Gleich zu Beginn möchte ich ein paar grundlegende Fragen beantworten. Weshalb bringen die Eltern ihre Kinder zum Schwimmunterricht?
- Zwecks Lebensrettung
- Wegen der Gesundheit
- Als Fitness- / Bewegungsmöglichkeit
- Teilnahme an Schwimmwettbewerben
Was bedeutet aber Schwimmen lernen?
Schwimmen lernen ist eine langwierige Prozedur. Allein wenn wir bedenken, wie lange das Laufen und Krabbeln lernen unserer Einjährigen dauert. Sie üben tagtäglich. Die Schwierigkeit im Wasser besteht darin, dass die Bewegungen im Element Wasser durchgeführt werden. Stabile Wasserlage, Körperspannung und Atemtechnik sind neben der Koordination unter Wasser notwendig. Man kann nicht nach einem zehnstündigen Schwimmkurs erwarten, dass das Kind alleine im Meer oder im Becken schwimmen kann. Das oberflächliche Erlernen der Schwimm-bewegungen verschwindet schnell und kann sogar das Leben der Kinder in Gefahr bringen. Die nicht gefestigten Schwimmbewegungsabläufe unter sechs Jahren werden verfälscht oder vergessen. Dies wird auch in wissenschaftlichen Studien belegt.
Zum Schwimmen Lernen brauchen die Kinder viel Zeit. Allein für das Erlernen von der Bewegungsabfolge von Brust-Beine-, Brust-Arme- und Atemtechnik braucht man ungefähr 5000 Wiederholungen. Das ist eine Strecke von ca. 4500 Metern, bei fortgeschrittenen Kindern bedeutet das, dass man in einer Unterrichtseinheit 200-300 Meter schwimmt.
Ich möchte folgende „Schwimmen-Können“ Kategorien differenzieren:
Es gibt Kinder, die
- Senkrecht im Wasser sind, nicht den Kopf aus dem Wasser heben können, erschöpft sind, schnell ertrinken würden (Nichtschwimmer)
- Senkrecht im Wasser sind, Kopf ab und zu aus dem Wasser heben, erschöpft sind, schnell ertrinken würden (Anfänger, Nichtschwimmer)
- Bei Babys: Ruhig in der Rückenlage liegen bleiben, aber gerettet werden müssen; sich über Wasser halten
- Bei Kindern: sich über Wasser halten können, in Bauch- oder Rückenlage mit „Hundekraultechnik“, mit aus dem Wasser gehobenem Kopf zum Ufer schwimmen können, aber schnell erschöpft sind; die Entfernung beträgt ca. 30 Meter
- In der Bauchlage, mit Gesicht im Wasser und guter Atemtechnik zum Rand schwimmen können, die verschiedenen Schwimmstile aber vermischen, wie zum Beispiel Brust-Arme und Kraul-Beine-Technik; sie schaffen maximal 30 Meter; sie können sich selbst retten, brauchen aber noch Aufsicht
Die obigen Kategorien bedeuten, dass das Kind noch nicht schwimmen kann, ohne von einem Erwachsenen ständig beobachtet zu werden.
Ich teile die allgemeine Meinung der Schwimmtrainer, wonach die wichtigen
Schwimmstile Rücken-, Brust- und Kraulschwimmen sind. Die Schwimmart
Schmetterling gehört schon eher zum Wettkampf. Auf der ganzen Welt werden diese unterrichtet. Diese Schwimmstile sind nicht mit den Wettkampfschwimmstilen zu vergleichen, die ein präzises Trocken- und Techniktraining erforderlich machen.
Wann ist es sinnvoll, Schwimmen zu lernen?
Dies hängt von vielen äußeren Umständen ab: wie zum Beispiel, ob ein eigener
Swimmingpool benutzt werden kann oder ob ein Sommerurlaub am Meer verbracht wird. Man kann in jedem Alter mit dem Schwimmen Lernen beginnen, denn es gibt für jedes Alter, jedes motorische Können Möglichkeiten, die Selbstrettung beizubringen.Säuglingen kann das Schweben in der Rückenlage beigebracht werden. Bei größeren Babys ist es das Ziel, dass sie mit Gesicht im Wasser zum Beckenrand kommen. Bis zum 5. Lebensjahr schwimmen die Kleinkinder mit der „Scheren-Strampel- Technik entweder in der Bauch-, in der Rückenlage oder abwechselnd zum Rand.
