Nichts hat die digitale Revolution so sehr befeuert wie die Coronazeit und damit einhergehend wurde eine neue Art des Arbeitens geschaffen. Home Office und mobiles Arbeiten sind heute nicht mehr aus dem Arbeitsleben wegzudenken und Bewerbende wir Beschäftigte fragen aktiv nach den entsprechenden Möglichkeiten. Auch viele Eltern sehen in den mobilen Arbeitsmöglichkeiten der heutigen Zeit die Chance, Beruf und Familie besser vereinbaren können. Wer sich jedoch noch an die Zeit von Home Schooling und Home Office zurück erinnert, wird feststellen, dass diese Kombination nicht nur Vorzüge hat. Gerade bei der Kombination von Elternarbeit und Home Office gibt es doch das eine oder andere zu bedenken.
Home Office und Vereinbarkeit – ein zweischneidiges Schwert
Beinahe jede Befragung, die aktuell durchgeführt wird, fördert den Wunsch nach Home Office zu Tage. Unternehmen, die darauf verzichten, werden als nicht attraktiv wahrgenommen. Doch wie ist das bei werdenden Eltern bzw. Jungeltern? Eine Befragung im Auftrag der Familie&Beruf Management GmbH aus Mai 2020 (also Mitten in der Coronazeit) zeigte, dass mit 58% die Mehrheit der befragten Personen die Meinung vertritt, dass Home Office Möglichkeiten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Besonders oft werden in Befragungen zu den Motiven die kürzeren Arbeitswege und damit Zeitersparnis oder die leichtere Organisation des Tages neben Faktoren wie konzentrierterem Arbeiten genannt.
Gleichzeitig sind Eltern (vor allem jene mit kleinen Kindern) im Alltag zu Hause mehr als gefordert, wenn es heißt, die Beschäftigung des Kindes und konzentriertes Arbeiten zu vereinen. Nicht selten hört man Eltern, die meinen, sie würden lieber ins Büro gehen, denn zu Hause sei an konzentriertes Arbeiten nicht zu denken. Die Frage, wie sehr Home Office also wirklich zu einer besseren Vereinbarkeit beiträgt ist also ambivalent und von vielen Faktoren abhängig.
Vorteile und Chancen
Auf der Plusseite steht selbstverständlich der Faktor der Zeitersparnis ganz oben. Und mit ihr einhergehend unter Umständen auch eine Kostenersparnis, wenn etwa Geld für externe Betreuung und Benzin gespart werden kann. Flexibles Arbeiten von zu Hause ermöglicht vielen Eltern nach dem Wiedereinstieg auch ein Mehr an Wochenstunden, die sie nur im Büro aufgrund der Fahrzeiten nicht leisten könnten. Und das bessert wiederum das Haushaltseinkommen auf.
Sehr bewährt haben sich Home Office Möglichkeiten auch bei der kurzfristig notwendigen Pflege. So finden wir in vielen Betrieben aktuell sinkende Inanspruchnahmen an Pflegeurlaubstagen, da viele Beschäftigte stattdessen Home Office nutzen. Zwar sollten Beschäftigte nicht das Gefühl bekommen, keinen Pflegeurlaub mehr nehmen zu können, aber viele Eltern schätzen es, daheim sein zu können und neben der häuslichen Pflege das Notwendigste aufzuarbeiten anstatt im Anschluss an den Pflegeurlaub von liegengebliebenen Aufgaben erschlagen zu werden.
Gerade in Gegenden mit schwacher Kinderbetreuungsinfrastruktur können Eltern mit flexiblen Home Office Optionen gegebenenfalls auch am Nachmittag nach dem Abholen der Kinder noch das eine oder andere von zu Hause erledigen. Oder dazwischen mal schnell Essen zuzubereiten, etwas zu besorgen oder im Haushalt zu erledigen.
Aber auch Eltern kleiner Kinder, die erst eine kurze Zeit am Tag in einer Kinderbetreuung bleiben können, ermöglicht Home Office einen früheren Wiedereinstieg und das in Kontakt bleiben mit dem Unternehmen. Würde sich die Arbeit im Büro aufgrund der Wegzeiten für wenige Stunden am Tag nicht auszahlen, so können diese Stunden im Home Office effektiv genutzt werden.
