Dass Patchwork mehr als eine geflickte Decke sein kann, eine Scheidung nicht immer negativ für mindestens eine/n Beteiligte/n ausgehen muss und der Staat hier noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen hat, darf ich in den folgenden Zeilen aus meiner persönlichen, betroffenen, Sicht darstellen.
Patchworkfamilien gibt es in Österreich nicht!
Zumindest was die Formulierung angeht nicht. Hierzulande spricht man von so genannten Stieffamilien, was aber nach meinem Verständnis das gleiche ist. Meine Definition einer Patchworkfamilie ist eine Lebensgemeinschaft mit mindestens einem Kind außerhalb der genetischen Familie. Der Klassiker ist, wenn Mütter oder Väter dann von der Unterscheidung her in genetische und soziale Mütter und Väter eingeteilt werden. Wobei das noch etwas zu kurz greift, da sich durch den erweiterten Familienkreis meist auch Sonderkonstellationen ergeben, wie drei oder mehr Großelternpaare, Tanten, Onkeln oder einfach viele Menschen die zwar nicht genetisch eine Verwandtschaft, aber sehr wohl beziehungstechnisch eine Nähe zur „neuen“ Patchworkfamilie haben.
Familie ist, wer eine Beziehung aufbaut
Ob es gute Freunde sind, die gerne die Tante/Onkel-, TaufpatInnen- bzw. sonstige „Funktion“ freiwillig einnehmen oder die Verwandtschaft, ist dabei nicht wichtig. Familie ist wer eine Beziehung zum Kind mit aufbaut und eine Rolle übernimmt. Wie diese Rollen sind? Nun oft sehr verschieden und vor allem im Fluss begriffen. Mal kommt eine neue Person dazu, mal fällt ein Teil weg. Wichtig dabei ist, dass es immer eine Konstante gibt, die bestehen bleibt. Also zumindest ein/zwei Menschen die, unabhängig der Verwandtschaft, eine stabile Rolle haben.
Die alte Familie geht
Eine Scheidung ist immer eine blöde Situation, egal ob es danach vermeintlich besser ist oder nicht. Oft hat es sich längst abgezeichnet oder es passiert plötzlich und unerwartet. Auch höhere Gewalt bzw. ein sonstiges Unglück können dazu führen, dass ein Elternteil bzw. anderer Verwandter eines Kindes vor der Aufgabe steht, ein neues Lebensumfeld für wenigstens ein Kind zu gestalten.
Dann gilt es rasch aus dem noch Vorhandenen so viel wie möglich zu retten und neue familiäre Strukturen aufzubauen. Wenn beide Ex-Partner noch vorhanden und vor allem gewillt sind, ihre elterlichen Aufgaben auch weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen, kann das durchaus auch ein Gewinn für das/die Kind/er werden. Hier können Rituale und Regelmäßigkeiten für eine stabile Basis zur Entwicklung eines positiven Umfeldes beitragen.
Die neue Familie kommt
Nach der Änderung der ursprünglichen, ersten, Familienkonstellation ist Feingefühl und Respekt eine wichtige Sache. Mit Feingefühl gilt es dem Kind zu vermitteln, dass zwar Beziehungen etwas Fließendes sind und ein möglicher neuer Lebenspartner durchaus eintreten kann, aber die direkte Beziehung zum Kind darunter nicht leiden darf und wird. Dabei ist das Wohl des Kindes stets zu respektieren und zu achten. Das klingt natürlich viel einfacher, als es in der Praxis dann tatsächlich ist. Doch auch hier hat sich die Gesellschaft zum Glück weiterentwickelt. Vorbei sind die Zeiten in denen man noch angenommen hat, dass eine „alleinstehende“ Frau bzw. ein „alleinstehender“ Mann oder sonstige Person ohne Nachwuchs, für den man verantwortlich ist, am Singlemarkt erscheint. Warum also nicht von Anfang an ehrlich sein und zu seinen lieben Verpflichtungen stehen. Und wo gibt es sonst schon so leicht die Möglichkeit, dass sich nicht nur Mama oder Papa einen neuen Partner suchen, sondern auch gleich noch ein Geschwisterchen, im vielleicht idealen SpielgefährtInnenalter mit akquiriert wird.
