Die unten stehenden „Empfehlungen“ sollen Eltern Hinweise darauf geben, worauf es ankäme, wobei angemerkt werden muss, dass einige dieser Empfehlungen ohne professionelle Hilfe kaum umsetzbar sind, weil dafür pädagogisches oder psychologisches Spezialwissen über Kinder und deren Entwicklung und Erleben erforderlich ist (Erziehungsberatung, sozial-pädagogische oder therapeutische Kindergruppen).
Es gibt noch einen anderen Grund, warum es für Eltern oft schwierig ist, das Richtige für ihre Kinder zu tun:
Sie selbst befinden sich bei einer Trennung/Scheidung in einer derart schwierigen emotionalen Situation, dass sie zunächst einmal Hilfe für sich selbst benötigen, bevor sie in die Lage kommen, ihren Kindern die notwendige Unterstützung geben zu können. Um sie zu bewältigen, stehen Ihnen beispielsweise die psychoanalytisch- pädagogische Erziehungsberater/Innen zur Verfügung.
Empfehlungen für die Zeit vor der Trennung/Scheidung
- Die Entscheidung, sich zu trennen/scheiden zu lassen oder nicht, sollte unabhängig von den Kindern getroffen werden.
- Die Gründe für die Scheidung müssen den Kindern verständlich, aber ehrlich erklärt werden.
- Eltern dürfen nicht darauf hoffen, dass die Kinder die Trennung/Scheidung ohne Reaktionen hinnehmen können.
- Kinder, die keine sichtbaren Reaktionen zeigen, müssen dazu ermutigt werden, ihre Gefühle auszudrücken.
- Eltern sollen die Haltung der „Verantworteten Schuld“ einnehmen. Darunter ist eine innere Haltung von Müttern und Vätern zu verstehen, die sich wie folgt ausdrücken lässt: „Ich konnte nicht anders bzw. weiß, dass meine/unsere Entscheidung langfristig auch für dich das Beste war. Aber ich weiß auch, dass ich dir jetzt großen Schmerz zugefügt habe, und du ein Recht darauf hast, dass ich dir helfe. Diese Schuld kann ich ertragen, weil ich weiß, dass ich meine Entscheidung/mein Einverständnis zur Trennung im Hinblick auf dein künftiges Lebensglück verantworten kann.“ Gehen Eltern mit dieser inneren Haltung auf ihre Kinder zu, müssen sich die Eltern vor den Reaktionen der Kinder weniger fürchten und können auf sie eingehen.
Empfehlungen für die erste Zeit nach der Trennung/Scheidung
- Den Kindern die Angst nehmen, an der Scheidung schuld zu sein.
- Aktive Entlastung der Kinder in ihren Loyalitätskonflikten.
- Bei den Kindern Regression zulassen.
- Den Kindern die Angst nehmen, den weggeschiedenen Elternteil (ganz) zu verlieren. (Diese Forderung setzt voraus, dass der weggeschiedene Elternteil den Kontakt zu den Kindern aufrechterhalten will bzw. dieser Kontakt für die Kinder nicht unmittelbar gefährlich ist (Alkoholismus, körperliche Gewalt, sexueller Missbrauch).
- Den Kindern die Angst nehmen, eventuell auch noch den Elternteil, bei dem sie leben, zu verlieren.
- Den Kindern helfen, ihre Gefühle nicht nur zu zeigen (siehe Empfehlung 4), sondern auch, sie mehr und mehr in Worte fassen zu können.
- Sich vor/während/nach den Besuchen des Kindes beim weggeschiedenen Elternteil nicht durch Symptome irritieren lassen.
- Falls Kinder den Kontakt zum weggeschiedenen Elternteil strikt verweigern: Bis ca. 12 Jahre nicht von der Besuchsregelung abgehen! Mit Hilfe von Erziehungsberatung nach Ursachen für die Weigerung forschen. (meist Schuldgefühle, Loyalitätskonflikte). Ab der Pubertät sollten Besuchsarrangements nicht mehr ohne Mitbestimmung der Kinder erfolgen.