Meiner Meinung nach ist es am besten, so früh wie möglich mit der Wasser-gewöhnung und dem Schwimmen lernen zu beginnen. Je früher, desto besser, da das Schwimmen positive Auswirkungen auf den Organismus und die Seele der Kinder hat. Es stärkt die Lunge, da viel mehr Muskelkraft notwendig ist, um im Wasser einzuatmen, als im Trockenen. Im Schwebezustand werden solche Muskeln trainiert, die am Festland weniger bewegt werden. Spielerische, gleichgewichts-fördernde Schwebespiele geben den Kindern schon vor dem Schwimmen Lernen ein fantastisches Gefühl.
Vor dem 5. Lebensjahr ist der Unterricht als spielerische Vorbereitung zu sehen, indem erlernt werden kann, wie sich die Kinder selbst aus dem Wasser retten können. Die empfänglichste Phase zum richtigen Erlernen beginnt mit ungefähr 5 Jahren. Die Koordination und die motorischen Bewegungsabläufe werden schneller förderbar, das schnellere Erlernen der Schwimmbewegungen ist möglich.
Ab 5 Jahren können die Kinder innerhalb von 2 Jahren alle 4 Grundschwimmstile erlernen, sofern sie im 1. Jahr wöchentlich 2- bis 3-mal, im 2. Jahr 3- bis 5-mal üben. Es ist sinnvoll, das Schwimmen als Grundsportart zu betrachten, da gute Grundlagen gegeben werden.
Worauf sollte man bei der Wahl der Schwimmschule achten?
In Österreich gibt es keine einheitliche Qualitätsvorgabe. Die Eltern suchen
automatisch die näherliegenden Möglichkeiten aus. Es gibt ein paar Grundkriterien, auf die wir als Eltern achten sollten:
- Der Standort: freundliche, helle Schwimmhallen mit angenehmen Wassertemperaturen, guter Wasserqualität und großzügigen Umkleidekabinen. Solche sind hierzulande noch eher selten zu finden. Optimal ist, wenn eine Schwimmschule ein kleines und ein großes Becken hat. In diesem Fall können die Kinder in derselben Schwimmschule alle vier Schwimmstile erlernen. Schwimmschulen mit nur einem kleinen, ungefähr 4×10 Meter großen Becken können nur die anfänglichen, selbstrettenden Elemente lehren, für die richtigen Bewegungsabläufe ist der Platz aber zu eng. Bei großen Becken besteht die Gefahr, dass das Wasser eher zu kalt ist und dies empfinden Anfänger als unangenehm.
- Fachliche Kompetenz der Schwimmlehrer: Viele günstige Anbieter haben oft kaum ausgebildete, vom Schwimmer zum Trainer gewordene Schwimmlehrer. Die gut ausgebildeten Fachleute werden besser bezahlt, der Kurs ist teurer. Ein staatsgeprüfter Trainer ist die höchste zu erlangende Kategorie.
- Schwimmschulen mit einem gut aufgebauten Schul- Lehrsystem: Beim Anmelden ist es sinnvoll zuerst nachzufragen, was die Ziele sind, was das Kind nach Abschluss des Kurses können soll. Hier sollte eine konkrete Antwort erfolgen.
- Wichtig ist, dass die Gruppen nicht überfüllt sind. Es sollten maximal 6 Kinder pro Kursleiter im Anfängerkurs auf einmal im Wasser sein. Bei Fortgeschrittenen können schon bis zu 10 Kinder dabei sein, aber weniger ist besser. In den Gruppen sollte die Schwimmreife ungefähr auf derselben Stufe sein, also homogen. Sonst werden die fortgeschrittenen Kinder unterfordert, die schwächeren überfordert.
Die schwierigste Gruppe ist die der ängstlichen Kinder. Wasserscheue Kinder lernen oft erst in privaten Stunden die anfänglichen Schwierigkeiten zu überwinden. Da muss man zuallererst der Angst auf den Grund gehen, verursacht durch:
- Eine schlechte Erinnerung, wie zum Beispiel durch unabsichtliches Untertauchen, Verschlucken
- Angst vor dem Unbekannten, Unsicherheit
- Angst der Eltern, die sich auf die Kinder überträgt.
