Bereits im letzten Jahr vor dem Schuleintritt können Eltern bei ihren Kindern entscheidende Veränderungen beobachten. So werden beispielsweise Fünf- und Sechsjährige in ihrem Denken zunehmend selbstständiger und unabhängiger von der Meinung ihrer Bezugspersonen. Die kritische Haltung von Schulkindern im Vergleich mit jener von Kindergartenkindern führt dazu, dass Sechs- bis Zehnjährige vieles in Frage stellen und schlüssige Argumente brauchen, um einem Vorschlag Erwachsener zuzustimmen. Schulkinder betrachten ihren Alltag wesentlich realitätsbezogener, außerdem können sie ihre Emotionen immer besser kontrollieren. Situationen werden nun je nach vermuteten Ursachen unterschiedlich interpretiert – das starke Bezugnehmen auf die eigene Person tritt zugunsten einer nüchterneren Betrachtung der Fakten in den Hintergrund.
Dies wird unterstützt durch die erweiterten Denk- und Sprachleistungen des Kindes bzw. die verbesserte Selbstwirksamkeitserwartung. Das bedeutet, dass das Schulkind für seinen Erfolg oder Misserfolg weniger Zufall oder Glück verantwortlich macht, sondern den Einfluss eigener Anstrengung und Leistung bzw. die Auswirkungen der Aufgabenschwierigkeit bei der Beurteilung seiner Leistung berücksichtigt. Darüber hinaus können mehrere Lösungen als Ursache eines Problems in Betracht gezogen sowie Standpunkte anderer berücksichtigt bzw. miteinander verknüpft werden.
Doch nicht nur das Denken der Kinder verändert sich, auch die Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen erhält bei Schulkindern eine neue Qualität. Trotz des intensiven Ringens um verbindliche Regeln und Normen – was oft zu ausdauernden und laufstarken Konflikten führt – schätzen Schulkinder die Gemeinschaft und Kooperation mit anderen. Sie suchen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bzw. die Nähe verlässlicher Bezugspersonen, die ihnen Orientierung geben. Dem gegenüber steht das wachsende Bedürfnis nach Autonomie: Schulkinder suchen nach Möglichkeiten, ihre Selbstständigkeit und Alltagsroutine zu erweitern. Das Bedürfnis nach Nähe und Beziehung steht dem Streben nach Selbstständigkeit oft konträr gegenüber. Diese Ambivalenzen lassen erahnen, wie turbulent die emotionale Situation von Schulkindern teilweise sein kann.
Die am Übergang Kindergarten/Volksschule beteiligten Personen wie Eltern und Geschwister, aber auch Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe, diese für das Kind mitunter schwierige Situation gemeinsam zu meistern. Das Kind genießt seine Rolle als Schulkind und fühlt sich durch das Unbekannte in positiver Weise herausgefordert. Möglicherweise ist es anfangs aber auch überfordert, denn zahlreiche neue Aufgaben warten. Die Erwachsenen sollen diesen Prozess des Hineinwachsens in einen neuen Lebensabschnitt aufmerksam begleiten und das Kind dabei unterstützen.
Auch wenn Eltern in diesem Übergangsprozess eine vorwiegend begleitende Rolle haben, ändert sich auch für sie manches: So unterscheidet sich beispielsweise der Tagesablauf mit einem Schulkind wesentlich von dem mit einem Kindergartenkind. Nun sind bestimmte Aufgaben verpflichtend zu erledigen, fix vereinbarte Zeiten müssen eingehalten werden. Eltern sollen diese Herausforderungen für die Kinder als attraktiv und als für Sechsjährige altersadäquat darstellen. Wenn Eltern hingegen selbst einen ängstlichen und gestressten Eindruck machen, könnte das Kind diese neue Situation als tatsächlich bedrohlich interpretieren. Mit einem für das Kind durchschaubaren Zeitplan wird hingegen Überblick möglich: Was ist bis wann zu erledigen? Wie viel Zeit muss man für bestimmte Aufgaben reservieren? Wie viel Zeit bleibt für anderes?
Möglicherweise kann in dieser für alle Beteiligten ungewohnten Situation eine institutionelle Nachmittagsbetreuung wie sie in einem Hort oder in der Nachmittagsbetreuung an Schulen angeboten wird, hilfreich sein. Beide bieten beispielsweise im Tagesablauf klare Strukturen, sowohl Aufgabenbetreuung als auch Freizeitgestaltung werden ausgewogen berücksichtigt. Neben diesen Strukturen brauchen Kinder allerdings auch ausreichend Entscheidungsspielräume. Bei der Auswahl der Nachmittagsbetreuung ist darauf zu achten, wie diese beiden Aspekte im pädagogischen Konzept ausbalanciert werden.
Das Schulkind braucht zwar Hilfe bei der zeitlichen Gestaltung seines Nachmittags, will allerdings zunehmend mehr selbst entscheiden können. Diesem kindlichen Bedürfnis muss unbedingt entsprochen werden, denn auch das Leben in einer pluralistischen Gesellschaft fordert von Menschen Entscheidungsfreude und -fähigkeit: Erwachsene, aber auch bereits Kinder, müssen täglich aus einer Vielzahl an Möglichkeiten wählen! Institutionelle Nachmittagsbetreuung kann diese dafür notwendige Entscheidungskompetenz beispielsweise durch das spezielle pädagogische Konzept des offenen Arbeitens fördern: Kinder entscheiden selbst, wann sie ihre Aufgabe erledigen (nicht allerdings, ob sie das tun!) und zu welcher Zeit sie Erholung brauchen. Sie wählen die ihren aktuellen Interessen entsprechende Freizeitbeschäftigung. Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb eines klar vorgegebenen Rahmens erhöhen die Entscheidungssicherheit!
Weiters ist darauf zu achten, in welchem Rhythmus sich Arbeits- und Freizeit abwechseln. Der Hort bzw. die Nachmittagsbetreuung muss neben der korrekt erledigten Aufgabe auch Möglichkeiten für eine attraktive und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung bieten. Dabei ist auf eine möglichst ganzheitliche Förderung der kindlichen Entwicklung zu achten. Kinder sollen die Möglichkeit haben, durch Ausflüge die nähere Umgebung ihres Hortes kennen zu lernen, kulturelle Angebote zu nutzen und sich ausgiebig bewegen können. Darüber hinaus sollen bereits vorhandene Kompetenzen rund um die Lese- und Schriftkultur (Literacy, Medienkompetenz) ausgebaut werden.
Je vielfältiger die Freizeitangebote sind, desto eher werden sie den im Schulalter bereits sehr differenziert ausgebildeten Interessen der Kinder entsprechen. Mit einem attraktiv gestalteten Freizeitangebot im Rahmen der Nachmittagsbetreuung ist noch ein weiterer Vorteil für Eltern verbunden: Kinder lernen schrittweise, ihre Freizeit selbstbestimmt und verantwortungsvoll zu gestalten. Für viele Eltern, die sich darüber Gedanken machen, wie ihre Kinder ihren Nachmittag später, wenn sie weiterführende Schulen besuchen, verbringen werden, eine wichtige Unterstützung.
Eltern sollen bei der Auswahl der für das jeweilige Kind richtigen Nachmittagsbetreuung beides berücksichtigen: Sowohl die beim Übergang Kindergarten / Schule beobachtbaren Entwicklungsschritte als auch die angeführten Kriterien einer guten Nachmittagsbetreuung. Damit können sie das Kind in einer herausfordernden Zeit maßgeblich unterstützen und es auf seinem Weg zu einer autonomen und verantwortungsbewussten Persönlichkeit begleiten.
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