Kinder und Jugendliche haben im Laufe ihres Heranwachsens viele Entwicklungsschritte zu meistern – dabei können Hindernisse auftreten und sie vor Herausforderungen stellen. Psychische Probleme, etwa in Form von Belastungsreaktionen, Ängsten oder Depressionen, können sich entwickeln. Aber auch Verhaltensschwierigkeiten des Kindes oder Jugendlichen können den sozialen Alltag beeinträchtigen und alle Familienmitglieder stark fordern. Eltern können als wichtigste ExpertInnen in der Erziehung ihrer Kinder angesehen werden, da sie ihre Kinder am allerbesten kennen. Daher nehmen sie für das psychische Wohlbefinden und die positive Entwicklung ihrer Kinder eine zentrale Rolle ein.
Sind Bezugspersonen im Leben ihrer Kinder präsent und aufmerksam, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, psychische oder Verhaltensprobleme frühzeitig zu erkennen und Unterstützung anbieten zu können. Eine wichtige Aufgabe von Eltern ist somit, negative Veränderungen im Verhalten und in den Gewohnheiten ihres Kindes wahrzunehmen und anzusprechen. Veränderungen können etwa in sozialem Rückzug oder verändertem Schlaf- und Essverhalten bestehen, aber auch Aggression oder destruktive Verhaltensweisen können ein Hinweis sein. Ein Austausch mit anderen Bezugssystemen des Kindes bzw. Jugendlichen (wie Kindergarten oder Schule) ist in dieser Situation sinnvoll. Sollten psychische Probleme deutlich werden, ist professionelle Unterstützung dringend erforderlich.
Formen der professionellen Unterstützung
Bei leichteren Formen psychischer Schwierigkeiten, die erst kurz andauern, kann eine klinisch-psychologische bzw. psychotherapeutische Kurzzeitintervention helfen. Für viele Kinder und Jugendliche ist es bereits erleichternd herauszufinden, dass sie nicht alleine mit ihrem Problem sind. Halten psychische Probleme bereits länger an, sind stärker ausgeprägt und mit deutlichen Einschränkungen im sozialen Alltag verbunden, ist von einem intensiveren, multimodalen Prozess auszugehen – auch hier ist die Unterstützung durch eine/n Psychotherapeut/-in oder eine/n klinischen Psychologen/-in mit Erfahrung im Kinder- und Jugendbereich die richtige Wahl.
Aktuell sind in Österreich 23 psychotherapeutische Methoden anerkannt. Die Kinder- und Jugendpsychotherapie wurde im letzten Jahrhundert hauptsächlich von folgenden Therapieschulen dominiert: (kognitive) Verhaltenstherapie, systemische Familientherapie, tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und nondirektive Verfahren der Spiel- und Gesprächspsychotherapie. Jede dieser Psychotherapierichtungen basiert auf einem umfassenden theoretischen Konzept. Während etwa die kognitive Verhaltenstherapie auf der Veränderung von Verhaltensweisen, aber auch innerer Vorgänge wie Gedanken, Wahrnehmungen und Einstellungen basiert, steht bei systemischen Ansätzen nicht der/die Klient/-in allein, sondern die Strukturen und Kommunikationsmuster in seinem/ihrem Bezugssystem (bei Kindern vor allem die Familie) im Fokus. In tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapieformen steht in der Regel nicht das Symptom im Mittelpunkt der Behandlung, sondern das Aufdecken unbewusster Hintergründe und Konflikte bzw. der symbolischen Bedeutung der Symptome.
Für den Einsatz kognitiv-verhaltenstherapeutischer Methoden im Kindes- und Jugendalter finden sich bezogen auf verschiedene Störungsbilder (etwa Angststörung, Zwangserkrankungen) gute Wirksamkeitsnachweise. Für die Überprüfung der Wirksamkeit anderer Therapierichtungen liegen teilweise weniger wissenschaftlich zufriedenstellende Studien vor. Fraglich ist jedoch, wie sinnvoll diese Wirksamkeit insgesamt gemessen werden kann bzw. welche Kriterien dabei Beachtung finden sollen. Mindestens ebenso wichtig wie die Wahl einer Therapiemethode ist die therapeutische Beziehung: Das Kind oder die/der Jugendliche soll sich beim Therapeuten bzw. der Therapeutin wohlfühlen und diesem/dieser vertrauen.