Die letzten beiden Ursachen können mit geschickten pädagogischen Tricks auch in Gruppen aufgelöst werden. Die Angst, die durch schlechte Erinnerungen verursacht ist, ist jedoch leichter im privaten Rahmen zu lösen. Ängstliche Kinder werden sonst oft noch schüchterner, haben noch weniger Lust aufs Schwimmen, wenn sie glücklich ins Wasser springende Kinder beobachten. Es gibt natürlich solche Unterrichtsmethoden, wie zum Beispiel im REGU (siehe www.watersport.co.at), mit denen die Angst durch Gewöhnen an Wasser auf ein Minimum reduziert werden kann.
Meine Empfehlung ist, selbst die ängstlichen Kinder ins Bad mitzunehmen, damit sie sich mit dem Element Wasser anfreunden können, spielen und planschen können. In der Badewanne sollte man kurz das Gesicht waschen, mit der Zeit kann dies ruhig auch großzügiger erfolgen. Eltern können die Kinder beim Schwimmen lernen unterstützen, indem sie den Kindern oft ermöglichen, im Wasser zu sein.
Mehrwöchige Intensivkurse geben gute Grundlagen. Für diejenigen, die das nicht schaffen, wäre trotzdem eine Regelmäßigkeit von 2-mal die Woche zu empfehlen. Natürlich bieten die Badewannenspiele auch eine gute Grundlage fürs Aneignen von Atemtechnik und Wassergewöhnung.
Während des Schwimmunterrichts empfehle ich auch einmal pro Woche mit den Eltern gemeinsam schwimmen zu gehen, es macht ganz viel Spaß sich mit den Eltern zu messen. Zum Schluss noch eine ganz wichtige Tatsache zum Schwimmen lernen! Der Kopf gehört ins Wasser! Das ist eine Grundvoraussetzung für das richtige Erlernen aller vier Schwimmarten. Schon bei Säuglingen ist es wichtig zu wissen, dass die Ohren im Wasser sein sollten, erneute Wassergewöhnung erfolgt. Es ist ärztlich belegt, dass Bakterien aus dem Wasser bei gesunden Kindern keine Entzündungen hervorrufen. Man muss nur danach alles sehr genau abtrocknen.
Später werden zunehmend auch andere Sinnesorgane, wie Augen, Nase, Mund ans Wasser gewöhnt. Jedes Mal, wenn Kinder unabsichtlich ins Wasser fallen, wird das Gesicht angespritzt und nass. Unvorbereitete Kinder erschrecken sich dabei so sehr, dass sie vor Überraschung und Schock erstarren, das hätte meistens Ertrinken zur Folge. Zusätzlich ist es auch eine Erleichterung für Schwimmer, die Bewegungsabfolge mit Kopf im Wasser durchzuführen. Dadurch liegt der Körper gerade auf der Wasseroberfläche, der Körper ist nicht durchgebogen. Die Wirbelsäule ist nicht durch falsche Körperhaltung belastet, Rückenleiden sind vermeidbar.
Kommentare
Elfriede
Einige Jahre war ich Trainerin im Bereich "Schwimmen" mit Kleinkindern(4-5 Lj) Die Erfahrung zeigte mir,dass es sich bei diesen Aktivitäten um die Benennung"Wassergewöhnung"nach den ersten 3 Einheiten handeln kann. MfG
Udo Langenhorst
Vielen Dank für die ausführlichen Beschreibungen rund ums Thema Kinderschwimmen. Wie eine Umfrage unter den Einschulungskindern (5-7a) in unserem Landkreis zeigt, kann nicht einmal die Hälfte von ihnen eine 25m-Bahn sicher durchschwimmen. Die Einstellung "das Lernen die Kinder eh in der Schule" ist leider weit verbreitet. Hier ergeben sich dann für die Schule erhebliche Probleme, da eine Lehrkraft nicht Schwimmer und "Taucher" gleichzeitig unterrichten darf und ein Schwimmlehrer zusätzlich organisiert werden muss. Leider gehen auch die Eltern immer seltener mit dem Nachwuchs schwimmen, weil es ihnen mit Umziehen und Fönen schlicht zu mühsam ist. Mit dieser Einstellung berauben wir die Kinder aber einer tollen Freizeitbeschäftigung die zudem ein wichtiger Teil der Unfallverhütung ist (100 Ertrinkungsopfer jedes Jahr allein in Bayern). Wie müssen energisch daran arbeiten, dass Schwimmenlernen mindestens wieder den Stellenwert bekommt wie Radl- und Skifahren. MfG, Dr. Udo Langenhorst (ehem. Leistungsschwimmer, DLRG-Rettungsschwimmer, Kinderarzt, Schulärztlicher Dienst)