Das Wichtigste möchte ich gleich vorweg sagen: Wir sind eine ganz normale Familie wie alle andern auch. Mein Mann und ich haben uns vor acht Jahren entschlossen, Pflegekinder aufzunehmen. Unser Sohn ist in der zehnten Lebenswoche zu uns gekommen, seine Schwester durften wir 15 Monate später am zweiten Lebenstag aus dem Krankenhaus abholen. Für beide ist der Kontakt mit der leiblichen Mutter wichtig. Gleichzeitig zeigen sie uns sehr stark, dass sie sich bei uns geliebt, geborgen und sicher fühlen: Papa und Papi sind ihre Familie.
Vom ersten Tag an in unserer Vorbereitung darauf hatten wir die volle Unterstützung des Jugendamts der Stadt Wien. Da wir so stark auf die Vorbereitungen konzentriert waren, machten wir uns wenig Gedanken hinsichtlich der Reaktionen auf unsere Familiensituation. Es war für uns eine schöne und angenehme Erfahrung, wie selbstverständlich unser Umfeld damit umgegangen ist. Generell können wir feststellen, dass für alle Menschen, mit denen wir über und mit unseren Kindern in Kontakt kommen, immer das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Die Familienkonstruktion an sich ist kein Thema. Wenn darüber gesprochen wird, verhält es sich ähnlich wie hier in diesem Kontext. Es geht um den Austausch von Erfahrungen und das Interesse an pluralistischen Formen von Familienleben.
Sehr spannend war für uns auch die Aufnahme im Kindergarten. Wir haben bereits vor dem Beginn des Kindergartenbesuchs unseres Sohnes mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen und sie über unsere Familiensituation aufgeklärt. Alle Pädagoginnen, Pädagogen und Angestellte des Kindergartens waren sehr offen und interessiert an unserer Familiengeschichte. Über die Eltern der anderen Kinder haben wir im Lauf der Jahre erfahren, dass unser Familienleben auch von den anderen Kindern bemerkt wurde. Die Kinder haben das selbst bei ihnen zu Hause zum Thema gemacht und wertfrei wiedergegeben. Alle Eltern, mit denen wir uns dazu ausgetauscht haben, haben das erfreulich und positiv empfunden. Unsere Erfahrungen nach dem Übertritt in die Volksschule haben diesbezüglich eine Bestätigung gebracht.
Das gilt auch für die Kinder und Eltern bei uns in der Wohnhausanlage. Sie sehen, wie zwei Kinder bei zwei Vätern glücklich und geborgen aufwachsen, und alle legen dabei eine wohltuende Selbstverständlichkeit an den Tag. Weiters ist dieser selbstverständliche Umgang überall dort festzustellen, wo wir als Familie sichtbar auftreten: Das gilt für Vereinsaktivitäten wie auch bei Urlaubsfahrten oder ähnlichen Freizeitvergnügen.
Sehr wichtig ist uns der Austausch mit anderen Regenbogenfamilien. Hier ist über die Jahre hindurch ein sehr starkes persönliches Netzwerk entstanden. Bei unseren Gesprächen steht aber zum überwiegenden Teil der Austausch über „herkömmliche Problemlagen“ mit Kindererziehung im Vordergrund: Auch Kinder in Regenbogenfamilien müssen täglich zum Zähneputzen animiert werden!
Oftmals haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Diskussionen im privaten Umfeld nicht mit der Diskussion im öffentlichen Raum korrelieren. Im Gegenteil: Es ist für unser Umfeld befremdlich zu sehen, dass mancherorts ernsthaft das Kindeswohl bei Regenbogenfamilien infrage gestellt wird. Alle, die unsere Familie und unsere Kinder kennen, wissen, dass diese Zweifel völlig unangebracht sind, nicht mit den Erfahrungen in der Realität übereinstimmen und daher einen anderen, im Umfeld der Zweifler liegenden, Ursprung haben müssen. Familie ist, wo Liebe ist, und das zeigen wir täglich. Jeder Tag mit unseren Kindern ist eine wunderbare Aufgabe!
Barbara Schlachter
Obfrau des Vereins FAmOs Regenbogenfamilien, setzt sich seit Gründung des Vereins 2011 für Regenbogenfamilien ein, seit 2016 Geschäftsführerin von FAmOs,
www.regenbogenfamilien.at
Neverending Coming Out
Als S. und ich beschlossen, gemeinsam ein Kind haben zu wollen, hatten wir beide unser Coming-out längst schon hinter uns und betrachteten es als abgehakt. Welch großer Irrtum!
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