Bettnässen (medizinisch Enuresis) bedeutet Einnässen im Schlaf an mindestens zwei Nächten pro Monat nach dem 5. Lebensjahr. Obwohl das Problem eine enorme Belastung für die gesamte Familie mit sich bringt, wird nicht einmal ein Drittel der betroffenen Kinder adäquat behandelt. Bevor der Leidensdruck zu groß wird, ist es wichtig, dass etwas gegen das Einnässen unternommen wird. Die gute Nachricht: rasche Hilfe ist in den meisten Fällen möglich.
Ursache ist meist eine Entwicklungsverzögerung
Früher war man der Meinung, dass unter den Bettnässern vorwiegend Kinder sind, die psychische Probleme haben. Heute weiß man, dass in 75 bis 80% der Fälle eine Verzögerung des körperlichen Reifungsprozesses der Tag- und Nachtsteuerung der Harnproduktion vorliegt. Dazu kommen meist ein beeinträchtigter Aufwachmechanismus, was zur Folge hat, dass die Kinder den Harndrang während des Schlafes nicht spüren, und/oder – sehr häufig – eine nicht ausreichende nächtliche Produktion des Botenstoffs Vasopressin (antidiuretisches Hormon ADH) vorliegt. Dieses ADH bewirkt beim gesunden Kind, dass nachts weniger Harn als tagsüber gebildet wird. Beim Großteil der bettnässenden Kinder schüttet der Körper nachts noch zu wenig von diesem Botenstoff aus. Die Niere produziert somit weiter und die Blase kann die große Harnmenge nicht halten und „geht über“. Zusätzlich spielen abnorme Trinkgewohnheiten sowie genetische Faktoren eine Rolle. War ein Elternteil in der Kindheit Bettnässer, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind einnässt, etwa 45%. Falls Mutter und Vater betroffen waren, steigt die Wahrscheinlichkeit sogar auf über 70%.
Diagnose beim Arzt
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Bettnässen als Krankheit mit Anspruch auf Behandlung. Wesentlich für die richtige Therapie-Entscheidung ist die ausführliche Diagnose beim Facharzt für Kinderheilkunde, Kinderchirurgie oder Urologie bzw. in einer Spezial-Ambulanz für Kinderurologie, die es in vielen Krankenhäusern Österreichs gibt. Eine Liste an Ärzten und Ambulanzen finden Eltern unter http://www.clubmondkind.at/ansprechpartner-und-ambulanzen.html
Die Untersuchungen sind für die Kinder absolut schmerzfrei und bestehen aus einem ausführlichen Gespräch, bei dem Häufigkeit, Menge und Zeitpunkt des Einnässens, Stuhlgang, eventuell vorhandene Probleme auch tagsüber, Vorerkrankungen sowie Sozial- und Familiengeschichte abgefragt werden. Danach wird ein so genanntes „Miktionsprotokoll“ geführt. Dieses Tagebuch ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Diagnostik und wird vom betroffenen Kind gemeinsam mit den Eltern über einen Zeitraum von mindestens 48 Stunden (am besten übers Wochenende) geführt. Es enthält Menge, Zeitpunkt und Art der Flüssigkeit, die zugeführt wird, sowie wann und wie viel Harn ausgeschieden wird. Auch die Darmentleerungen sollten aufgeschrieben werden. Nach einer körperlichen Untersuchung, einer Harnanalyse, um v.a. Harnwegsinfekte als Ursache auszuschließen, und einem Ultraschall der Harnblase und der Nieren, steht in fast allen Fällen der Grund für das Einnässen fest.
Behandlung je nach Ursache
Die möglichen Behandlungsmethoden sind so vielfältig wie die Ursachen. Oft ist eine Kombinationstherapie bestehend aus allgemeinen Maßnahmen, Verhaltenstherapie und Medikamenten sinnvoll und notwendig. Wichtige Kriterien für die Entscheidung, wann mit der Therapie begonnen wird, sind der Leidensdruck und die Motivation der Kinder. Sinnvoll ist es, mit einer Behandlung schon vor dem Schuleintritt zu beginnen.
