werden können. Sie erleben tagtäglich, dass auch Kinder ihrer „Peergroup“ (unter gleichaltrigen Kindern) entweder schon auf die Toilette gehen oder dass auch das Thema für andere gerade aktuell ist. Kinder beobachten und sind neugierig, d. h. Kinder werden in dieser Phase auch andere beim Toilettengang beobachten. Und so lernen Kinder.
Im Kindergarten finden Kinder ideale Rahmenbedingungen vor. Die Ausstattung des sanitären Bereiches ist der Körpergröße der Kinder optimal angepasst. In Kleinkindergruppen bzw. im Krippenbereich gibt es z. B. Töpfchen-WCs, diese Toiletten sind ideal zum Üben und in Folge zum selbstständigen Toilettenbesuch.
Ohne Eltern geht es nicht
Gerade in der Zeit des „Sauberwerdens“ braucht es eine gute Absprache zwischen Eltern und MitarbeiterInnen des Kindergartens. Bei der Aufnahme des Kindes in den Kindergarten wird beim Elternerstgespräch je nach Alter des Kindes auch abgeklärt, inwiefern ein Kind zuhause schon signalisiert, ohne Windel sein zu wollen und den Topf oder die Toilette benutzen möchte.
Es muss abgeklärt werden, welche Vorstellungen Eltern dazu haben und die PädagogInnen werden auch über die Möglichkeiten des Kindergartens diesbezüglich aufklären. Wenn z. B. ein 30-Monate altes Kind zuhause nicht die Erfahrung ohne Windel zu sein sammeln kann, dann wird es nicht viel Sinn machen, die Anbahnung zum „Sauberwerden“ von Seiten des Kindergartens zu starten. Gerade bei der Unterstützung der Erlangung der Autonomie über die eigenen Ausscheidungsvorgänge, sollen die ersten Schritte in der Familie angebahnt werden. Kinder, die einen Großteil des Tages im Kindergarten verbringen, werden auch viel Zeit mit Üben und Ausprobieren in der Einrichtung verbringen und dementsprechend unterstützt. Zuhause ist es wichtig, dass das Kind in gleicher Weise bestärkt und begleitet wird.
Dazu braucht es, wie anfangs erwähnt, intensive und offene Gespräche zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften. Das Kind gibt das Tempo vor, die Erwachsenen begleiten. Beide, Eltern und Einrichtung, tragen dazu bei, dass das Kind sich in einer angenehmen und bestärkenden Umgebung entwickeln kann.
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