Kinder kommen heute immer früher immer wieder mit Onlineinhalten in Kontakt, die für sie nicht geeignet sind. Besonders im Volksschulalter suchen Kinder allerdings noch nicht aktiv nach Pornos, Gewaltvideos oder Seiten, die zur Selbstverletzung anregen – sondern „stolpern“ im Internet über derartige Inhalte oder bekommen sie als „Mutprobe“ geschickt bzw. gezeigt. Immer wieder werden verstörende oder angstmachende Inhalte auch bewusst via WhatsApp & Co. an andere Kinder weitergeschickt (z. B. gruselige Kettenbriefe). Je nachdem, wie alt Kinder sind, unterscheiden sich sowohl die Art der ungeeigneten Inhalte als auch die Auswirkungen auf die kindliche Seele.
„Drüber stolpern“
Immer wieder passiert es Kindern bei ihren ersten, begeisterten Schritten im Internet, dass sie auf ungeeignete Inhalte stoßen. So etwa dann, wenn Mädchen in einer Bilder-Suchmaschine ihren eigenen Vornamen eingeben und dann auf aufreizende Bilder von lasziv posierenden Mädchen und Frauen stoßen. In solchen Fällen hilft es, wenn die Suchmaschine auf „familienfreundlich“ oder „Safe Search“ eingestellt ist.
Tippt man eine Internetadresse falsch ein – beispielsweise, weil man die Adresse nicht genau kennt oder sich verschrieben hat – kann es vorkommen, dass man auf einer Seite mit ungeeigneten Inhalten landet. Dabei spricht man von „Typosquatting“. Daher ist es hilfreich, mit Kindern gute Suchroutinen einzuüben und mit ihnen zu besprechen, wie sie auf unangenehme Erlebnisse reagieren sollen. Mit kleineren Kindern kann man dieses Thema zum Beispiel so thematisieren: „Es gibt im Internet auch Seiten, die dir Angst machen können oder komisch vorkommen. Wenn du auf eine solche Seite stoßen solltest, dann schließe sie einfach wieder. Wenn dich die Seite aber schlecht schlafen lässt, dann erzähle es mir. Ich schimpfe dich nicht, denn das kann jedem einmal passieren. Aber schicke sie auf keinen Fall an deine Freundinnen und Freunde weiter.“
Tipp: Spezielle Kinder-Suchmaschinen wie z.B. www.helles-koepfchen.de, www.fragfinn.de oder www.seitenstark.de listen nur redaktionell gefilterte, kindgerechte Inhalte auf.
„Mutproben“
Recht häufig kommt es vor, dass Kinder und Jugendliche die tollsten, neuesten und besten Videos und Bilder aus dem Internet austauschen. Dazu zählen einerseits Filme und Bilder mit Inhalten, die Erwachsenen zwar sinnlos und blöd vorkommen, aber eigentlich harmlos sind. Genauso zählen dazu aber auch jugendgefährdende Filme und Bilder. Nach dem Jugendschutzgesetz in Österreich müssen Erwachsene dafür sorgen, dass Kinder mit solchen Inhalten nicht in Kontakt kommen können. Wenn Eltern also Kenntnis davon haben, dass solche Inhalte im Umlauf sind, ist es wichtig, hier einzuschreiten und eine Weiterverbreitung zu unterbinden. Dazu zählt die Löschung des Links im sozialen Netzwerk bzw. die Löschung des Videos auf dem Handy. Auch wenn dies keine Garantie ist, dass das Video nun „verschwindet“, macht das den Kindern doch klar, dass es sich hier um eine nicht erwünschte Verhaltensweise handelt und Eltern Konsequenzen ziehen. Wichtig ist auch, solche Fragen mit den Kindern zu besprechen und daraus Familienregeln abzuleiten.
