In den meisten Teilen der Welt und für die meiste Zeit der menschlichen Geschichte schlafen Babys und Kleinkinder mit anderen Menschen zusammen. Am häufigsten schlafen Babys mit ihren Müttern gemeinsam.
Menschen, die gemeinsam schlafen, teilen mehr als nur eine Matratze. Sie tauschen Bewegungen, Gerüche, Berührungen, Geräusche aus. Gemeinsames Schlafen hilft Kindern, eine gesunde Einstellung zum Schlaf zu entwickeln. Es gibt ihnen Sicherheit und Stärke. Kinder, die alleine schlafen müssen, wenn sie dies eigentlich nicht wollen, wachsen oft mit dem Gefühl auf, dass der Schlaf etwas Unangenehmes, eine Zeit der Angst und Trennung ist.
Der amerikanische Schlafforscher James McKenna ist ein vehementer Verfechter des gemeinsamen Schlafens von Mutter und Kind. Er hat es intensiv erforscht, sodass gesicherte Ergebnisse vorhanden sind. Frauen, die mit ihren Kindern zusammen schlafen, zeigen eine hohe Übereinstimmung in der Verteilung von Wachphasen und dem Wechsel zwischen verschiedenen Schlafstadien – Die Schlafphasen von Mutter und Kind passen sich einander an. Interessant ist auch, dass sich bei den Müttern durch das gemeinsame Schlafen der Anteil von Tiefschlaf reduziert, stattdessen wird mehr Zeit im REM-Schlaf verbracht. Mütter, die also mit ihren Babys gemeinsam schlafen, sind weniger erschöpft als Mütter, die nachts aufstehen, um ihr Kind zu stillen/zu versorgen.
Einigkeit besteht unter Schlafforschern*innen auch darüber, dass die Mutter die Funktion eines Taktgebers für den Schlaf-Wach-Rhythmus des Kleinkindes hat. Auch andere Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Hormonausschüttung (Cortisol) zeigen ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen Mutter und Kind.
So unterschiedlich die menschlichen Kulturen rund um den Globus sind, in einem sind sie sich einig: Kleine Kinder gehören nachts in die Nähe ihrer Eltern. Die einzige Ausnahme ist die moderne westlichen Gesellschaft. Hier denken Eltern oft, ihre Kinder würden nicht selbstständig werden. Auch manche Kinderärzte bestätigen das und meinen, der gemeinsame Schlaf könne sogar gefährlich sein und ein Risiko für den Plötzlichen Kindstod (SIDS) darstellen.
Beim gemeinsamen Schlafen sind dieselben Sicherheitsempfehlungen zu beachten wie beim „Sicheren Schlafen von Kindern im 1. Lebensjahr“. Zusätzlich gibt es noch ein paar Punkte bzgl. Familienbett zu beachten (siehe Beitrag Bettina Fröhlich ).
Schlafen und Stillen:
Sarah Hrdy schreibt, dass Primatenkinder „70 Mio. Jahre lang die dunklen Stunden damit verbrachten, zwischen der rechten und der linken Brustwarze hin und her zu wechseln, während ihre Mütter bis zum Morgengrauen im Halbschlaf vor sich hin dösten. Und während die Babys saugten, lösten sie die Ausschüttung uralter, aus den vergangenen Leben von Amphibien, Säugern und Primaten stammenden Hormonverbindungen aus, die die nächste Empfängnis hinaus zögerten“.
Stillende Mütter tendieren nachts dazu, sich seitlich zu ihrem Baby zu drehen, die Knie unter ihm anzuziehen und so einen sicheren Rahmen für ihr schlafendes Kind zu bieten, der auch der Stillposition nachts entspricht. Dies ermöglicht eine sehr enge Kommunikation zwischen den beiden schlafenden Menschen. Die Mütter erwachen bei der kleinsten Bewegung und reagieren sogar auf Atemveränderungen ihrer Babys (www.askdrsears.com).
Bei Familien, die ausschließlich Flasche füttern, funktioniert dieses evolutionäre System nicht. Dr. Hellen Ball (USA) stellte in ihrem Eltern-Kind-Labor fest, dass sowohl Eltern als auch Babys bei Flaschenfütterung im Familienbett weniger sensibel auf die Bewegungen des anderen reagieren.