Zurück zur „schwierigen“ Praxis…
Wer schon beim Kennenlernen die Karten auf den Tisch legt und nicht einen auf Single macht, muss somit weniger Stress mit geteilten Wochenenden befürchten. Zu Beginn macht es wahrscheinlich noch Sinn, die Kinderzeit nicht gleich mit einer neuen Dreisamkeit zu konfrontieren. Das zeigt auch den handelnden Personen, dass Sie in diesem Moment wichtig sind. Wer sich um alle gleichzeitig kümmern will, kriegt auch nichts mehr mit von den Beziehungen und springt nur wie ein Gummiball von einer Seite zur anderen. Spannend wird es, wenn der Eine auf den Anderen neugierig wird. Dann sollte man aber die erste Begegnung auf jeden Fall auf neutralem Boden stattfinden lassen und sich selbst in die Beobachterrolle versetzen und zusehen was passiert. Doch auch hier gilt die erste Begegnung nicht zu hoch zu gewichten, da sich die Rollen, wie bereits eingehend erwähnt, stetig weiterentwickeln werden. Ob der/die neue Zukünftige eine Rolle ähnlich der leiblichen Bezugsperson einnehmen wird, eher ein informeller Berater ist oder zum Super-Kumpel mutiert, lässt sich in den seltensten Fällen voraussagen. Eines steht jedoch fest: Eine Partnersuche mit dem Ziel, jemanden zu finden der eine Vater- oder Mutterrolle übernehmen soll, ist in der Regel von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Rollen dann schnell und unvorhersehbar ändern können und das liegt meistens auch nicht im eigenen Einflussbereich. Oft kann es auch eine Veränderung in der zweiten Familie sein (bei Scheidungen), die dazu führen, dass aus einer eher „elterlichen“ eine freundschaftliche Rolle wird oder umgekehrt.
Austausch ist das Wichtigste…
Wenn es eine Zweitfamilie gibt, dann ist es oft sehr schwierig, sich auf die „dortigen“ Änderungen einzustellen. Was passiert in der anderen Familie? Ist jemand neues dazugekommen oder vielleicht sogar jemand gestorben? Hier ist der gute sachliche Draht eine wichtige Sache. Nur wer sich trotz Trennung zumindest sachlich austauscht, kann entsprechend auf geänderte Situationen reagieren.
Das faire Miteinander zählt
Klar gibt es auch in glücklich geschiedenen Nachbeziehungen Brennpunkte die entsprechend gelöst werden müssen. Das liebe Geld ist sicher einer davon. Doch gerade hier zählt ein vernünftiges Miteinander. Die Höhe der Alimente sollte sich immer an der gesetzlichen Regelung orientieren. Übernimmt jedoch der zahlende Partner viele kostenintensive Dinge, die er nicht müsste, so lässt sich das auch mit einer schriftlichen Vereinbarung regeln und gegenrechnen. In Summe muss jedoch zumindest der gesetzlich zugesicherte Teil erfüllt werden. Und da auch das liebe Finanzamt gerne einen Nachweis über die geleisteten Alimente haben möchte, empfiehlt sich hier eine ordentliche Abrechnung.
Von Patchwork-light zu Patchwork
Wie eingehend angeführt, betrachte ich unsere Familienverhältnisse als Patchwork-light, da trotz der grundsätzlichen Möglichkeit zum wechselnden Aufenthalt für mein Kind, dieses hauptsächlich seinen Lebensmittelpunkt bei seiner leiblichen Mutter hat. Für den Fall jedoch, dass sich dies ändert, ist vorgesorgt. Alle finanziellen Leistungen die für unsere Kind angedacht sind, also Familienbeihilfe, Alimente und Co, würden auf ein eigenes Konto fließen. Von diesem Konto würde ca. je ein Viertel für die grundsätzlichen Lebenskosten an beide Elternteile gehen und der Rest anlassbezogen verwendet werden. Also eine Art Girokonto für den Sohn. Alles außer den Lebenskosten würde davon bezahlt werden (Kleidung, Schulbedarf, Projektkosten, etc.).