Kettenbriefe in WhatsApp
Kettenbriefe werden unter Kindern und Jugendlichen heute über WhatsApp und andere Messenger verbreitet – schon Volksschulkinder erhalten jede Woche bis zu zehn Kettenbriefe, deren Inhalte sie zum Teil überhaupt nicht einschätzen können. Darunter sind oft beängstigende, gruselige oder verstörende Nachrichten oder Bilder, z. B.: „Schickst du das nicht an mindestens 10 Leute weiter, wird heute Nacht ein totes Mädchen in deinem Zimmer stehen und dich beobachten“. Solche Kettenbriefe werden besonders von jüngeren Kindern als sehr bedrohlich empfunden und als „reale Gefahr“ eingestuft. Vorsorglich schicken sie alles an ihre Freundinnen und Freunde weiter – die Kettenbriefe verbreiten sich wie ein Lauffeuer.
Thematisieren Sie mit Ihrem Kind gruselige WhatsApp-Kettenbriefe und fragen Sie immer wieder nach, welche Kettenbriefe Ihr Kind kennt oder gerade im Umlauf sind. Erklären Sie das Prinzip von Kettenbriefen und machen Sie klar, dass solche Horrorgeschichten komplett frei erfunden sind. Nehmen Sie Ängste unbedingt ernst und signalisieren Sie Ihrem Kind, dass es jederzeit zu Ihnen kommen kann, wenn ihm Nachrichten Angst machen. Vereinbaren Sie außerdem, welche Kettenbriefe Ihr Kind weiterschicken darf – es gibt auch „harmlose“ – und welche besser nicht.
Aktive Suche nach Verbotenem: Umgang mit Pornos
Glaubt man Statistiken, so haben 15-jährige Burschen in Österreich bereits zu einem sehr hohen Prozentsatz Pornos konsumiert und auch aktiv nach ihnen gesucht. Pornos scheinen den Burschen genau die Antworten zu liefern, die sie suchen. In konkreter, detailreicher Weise wird einfach „alles gezeigt“. Pornos werden also immer wieder als eine Wissensquelle angesehen, genauso wie sie auch zur sexuellen Stimulation dienen. Eltern sind manchmal schockiert, wenn sie erfahren, dass ihre 11-jährigen Söhne sich auf solchen Seiten „herumtreiben“. Eine erste Reaktion ist dann oft, diese Seiten sperren zu wollen oder das Internet ganz zu verbieten. Dabei wird jedoch häufig vergessen, dass es – trotz Sperren oder Verboten – zahlreiche Möglichkeiten gibt, an diese Inhalte heranzukommen, beispielsweise via Handy oder bei Freunden. Hier ist es sinnvoller, die Burschen darauf anzusprechen und ihnen zu vermitteln, dass es sich bei Pornos um keine Darstellung der Realität handelt, sondern um schauspielerische Inhalte, wie in einem Actionfilm.
Selbstschädigung
Ein spezieller Bereich, der Eltern sehr oft große Sorgen bereitet, sind Inhalte im Internet, die zur Selbstschädigung aufrufen oder animieren. Dazu zählen beispielsweise sogenannte Selbstmordforen, wo Jugendliche Gleichgesinnte suchen, mit denen sie einen solchen Schritt gemeinsam wagen könnten. Oder es sind Foren im Bereich der Essstörungen („Pro-Ana“- und „Pro-Mia“-Plattformen), die sektenartig auf Jugendliche einwirken können, immer weiter in die Krankheit einzutauchen. Auch Foren, die das „Ritzen“ und „Schneiden“ – und somit Selbstverletzungen – thematisieren, zählen dazu. Auch in Bildernetzwerken wie Instagram, YouTube oder TikTok finden sich unter einschlägigen Hashtags unzählige Fotos und Videos zu den Themen Selbstverletzung und Essstörungen. Geschlossene WhatsApp-Gruppen dienen Jugendlichen mit Magersucht oder Bulimie oft zum Austausch und Ansporn mit Gleichgesinnten. Auf all diesen Plattformen wird den Jugendlichen vermittelt, dass man auf ihrer Seite steht und sie in ihrem Bemühen unterstützt. Etwas, das sie in ihrer „realen“ Umgebung unter Umständen nicht erleben. Im Selbstmordforum werden Jugendliche darin bestärkt, dass „das Leben keinen Sinn hat“, im Essstörungsforum werden sie bestärkt, dass sie – auch wenn sie bereits sehr untergewichtig sind – zu dick sind. Die Nutzung all dieser Angebote im Internet ist immer ein Hilferuf der Betroffenen, der unbedingt ernst genommen werden und auf den man entsprechend reagieren muss. Ist man sich als Elternteil unsicher, wie dies passieren kann, so sollte man sich professionelle Unterstützung suchen und dies auch dem Kind anbieten.
