Oftmals ist der Grat ein schmaler und sogar Pädagog:innen haben ihre Schwierigkeiten mit dem Thema: Kinder im Kindergartenalter sind neugierig – auch in Bezug auf Geschlechter, Körper, Babies etc. Was aber ist jetzt noch „normal“, altersgerecht und ab wann ist es ein sexueller Übergriff?
Kinder sind von Beginn an „sexuelle Wesen“, sie werden dies nicht erst in der Pubertät. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was unter kindlicher Sexualität zusammengefasst wird. Zum Beispiel:
- Geschlechtsunterschiede werden bewusst
- Kinder erforschen den eigenen Körper, auch die Genitalien
- Sie interessieren sich für den Körper anderer (zB gemeinsamer Toilettengang, Erkundungsspiele)
- Sie stellen Fragen zB zum Thema Babies
Ihr Forscherdrang ist von Neugier und Spaß geprägt.
Kleinere Kinder gehen allgemein recht unbefangen an diese Themen heran, es ist oftmals das erwachsene Umfeld, das nicht weiß, wie es darauf reagieren soll. Deshalb werden Kinder mit ihren Fragen alleine gelassen oder es werden kindliche Aktivitäten unterbunden, um Übergriffen vorzubeugen.
Bei sexueller kindlicher Neugier sollte auf Folgendes geachtet werden:
- Selbes Alter / Entwicklungsstand
- Freiwilligkeit
- Jedes Kind kann jederzeit „nein“ sagen und mit dem Spiel aufhören
- Es wird nichts in Körperöffnungen gesteckt
- Hilfe holen ist kein Petzen!
Sexuelle Neugier braucht keine Intervention, wenn die o.a. Regeln den Kindern klar sind. Diese sollten ja auch in anderen Spielsituationen gelten und nicht erst zur Anwendung kommen, wenn es um den kindlichen Forscherdrang geht. Es braucht jedoch Erwachsene, die eine Auge auf das Spiel haben, auf die Dynamik. Hier kann ein einfaches Nachfragen „ist/war das ein lustiges Spiel?“ ausreichen.
Sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe unter Kindern können grundsätzlich überall passieren, wo Kinder zusammenkommen.
Der Indikator für einen Übergriff ist
- Unfreiwilligkeit des/der betroffenen Kinder
- Machtausübung des/der übergriffigen Kinder (zB Altersunterschied)
- Geheimhaltungsdruck und Drohungen
Manche Übergriffe passieren unabsichtlich im Spiel (z.B. versehentliche Berührung im Intimbereich), manchmal kippt eine zuerst angenehme Spielsituation (z.B. Erkundungsspiele) ins Unangenehme. Manchmal setzen Kinder Übergriffe bewusst ein, um sich stärker und mächtiger zu fühlen. Und manchmal ist ein Übergriff die Reaktion eines Kindes auf Gesehenes (z.B. Pornografie) oder erlebte sexualisierte Gewalt durch Erwachsene: Daher sollten bei massiveren oder zwanghaften Übergriffen Expert:innen (zB Kinderschutzzentrum) hinzugezogen werden: womöglich ist eine Kindeswohlgefährdung der Auslöser für das übergriffige Verhalten.
In jedem Fall ist eine pädagogische Intervention bei sexuellen Übergriffen erforderlich, um zu verhindern, dass sich das Verhaltensmuster „Machtausübung durch sexuelle Übergriffe“ verfestigt. Ein großer Teil der (erwachsenen) Missbrauchstäter*innen beginnt bereits im Kindes- oder Jugendalter mit sexuellen Übergriffen: Dieses Verhaltensmuster zu unterbrechen ist nicht nur opferpräventiv, sondern auch täter*innenpräventiv.
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