Medizinische Behandlungen dürfen nur mit Zustimmung der Patientinnen und Patienten durchgeführt werden und umfassen folgende Tätigkeiten:
- Beratungsgespräche
- diagnostische Maßnahmen z.B. Röntgen, Laboranalysen, Ultraschall
- prophylaktische Maßnahmen wie Impfungen, Verhütung
- therapeutische Maßnahmen inkl. Medikation, Operation, Transfusion, Transplantation
- schmerzlindernde Maßnahmen
Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres können selbständig rechtswirksam in medizinische Behandlungen einwilligen, sobald sie entscheidungsfähig sind und die Behandlung nicht üblicherweise mit schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Körpers oder der Persönlichkeit verbunden ist.
Entscheidungsfähig ist, wer die Folgen eigenen Handelns verstehen, den Willen danach richten und sich entsprechend verhalten kann. Konkret bedeutet dies den Zusammenhang zwischen Erkrankung oder Verletzung und Behandlung bzw. das Ziel der Vorsorgeuntersuchung oder –maßnahme laienhaft zu verstehen und sich über die Folgen unterbliebener Interventionen im Klaren zu sein.
Das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit ist einerseits von Alter und Reife der Kinder und Jugendlichen und andererseits von der Schwere und Komplexität der medizinischen Behandlung abhängig und muss im Einzelfall beurteilt werden. Sie wird ab dem 14. Geburtstag vermutet, sofern nicht besondere Umstände z.B. eine geistige Behinderung vorliegen. Eine fixe untere Altersgrenze ist nicht vorgesehen.
So werden etwa auch jüngere Kinder in Routineuntersuchungen wie zahnärztliche Kontrolle einwilligen können, weil der Zusammenhang zwischen (möglichen) Erkrankungen (z.B. Karies), der Behandlung aber auch dem Unterbleiben der Behandlung (z.B. Zahnschmerz) leicht zu verstehen ist.
Ist das Kind nicht entscheidungsfähig wird die Einwilligung vor der Behandlung von den Eltern erteilt. Auch wenn Vater und Mutter die Obsorge haben, genügt die Zustimmung eines Elternteils.
Ist die Entscheidungsfähigkeit gegeben muss die Einwilligung des Kindes bzw. der oder des Jugendlichen vor der Behandlung erteilt werden und kann nicht durch die Eltern ersetzt werden.
Behandlungen mit schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigungen von Körper und Persönlichkeit erfordern zusätzlich zur Einwilligung der Jugendlichen die Zustimmung eines Elternteils.
Schwere oder nachhaltige Beeinträchtigungen liegen vor, wenn die Behandlung üblicherweise eine 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung (z.B. schwere Operationen oder Chemotherapie) oder eine dauernde Veränderung (z.B. Schönheitsoperation, Geschlechtsumwandlung) nach sich ziehen. Unerwartete Komplikationen, die die Behandlungsdauer verlängern, (z.B. allergische Reaktionen auf Medikamente) bleiben bei der Beurteilung außer Betracht.
Droht eine schwere Schädigung der Gesundheit, wenn die Einwilligungen nicht rasch genug eingeholt werden können, kann die Heilbehandlung ohne die erforderlichen Einwilligungen erfolgen. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn nach einem Unfall eine sofortige (lebensrettende) Operation notwendig ist, mit deren Durchführung nicht gewartet werden kann, bis ein Elternteil erreicht werden konnte. Die Beurteilung dieser Situation obliegt den behandelnden Ärztinnen und Ärzten.
Verweigern die Eltern die Zustimmung und gefährden damit Kinder und Jugendliche, kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder andere Personen bzw. das Jugendamt mit der Vertretung betrauen.
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