Bei Kindern und Jugendlichen ist die Einbindung der Eltern und Bezugspersonen im Sinne begleitender Familienarbeit bzw. Elternberatung zentral für die Fortsetzung einer gesunden Entwicklung. Sie bilden den direkten Lebensraum der Kinder oder Jugendlichen und können diese beim Meistern von Herausforderungen im Alltag am besten begleiten. Je jünger Kinder sind, desto intensivere Einbindung der Bezugspersonen ist in der Regel notwendig.
Andere Therapieformen wie Kunsttherapie oder Musiktherapie können das Angebot sehr gut ergänzen. Bei bestehenden Schwierigkeiten in speziellen Entwicklungsbereichen, können etwa Ergotherapie, Logopädie oder Trainingsangebote zur Lernunterstützung zum Einsatz kommen.
Achtung! Sollten Eltern deutliche Anzeichen für selbstschädigendes Verhalten oder Suizidalität bei ihrem Kind wahrnehmen, gibt es dringenden Handlungsbedarf. In akuten Situationen können sich Bezugspersonen jederzeit an die kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz des zuständigen Krankenhauses wenden.
Wann wird eine Medikation notwendig?
Generell gilt, dass der Einsatz von Psychopharmaka von der Chronizität und dem Schweregrad einer psychischen Störung abhängig ist. In der Beratung durch eine/n Kinder- und Jugendpsychiater/-in werden Nutzen und Risiko einer Medikation genau abgewogen und im Verlauf der Behandlung evaluiert. Eine fachärztlich begleitete Abklärung der körperlichen Voraussetzungen ist notwendig. Psychopharmaka kommen häufig als „Starthilfe“ zum Einsatz, um die Wiederaufnahme von Alltagsaufgaben sowie eine Beschäftigung mit der Erkrankung überhaupt möglich zu machen. Gerade im Kindes- und Jugendalter sollte in regelmäßigen Abständen fachärztlich kontrolliert werden, ob die bestehende Medikation noch zielführend und passgenau ist. Die Kombination mit einer entsprechenden psychologischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung, aber auch anderen Therapieformen, bringt die größten Erfolgschancen mit sich.
Welche Therapieform braucht mein Kind?
Welche Therapieform bzw. Kombination an Therapieformen und Medikation für die ganz individuelle Themenstellung eines Kindes oder Jugendlichen und seiner Familie am besten geeignet ist, kann in einer klinisch-psychologischen, psychotherapeutischen oder kinder- und jugendpsychiatrischen Abklärung festgestellt werden. Entsprechende Therapieangebote werden je nach Bedarf geplant.
Wie können Bezugspersonen ihr Kind konkret bei psychischen Problemen unterstützen?
- Ruhig und positiv bleiben
- Dem Kind signalisieren: „Ich bin da!“ und mit dem Kind gemeinsam gegen die Schwierigkeiten antreten
- Dem Prozess Zeit geben
- Dem Kind bzw. Jugendlichen Unterstützung anbieten und dabei Druck vermeiden
- Negative Stimmung ernstnehmen und keinesfalls bagatellisieren, den Blick jedoch weiterhin auf eine positive Entwicklung richten
- Warmherzige und offene Kommunikation
- Unterstützungssysteme (wie Großeltern oder Freunde) nutzen
- Auf das eigene Wohlbefinden achten
- Antriebsloses oder gereiztes Verhalten des Kindes oder Jugendlichen nicht persönlich nehmen, sondern im Sinne der psychischen Schwierigkeiten interpretieren
- Schädigenden Verhaltensweisen klar entgegentreten
- Positive gemeinsame Beziehungserlebnisse mit dem Kind bzw. Jugendlichen stärken
- Dem Kind bzw. Jugendlichen Wertschätzung entgegen bringen – etwa durch kleine Gesten
- Strukturen und Routinen im Alltag aufrecht halten bzw. wiedereinführen
Besonders wichtig ist es für Bezugspersonen in der Begleitung eines Kindes bzw. Jugendlichen mit psychischen Schwierigkeiten, auf den eigenen „Energiehaushalt“ zu achten und auch das Wohlbefinden von Geschwisterkindern im Blick zu behalten. Eine Elternberatung bzw. ein Elterncoaching kann auch dabei unterstützen.
Literatur:
- Berking & Rief (2012): Klinische Psychologie und Psychotherapie.
- Kölch, Rassenhofer & Fegert (2020): Klinikmanual Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.
- Omer, Streit (2019): Neue Autorität: Das Geheimnis starker Eltern.
- Österreichischer Berufsverband für Psychotherapie (Stand 15.04.2021), https://www.psychotherapie.at/patientinnen/ueber-psychotherapie
- Petermann (2013): Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie.
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