Tipp: Auch für Eltern und andere Angehörige von Jugendlichen ist die erste Anlaufstelle 147 Rat auf Draht – kostenlos, anonym, rund um die Uhr unter der Telefonnummer 147 (ohne Vorwahl) oder online unter www.rataufdraht.at.
Wie kann ich Kinder vor unerwünschten und illegalen Inhalten schützen?
Sie können mit den Kindern Regeln vereinbaren (z. B. Wann darf das Kind was im Internet machen?), gemeinsam mit den Kindern das Internet entdecken und sich ihre Lieblingsseiten und -apps zeigen lassen, Sicherheitseinstellungen aktivieren sowie – bei den Jüngeren – Filterprogramme verwenden. Gerade gemeinsame Erfahrungen erleichtern es in Zukunft, positive und negative Erlebnisse, die mit der Internetnutzung verbunden sind, zu teilen. Gleichzeitig haben Sie so die Chance, Kinder bei der Internetnutzung gezielt anzuleiten.
Reden Sie insbesondere mit jüngeren Kindern auch ohne konkreten Anlassfall über verstörende oder angstmachende Inhalte im Internet. Machen Sie klar, dass Ihr Kind jederzeit zu Ihnen kommen kann, falls ihm ein Video, Foto, eine Nachricht etc. Angst macht oder es nicht schlafen kann.
Wenn Sie Regeln für die Onlineaktivitäten Ihrer Kinder festlegen, vergessen Sie nicht, dass diese nur dann wirksam sind, wenn Ihre Kinder die Regeln verstehen und akzeptieren können. Genauso wenig wie im „realen“ Leben gibt es auch für sicheres Surfen keine hundertprozentige Garantie. Aber mit Hilfe verschiedenster Maßnahmen können Sie problematische Interneterlebnisse auf ein Minimum einschränken.
Bei jüngeren Kindern ist die Verwendung von Filterprogrammen sinnvoll. Je älter die Kinder werden, umso wichtiger wird es, mit ihnen über problematische Inhalte und unangenehme Online-Erlebnisse zu sprechen. Schließlich können Filterprogramme auch umgangen werden. Erklären Sie Ihre Einstellungen und Gefühle zu Gewalt, Pornografie und Rassismus. Machen Sie deutlich, dass das Betrachten extremer Inhalte kein Ausdruck von „Erwachsensein“ ist und es normal ist, wenn dies zu einem Gefühlstumult führt. Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihrem Kind eine gemeinsame Gesprächsbasis hinsichtlich heikler Themen haben. Seien Sie außerdem ein Vorbild: Leben Sie den Umgang mit Medien vor, den Sie auch von Ihrem Kind erwarten.
Vergessen Sie dabei nicht: Das Internet bietet großartige Möglichkeiten, ist aber gleichzeitig mit Risiken verbunden. Auf das Internet zu verzichten oder die Nutzung radikal einzuschränken, kann keine Lösung sein. Daher ist es wichtig, Kinder aktiv auf die Risiken vorzubereiten und nicht zu kritisch bei ihren Entdeckungsreisen zu sein.
Barbara Buchegger
ist pädagogische Leiterin der EU-Initiative Saferinternet.at und Expertin für Medienpädagogik, Internetsicherheit, digitale Kompetenzen, Onlinedidaktik und Erwachsenenbildung.
Sexting, Posing, Grooming
Sie haben Ihr Kind dabei erwischt, wie es Nacktbilder von sich selbst verschickt hat? Die Freund:innen Ihres Kindes verbreiten freizügige Bilder von ihm? Ihr Kind wird im Internet bedrängt und belästigt? Der Umgang mit freizügigen Bildern im Internet ist
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