Als S. und ich beschlossen, gemeinsam ein Kind haben zu wollen, hatten wir beide unser Coming-out längst schon hinter uns und betrachteten es als abgehakt. Welch großer Irrtum! Es begann als ich meinem damaligen Chef erzählen musste, dass ich schwanger bin und ich ihm erklären musste, dass ich nicht plötzlich wieder hetero geworden sei, sondern dass S. und ich mit Hilfe einer Samenspende Eltern werden würden. Und als die Schwangerschaft voranschritt, reihte sich eine Situation an die andere, wo ich erklären musste, dass ich zusammen mit meiner Partnerin ein Kind bekommen würde. Gynäkologin, Hebamme, Mit-Schwangere im Geburtsvorbereitungskurs, sämtliches Personal in der Geburtsklinik, neue Bekanntschaften, etc. Als der Bauch dann weg war und der kleine Schnuck da, hörte das nicht auf. Kinderarzt, andere Eltern in der Krabbelgruppe, am Spielplatz. Natürlich, könnte man jetzt einwenden, ich hätte ja nicht allen was über mich erzählen müssen. Aber Eltern in Karenz haben selten anderen Themen als den noch so neuen Nachwuchs und alles was damit zusammenhängt und ein Gespräch erschöpft sich sehr schnell, wenn man den zweiten Elternteil konsequent ausklammern möchte. Versuche, Gespräche mit Zufallsbekanntschaften an der Sandkiste möglichst ohne mich als lesbisch outen zu müssen zu führen, waren unbefriedigend. Die Gespräche blieben dadurch sehr an der Oberfläche und jedes Mal verachtete ich mich danach ein klein wenig für meine Angst vor negativen Bewertungen. Ich fasste also den Entschluss, mich in solchen Situationen nie wieder NICHT zu outen.
Zum Glück kommt man als Regenbogenfamilie ja nicht aus der Übung. Bald hatte ich im kleinen Schnuck dabei sogar tatkräftige Unterstützung. Er erzählt gerne, dass er zwei Mamas hat wie z.B. einmal dem netten fremden Papa in der Bücherei, der seinem Sohn ein Buch vorlas. Kontaktfreudig wie mein Kind nunmal ist, setzte er sich dazu und erzählte Vater und Sohn in einer Lesepause so laut, dass ich es sogar zwei Bücherregale weiter hören konnte, dass er keinen Papa aber dafür zwei Mamas habe. Dann zeigte er auf mich und sagte: „Da ist eine davon!“. Für mich blieb nichts weiter zu tun, als dem neugierig guckenden Papa freundlich zu winken und meine Nase dann möglichst tief in das nächstbeste Buch zu vergraben.
Eines ist fix: Sollte man als nicht heterosexuell lebender und liebender Mensch darüber nachdenken, eine Regenbogenfamilie zu gründen, dann wäre es gut, selbstsicher zu seiner sexuellen Orientierung stehen zu können, denn verheimlichen geht spätestens wenn das Kind sprechen kann nicht mehr. Wie gut also, dass man von Anfang an zahlreiche Möglichkeiten hat, diese Sicherheit zu trainieren. Und die Gelegenheiten zum Trainieren reißen auch mit dem Älterwerden des Kindes nicht ab. Sei es bei der Suche nach dem passenden Kindergarten, der passenden Volksschule und auch danach. Natürlich muss jede Option erst auf ihre „Regenbogenkompetenz“ hin getestet werden. Heißt also: jedesmal offen über die eigene Familienkonstellation sprechen.
Aber bitte mich hier nicht falsch zu verstehen, ich beklage mich nicht. Ich weiß, dass ich von niemanden verlangen kann, mir an der Nasenspitze anzusehen, dass ich mein Kind nicht mit einem Mann aufziehe, sondern mit einer Frau. Aber dass das Abenteuer Regenbogenfamilie zu einem Neverending Coming-out werden würde, das hat mir vorher niemand gesagt und deshalb ist es mir ein Anliegen, es künftigen Regenbogenfamilien mitzuteilen.
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