Schlafforscher empfehlen daher, dass flaschengefütterte Babys in einem Babybalkon direkt neben den Eltern schlafen. Natürlich sind aber die Eltern selbst die Spezialisten, um beurteilen zu können, wie sensibel und reaktionsfähig sie ihrem Baby gegenüber sein können. Empfohlen wird aber auf jeden Fall, den nachts fehlenden Körperkontakt durch vermehrtes Tragen und Kuscheln am Tage auszugleichen. Herbert Renz Polster hingegen sieht keinen Grund, ein nicht gestilltes Kind nicht auch bei den Eltern im Familienbett schlafen zu lassen.
Muttermilch enthält je nach Tageszeit unterschiedliche Mengen des Stoffes Tryptophan. Dieser wiederum ist für die Melatoninbildung zuständig, dieses schüttet müdigkeitsmachende Substanzen aus und dies spielt bei der Ausbildung des regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus eine Rolle.
Bei ihrer Mutter schlafende gestillte Säuglinge nehmen nachts immerhin ein Drittel mehr Kalorien zu sich als die im eigenen Bett schlafenden gestillten Kinder. Bis vor kurzem dürfte solch ein Zuschlag ein Vorteil gewesen sein, für die Ernährung und für das Immunsystem.
Da bei gemeinsam schlafenden Mutter-Kind-Paaren die Schlaf- und Traumphasen zu einem großen Teil aufeinander abgestimmt sind, werden die mit ihrem Baby schlafenden Mütter sehr viel seltener in der Phase des Tiefschlafs aufgeweckt. Einzelschläfer wachen zwar seltener auf – wenn sie aber aufwachen, dann richtig und mit gehörigem Protest.
Die Ausschüttung der Wachstumshormone ist bei Kindern nachts am größten, das Längenwachstum passiert im Schlaf! |
Das Risiko für den plötzlichen Kindstod ist auch dort höher, wo eine nichtstillende Mutter mit ihrem jungen Säugling gemeinsam schläft. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die schützende intuitive Kommunikation im Schlaf bei einer nicht stillenden Mutter weniger ausgeprägt ist. Dafür spricht, dass auch das Schlafen mit dem Vater oder Geschwisterkindern mit einem gesteigerten SIDS-Risiko einhergeht.
Gestillte Kinder zeigen REM-Schlafmuster, wenn sie während dem Schlafen Saugen. Dese Phase wird auch Still-REM genannt. Die stillende Mutter und ihr Baby träumen gemeinsam und die Mutter erlebt während der Stillzeit so viel REM Schlaf wie sonst kaum.
Studien zeigen, dass das Einführen von Brei in den Speiseplan bei vier- bis sechsmonatigen Säuglingen keinerlei Auswirkungen auf die Dauer der nächtlichen Schlafperioden, die Häufigkeit des nächtlichen Aufwachens und auf das Verhältnis von Tag- zu Nachtschlaf hat.
Gestillte Kinder schlafen anders, diese Unterschiede zeigen sich vor allem im 2. Lebensjahr.
Das nächtliche Stillen von Säuglingen reguliert bei der Mutter die Milchmenge. Wird in der ersten Zeit nachts nicht gestillt, wird die Milchproduktion womöglich eingestellt. |
James McKenna:
Der amerikanische Schlafforscher James McKenna hat in einem Schlaflabor stillende Mutter-Kind – Paare nachts untersucht. Die eine Gruppe Mutter-Kind-Paare schlief nebeneinander, die andere im selben Zimmer, aber in getrennten Betten, sodass die Mütter zum Stillen aufstehen mussten. Am nächsten Tag wurden die Mütter befragt. Die erstere Gruppe, mit den Babys neben sich, fühlte sich ausgeschlafener und hat von den nächtlichen Störungen weniger als die Hälfte bewusst wahrgenommen. Die andere Gruppe fühlte sich morgens um einiges erschöpfter und bei der Frage nach der Anzahl der nächtlichen Störungen konnten diese Mütter jede einzelne gut erinnern und angeben.
James McKenna schreibt, dass durchschnittliche Stillmütter ihre ganz kleinen Babys nachts alle ein bis eineinhalb Stunden stillen – dies entspricht genau dem menschlichen Schlafrhythmus. Er vermutet, dass die Nahrungsbedürfnisse der Säuglinge den menschlichen Schlafrhythmus festgelegt haben. Wir kommen also deshalb nach ungefähr 90 Minuten aus der Tiefschlaf-Phase, weil genau dann unsere Babys hungrig sind.
Stillmütter und -babys synchronisieren ihre Schlafrhythmen, sie sind ein perfekt eingespieltes Still-und Schlafteam.