Einem Großteil der Bettnässer kann mit der seit vielen Jahren bewährten Wirksubstanz Desmopressin in Form einer kinderfreundlichen Schmelztablette rasch und einfach geholfen werden. Die Erfolgsrate des synthetisch hergestellten Botenstoffs ADH liegt bei 80 bis 85%. Meist kann schon innerhalb weniger Tage nach der täglichen Einnahme vor dem Schlafengehen eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Durch das schnelle Ansprechen auf die Therapie gewinnen die Kinder rasch wieder an Selbstbewusstsein und sind motiviert, das Medikament über mindestens drei Monate einzunehemen. Danach wird die Dosis langsam reduziert. Bei sachgemäßer Anwendung sind keine Nebenwirkungen zu erwarten.
Ist das Fassungsvermögen der Blase noch zu klein, kommen häufig „blasenentspannende“ Medikamente (z.B. Anticholinergika) zum Einsatz. Diese Wirkstoffe unterdrücken gezielt die Wirkung des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin, der für das Zusammenziehen des Blasenmuskels, also für die Entleerung der Blase, zuständig ist. Sie vergrößern dadurch das Fassungsvermögen der Blase.
Auch die „Alarmtherapie“ kann bei einem zu geringen Fassungsvermögen der Blase sowie bei verminderter Aufwachfähigkeit eingesetzt werden. Dabei sendet ein Sensor in der Unterhose ein Signal an einen Funkwecker, der einen Alarm auslöst, wenn die ersten Tropfen Urin fließen. Das Kind wird aufgeweckt und kann zur Toilette gehen. Es lernt schließlich, schon während der Blasenfüllung die Blasenkontraktion zu unterdrücken und noch vor dem Einnässen aufzuwachen. Wichtig für den Erfolg der Behandlung ist, dass das Kind vollständig wach ist. Die Therapie spricht nach 8-12 Wochen an, erfordert viel Geduld und wird vorwiegend bei älteren Kindern eingesetzt werden.
Weiters spielen positive Motivation und entsprechende Belohnungen z.B. für die Einhaltung der Therapie- und Verhaltensempfehlungen und später für trockene Nächte eine wesentliche Rolle für den Erfolg. Manchmal kann alleine die Änderung des Trinkverhaltens (Haupttrinkmenge in der ersten Tageshälfte), die Blasenentleerung vor dem Schlafengehen bzw. die Korrektur einer falsch eingelernten Blasenentleerung viel bewirken. Bei Verhaltensauffälligkeiten sollte zusätzlich ein Psychologe um Rat gefragt werden.
Kommentare
Sehr geehrte Damen und Herren Zufällig lese ich einen Bericht über Kinder, die wegen Bettnässen in Heimen, sowohl in der BRD als auch in der DDR waren. Vieles von dem, was sie in Ihren Analysen und Beschreibungen der Situationen darlegen, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. In der späteren, eigenen Beurteilung meines Aufenthaltes in einem Kinderheim für Bettnässer habe ich feststellen müssen, dass mir der Aufenthalt im Alter von 5 Jahren deshalb nichts gebracht hat, weil es keine tiefgründige psychologische Untersuchung gab, die hätte Abhilfe schaffen können. Ich bin wohl gefragt worden, warum das Bettnässen geschieht. Ich habe aber damals keine Antwort darauf geben können. Da sich das Bettnässen auch nach dem Heim fortgesetzt hat, war ich gezwungen die Lösung selbst zu finden. Die Lösung war nicht so kompliziert wie befürchtet. Ich habe festgestellt, dass ich nach dem Bettnässen absolut sicher war auf der Toilette gewesen zu sein und konnte mir zunächst nicht erklären, wie das passieren konnte. Dann kam ich darauf, dass ich den Toilettengang immer geträumt habe. Ab dem Moment, habe ich mich gezwungen, immer wenn ich meinte auf der Toilette zu sein zu prüfen, ob ich wach bin. Ab dann hat es sofort und immer funktioniert und das Bettnässen hatte ein Ende. Vielleicht hilft Ihnen meine Erfahrung bei der Behandlung von ebenso geplagten Kindern und vor allem wünsche ich mir die Darlegung meiner Erfahrungen bei den entsprechenden Stellen um sowohl den Betreuern als auch den Kindern selbst zu helfen. Für Ihre Mühe vielen Dank. J.E