- Empfehlungen speziell für den Elternteil, bei dem die Kinder leben. Die kontinuierliche Intensität der Beziehung zum weggeschiedenen Elternteil ist nicht nur für die langfristige seelische Entwicklung des Kindes wichtig , sondern gewährleistet mittelfristig auch die Harmonie der Beziehung zwischen dem Kind und dem Elternteil, bei dem das Kind lebt
- Als Mutter/Vater die eigene Krise anerkennen und sich von Experten helfen lassen.
- Informieren Sie den Kindergarten und/oder die Schule von der veränderten Lebenssituation ihres Kindes, damit die PädagogInnen und LehrerInnen Unterstützung anbieten können zum Beispiel in Form von Verständnis, Druckvermeidung oder Druckverminderung, Zulassen von Regression u.a.
Empfehlungen für die weitere Zukunft
- Auf neue Partnerschaften sollte keinesfalls der Kinder zuliebe verzichtet werden.
- Wenn die Mutter (der Vater) eine neue Partnerschaft eingeht, das Kind also einen Stiefvater (Stiefmutter) erhält, darf die Beziehung des Kindes zum leiblichen Vater (Mutter) nicht beendet bzw. vermindert werden.
- Empfehlung für „weggeschiedene“ Väter/Mütter: Dem neuen Partner der Ex-Frau bzw. der neuen Partnerin des Ex-Mannes möglichst gelassen begegnen und dem Kind bei der Beziehungsaufnahme zu dem neuen Partner helfen, statt seine (eventuelle) Opposition zu fördern. Fürchten Sie sich nicht vor Liebesverlust und vertrauen Sie auf die Liebe ihres Kindes.
Die größten emotionalen Widerstände von Eltern, oben genannten Empfehlungen wirklich folgen zu können
Das größte Problem besteht darin, dass die Einhaltung obiger 18 Empfehlungen nicht nur eine Sache des Wissens oder Wollens geschiedener Eltern ist, sondern ihrer Befolgung zumeist gravierende emotionale Probleme der Eltern entgegenstehen. Die häufigsten seien nun genannt:
- Angesichts des Leids der Kinder die eigenen Schuldgefühle aushalten zu können.
- Die Wut auf den Ex-Partner insofern aushalten zu können, als man nicht versucht, das Kind auf die eigene Seite zu ziehen.
- Die Enttäuschung und Wut aushalten zu können, dass die Kinder den Ex-Partner, der mir so viel angetan hat, dennoch weiter lieben und bewundern.
- Für den weggeschiedenen Elternteil: Die (reale und unvermeidliche) Einbuße an Macht und Einfluss auf die Kinder (aber auch auf den Ex-Partner) hinnehmen zu können.
- Für den Elternteil, bei dem die Kinder leben: Sich von der Idee verabschieden zu können, den Ex-Partner aus dem eigenen Leben für immer verbannen zu können.
- Auf die fortwährende Bedeutung, die ich (als Vater oder Mutter) trotz der Trennung/Scheidung für das Kind habe und auf dessen fortwährende Liebe zu mir vertrauen zu können.
- Es aushalten zu können, wenn sich das Kind über den anderen Elternteil beklagt, ohne sofort bei diesem zu intervenieren.
Pointiert könnte man das „pädagogische“ Problem im Zusammenhang von Trennung und Scheidung folgendermaßen beschreiben
Um eine Scheidung gut verarbeiten zu können, benötigen Kinder Eltern, die nach der Trennung so einfühlsam, ausgeglichen, geduldig, optimistisch und zuwendend sind, wie sie es im bisherigen Leben nie sein mussten. Gleichzeitig jedoch befinden sich die meisten Eltern in einer derart schwierigen psychischen Situation, dass sie Kinder brauchen, die so ruhig, anspruchslos, loyal, seelisch gefestigt, vernünftig und selbstständig sind, wie sie bisher noch nie sein mussten. In diesem Paradoxon liegt die eigentliche Gefahr der Scheidung/Trennung für die Kinder.
Nicht zuletzt ist das die Aufgabe der psychoanalytisch-pädagogischen Erziehungsberater/innen oder anderer ExpertInnen, Eltern bei der Bewältigung dieser Lebenskrise zu unterstützen, um ihnen dadurch zu helfen, auch emotional wieder fähig zu werden, ihrerseits ihren Kindern helfen zu können: Sei es nun in Form eines Seminars, einer Elterngruppe oder individueller Beratung (http://www.app-wien.at/18-empfehlungen).
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