McKenna prägt den Begriff „breast sleep“ („Brustschlaf“), was meint, dass es das ganz normale Verhalten von Säuglingen sei, nachts oft und immer wieder an der Brust zu saugen. Es sei also die ganz eigene Art, wie Babys schlafen und schon immer geschlafen haben. Dieses „alte Wissen“ von stillenden Babys und Müttern ist schon beinahe verloren gegangen und muss wieder vermehrt aufgezeigt werden.
Stillende Mütter empfinden oft das häufige Aufwachen und Stillen nach dem 6. Monat als „nicht normal“ und denken, mit ihrem Kind stimme etwas nicht. Der Mutter versichern, dass mit dem Kind alles in Ordnung ist und das häufige Stillen ganz normal ist, kann eine große Erleichterung für die Eltern darstellen. |
Da die Eltern sehr oft keine anderen Eltern kennen, deren Kinder länger gestillt wurden, fehlen ihnen Vorbilder und Wissen.
In der Nacht erwarten und benötigen Babys die sicherheitsvermittelnde Nähe ihrer Mütter. Sie wachen auf, wenn sie gestillt werden oder ihre Mütter wieder spüren müssen. Behalten Mütter ihr Baby nachts nahe bei sich und lassen es an der Brust einschlafen, erfüllen sie damit seine physiologischen und emotionalen Bedürfnisse. Es ist zugleich unglaublich hilfreich, einen solch zuverlässigen Weg zu haben, ein müdes Baby in den Schlaf zu begleiten – tagsüber wie auch nachts.
Bei Frauen, die ihr Kind häufig stillen, bleibt der Prolaktinspiegel ständig erhöht – dies führt zu einer Unterdrückung des Eisprungs.
Beim nächtlichen Stillen ist es wichtig, dass die Mutter liegend bequem stillen kann. Das Stillen im Liegen gelingt nicht jeder Mutter von Anfang an, die meisten Mütter schaffen dies aber nach einigen Wochen, je mehr sie daran üben und je öfter sie es ausprobieren.
Vorteile des nächtlichen Stillens:
|
Kinder, die ihren Bedürfnissen entsprechend gestillt werden, stillen sich selbst nachts zwischen 2 und 4 Jahren ab, tagsüber kann es auch länger dauern.
Manchmal kann oder möchte eine Mutter nicht darauf warten, dass sich ihr Kind von alleine abstillt. Das ist nachvollziehbar, verständlich und legitim. Sie geht arbeiten, ist zu erschöpft, hat zu viel Druck von Außen, empfindet Körperkontakt als unangenehm, hat keine Unterstützung, etc. Es gibt sehr viele Gründe, warum eine Mutter in der heutigen Zeit entscheidet, nachts abzustillen.
In diesen Fällen kann der Mutter eine nächtliche Stillpause vorgeschlagen werden. Aber es sollte ihr auch nahe gelegt werden, dass diese meist erst ab dem 1. Geburtstag „erfolgreich“ ist und das Schlafen sich erst dann dadurch verbessern wird. Davor ist es sehr wahrscheinlich, dass das Kind genau so oft aufwacht und die Eltern eine andere Einschlafmethode finden müssen. Da ist es oft einfacher, das Kind mit der Brust zu beruhigen.
Auch brauchen Kinder im 1. Lebensjahr noch nächtliche Nahrung, oft auch noch danach bis ins 2. Lebensjahr.
Kennt eine Mutter die Möglichkeit der nächtlichen Stillpause, dann kann das oft emotional entlasten und die meisten Mütter entscheiden dann, doch noch bis zum 1. Geburtstag weiter zu stillen. |
Kinder, die nach dem ersten Geburtstag noch gestillt werden, haben eine andere Schlafentwicklung, als in der westlichen Gesellschaft erwartet wird. (Die Norm-Definition der kindlichen Schlafentwicklung wurde mit westlichen, nicht gestillten Babys durchgeführt!) Stündliches Nuckeln ist dabei ganz normal.
Eine stillende Mutter soll auf jeden Fall im Zuge einer Beratung mit einer (regionalen) Stillgruppe vernetzt werden!
Ist Einschlafstillen eine schlechte Angewohnheit?
Die Verbindung von Stillen und Schlafen ist keine schlechte Angewohnheit, es wurde dem Kind auch nicht „beigebracht“. Es ist nichts anderes als normal, an der Brust einzuschlafen. Der Prozess, dass das Einschlafen auch ohne Stillen funktioniert, passiert ganz von selbst, allerdings meist erst ab dem 2. Lebensjahr. S. Artikel anbei!
Kommentare