Nachteile und Risiken
Neben all den Möglichkeiten sollten sich Jungeltern aber auch über die Risiken und Probleme im Klaren sein, die mit der Kombi von Home Office und Elternarbeit einhergehen. Die parallele Herausforderung neben einem kleinen Kind, das beschäftigt werden will, zu arbeiten und das etwa noch in Ruhe, kennen viele Eltern nur zu gut. Richtig stressig wird es dann, wenn etwa Videokonferenzen, zum Beispiel mit wichtigen Geschäftspartner:innen, anstehen und just in diesem Moment das Kind, das sonst so brav um diese Uhrzeit schläft, zu brüllen beginnt.
Nur allzuleicht rutschen außerdem wichtige berufliche Aufgaben in die Abend- und Nachtstunden. Was während der Home Schooling Phase zeitweise nicht anders möglich war, belastet aber auf Dauer die Gesundheit und das Wohlbefinden. Viele Beschäftigte mit Home Office haben das Gefühl, dass sie laufend erreichbar sein müssen, weil dahingehend keine klaren Vereinbarungen getroffen wurden.
Wer zudem keinen geeigneten, abgetrennten Arbeitsbereich hat, kann schnell in die Falle geraten, dass es keine Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben mehr gibt. Das Ergebnis ist dann ein dauergestresster Elternteil, der im Gefühl endet, keines der beiden wichtigen Lebensaufgaben wirklich zur Zufriedenheit zu erledigen. Und auch viele Kinder bekommen das zu spüren, etwa dadurch, dass sie – um Ruhe zu schaffen – vor Handy, Tablet oder Fernseher gesetzt werden statt sich aktiv mit ihnen zu beschäftigen.
Was es für Eltern zu überlegen gilt
Bevor Sie sich als Jungelternteil in das Abenteuer Home Office und Kinderbetreuung begeben, sollten Sie sich über einige Aspekte Gedanken machen:
- Wie agiert mein Kind? Kann mein Kind sich gut auch alleine beschäftigen oder ist es gewohnt, „bespaßt“ zu werden?
- Was gewinne ich durch Home Office? Wiegt die Wegzeitersparnis oder das Mehr an möglichen Stunden die eventuellen Nachteile auf oder wäre es besser, die Bereiche Privates und Berufliches strikt – auch örtlich – zu trennen?
- Wie ist meine Arbeit mit der meines Partners/meiner Partnerin abgestimmt? Sind die Rollen und Verantwortungen in der Familie gut verteilt? Gibt es Entlastung durch den:die Partner:in?
- Lässt mein Aufgabengebiet es zu, dass ich zu Hause arbeite, auch wenn es mal rundum lauter ist? Oder benötige ich für meine Arbeit einen besonders ruhigen Arbeitsort, etwa wegen Videokonferenzen? Kann ich das zu Hause gewährleisten?
- Wie gelingt es mir, Beruf und Privatleben gut für mich zu trennen? Bin ich in der Lage, mich soweit abzugrenzen, dass ich auch mal nicht verfügbar bin? Oder verfalle ich leicht dem Glauben, immer erreichbar sein zu müssen?
- Welche Kinderbetreuungsoptionen habe ich und wie sehr lassen sich diese mit meinem Job kombinieren? Welche Zeiten habe ich, an denen ich zu Hause auch in Ruhe arbeiten kann?
Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, Eltern sein bedeutet, neben den eigenen und den Interessen der Arbeitsstelle auch die Interessen des Kindes bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die neue digitale Arbeitswelt bietet viele Vorteile und Möglichkeiten, dennoch sollten auch die Schattenseiten nicht unüberlegt bleiben.
Veronika Burtscher-Kiene
Klinische- und Gesundheitspsychologin und Notfallpsychologin. Sie arbeitet in Vorarlberg als Beraterin im Ehe- und Familienzentrum sowie als Elternbildnerin. Als Mutter zweier Kinder betreibt sie den Blog www.erziehungsgedanken.com und teilt hier ihre persönlichen und professionellen Gedanken rund um das Thema Familie.
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