Wenn dann doch einmal Probleme auftauchen
…heißt es „mehr“ miteinander reden. „Mehr“ deswegen, weil es eine grundsätzliche regelmäßige Kommunikation zwischen allen Beteiligten braucht um gemeinsam für ein positives Miteinander zu sorgen. Dass Beziehungen auch im zweiten Anlauf nicht etwas Ewiges sein müssen, ist spätestens nach der ersten Trennung/Scheidung klar. Hat man jedoch bisher seine Sache gut gemacht, wird man feststellen, dass die vorher betroffenen Kinder nun die Experten sind. Daher sollte man diese Expertenmeinung auch hören und in die Entscheidungsfindung einfließen lassen. Da kann es schon passieren, dass sich die Eltern bei der zweiten Beziehung mehrmals zum Eheberater quälen, weil es ja nicht sein kann, dass einem das nochmal passiert, nur um im Nachhinein von den Kindern zu hören: „Warum habt ihr euch nicht schon viel früher getrennt?“ Mit dem richtigen Austausch kann hier viel Porzellan vor dem Bruch gerettet werden. Es ist erstaunlich, zum Teil auch erschreckend, wie „erwachsen“ die Kinder in einer Patchworkfamilie beim Thema Beziehung sein können. Meist wissen sie schon lange vor einem wo der Schuh drückt und können einen wichtigen Part bei der Herstellung eines neuen Gleichgewichtes und von Harmonie spielen.
Ist Patchwork(-light) jetzt die bessere Familie?
Ehrlich? Keine Ahnung. Es kann, wenn alle zusammenspielen, viele Vorteile (z B. Kinderbetreuung) haben. Es kann aber auch ganz schön kompliziert werden (z B. Kostenaufteilung). Für die betroffenen Kinder, und ich meine da wirklich alle Kinder, also auch die Halbgeschwister, ist das mitunter mal sehr einfach und mal eben auch kompliziert. Einfach, wenn es darum geht ob es einen gefühlten Unterschied macht zwischen Halbgeschwisterchen und Geschwisterchen (gibt es nicht). Kompliziert, wenn es um die Ferienaufteilung geht. Als eine der wichtigsten Regeln habe ich für mich festgelegt, dass jede/r der will und befähigt ist, gerne ein Teil der Familie sein kann – und zwar unabhängig seiner genetischen Ursprünge – aber keiner einer sein muss. Summa summarum ist für mich die gelebte Patchworkfamilie ein Gewinn, da diese vor allem unseren Kindern soziale Kompetenzen vermittelt, die sie sonst nirgendwo erlernen könnten.
Die offenen Hausaufgaben
Der Staat macht es einem bei Patchwork oder den sogenannten Stiefkindfamilien nicht wirklich leicht. So kann zwar der Aufwand von drei Kindern oder mehr in einem Haushalt bestehen aber ein Bezug des Mehrkinderzuschlags trotzdem verwehrt werden, da dieser mit der Familienbeihilfe gekoppelt ist und nur von einer Person erfolgen kann. Sollte also diese Person nicht im gleichen Haushalt sein, war es das mit dem Mehrkinderzuschlag. Auch sind viele sonstige Regelungen mit der Hauptwohnsitzmeldung des Kindes verknüpft. Ähnlich sehe ich die Problematik im Erbrecht, wo es eine Ungleichbehandlung der Geschwister gibt, wenn Sie in die Familie eingebracht und nicht auch adoptiert werden. Hier gibt es für die Politik noch viel Luft nach oben.
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