Rituale sind auch wichtige Mittel, um Entspannung und Ruhe zu fördern. Kinder haben eigentlich von Geburt an ein natürliches und ausgewogenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung. Wenn man ein Baby beobachtet, kann man den Wechsel von Entspannungsphasen und Anspannungsphasen sehr gut erkennen. Es wechseln sehr aktive Phasen wie Bewegung (z.B. Strecken und Beugen von Gliedmaßen, Öffnen und Schließen der Finger,…) oder Schreien als Anspannung mit sehr ruhigen, entspannten Phasen (Schauen, Beobachten, einen Punkt Fixieren oder Einschlafen,….) ab.
Doch bald schon kommt von außen ein Ungleichgewicht in diese Harmonie. Durch Störungen, notwendige Handlungs- und Tagesabläufe wird dieser natürliche Wechsel oft durcheinandergebracht. Manchmal wird es für das Kind notwendig, in einer entspannten Phase Aktivität zu zeigen, es wird bewegt, seine Position wird verändert, seine Umgebung wird verändert. Oft reagiert es darauf mit Weinen und Unruhe. Einfühlsames und beobachtendes Verhalten der Bezugspersonen hilft, dies zu erkennen. Kleine Rituale (wie ein kurzes gemeinsames Innehalten in der Wickelsituation, ein kurzes aufeinander Eingehen durch einen intensiven Blickkontakt, ein paar Minuten gemeinsames Stehenbleiben beim Spaziergang oder eine kleine immer wiederkehrende Melodie am Bettchen) helfen dabei. Ganz oft kann man beobachten, dass sich diese Rituale von selbst zwischen Kind und Bezugsperson entwickelt haben. Sie bewusst wahr zu nehmen und dann einzusetzen, wenn Stress für Kind (und vielleicht auch Erwachsenen) im Anmarsch ist, kann helfen, solche Situationen zu entschärfen und trägt dazu bei, den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung aufrecht zu erhalten.
Bereits im Vorschulalter ist es möglich, solche „Entspannungsrituale“ gemeinsam mit dem Kind zu entdecken oder zu entwickeln. Durch Beobachtung des Kindes wird es möglich, die Strategien, die das Kind von sich aus entwickelt hat, um mit Anspannung umzugehen, zu entdecken. Manche Kinder bedienen sich der eigenen Stimme, um sich in einen Entspannungszustand zu versetzen. Immer wiederkehrende Laute in verschiedenen Tonhöhen werden kombiniert. Dabei wird der eigenen Körper zum Resonanzkasten, er wird in Schwingungen versetzt, die beruhigend wirken und eine nachgewiesene Wirkung auf Herzfrequenz und Atmung haben. Dieses Ritual einer immer wiederkehrenden Melodie oder Lautfolge wird oft als störend oder unpassend empfunden. Erwachsene Bezugspersonen versuchen dann manchmal andere Melodien in Spiel zu bringen, animieren zum Singen oder Reimen. Doch die Unzufriedenheit des Kindes drückt sich durch Unlust am Angeboteten oder Abwehr aus. Und oft ist dann genau das Gegenteil von dem eingetreten, was man als Erwachsener wohlmeinend beabsichtigt hat! In so einem Fall wird dem Kind sein Ritual, seine Strategie mit Stress umzugehen genommen. Vermehrte Anspannung ist das Resultat. Wieder ist hier das bewusste Beobachten und Respektieren der und Eingehen auf die kindlichen Bedürfnisse der zielführendste Weg.
Für andere Kinder wiederum ist Bewegung das Ventil um Anspannung umzugehen, oder sie suchen nach starken Körperreizen, wie Hüpfen, Schaukeln oder Druck und Zug, um sich in einen angenehmen und entspannten Zustand versetzen zu können.
Wenn diese Strategien und Rituale, die das Kind immer wieder benutzt, erkannt werden, ist schon der erste Schritt getan, um sie aufzugreifen und im Alltag in stressigen Erziehungssituationen bewusst anzuregen. Dabei ist es wichtig, die authentischen Signale des Kindes zu erkennen und seine eigenen Vorstellungen von Entspannungsritualen hintan zu stellen, denn manchmal unterschieden sich diese ganz wesentlich.
Rituale geben immer Sicherheit. Und Sicherheit ist ein ganz wichtiger Aspekt, um Entspannung zulassen zu können. In einer Situation, in der sich ein Kind an etwas Vertrautem (Ritual) festhalten kann, fällt es leicht, sich fallen zu lassen und die Anspannung gehen zu lassen.
Kommentare