Die Geburt eines Geschwisterkindes wird von Kindern sehr unterschiedlich erlebt und verarbeitet. Die Bewältigung neuer Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben – bietet aber viele Chancen für das ältere Kind. Neue Entwicklungsschritte wie Autonomie und Ablösungsprozesse des Erstgeborenen werden angeregt.
Kinder, die ein Geschwisterchen bekommen haben, brauchen Zeit sich daran zu gewöhnen. Besonders stolz reagieren die Großen, wenn das Kleinere sie mit einem besonderen Lächeln begrüßt bzw. sie in der Lage sind es selbständig zu beruhigen. Größere Geschwisterkinder schätzen es, wenn sie in der Betreuung des kleineren Kindes mithelfen dürfen – dies sollte aber nicht zur Pflicht werden, denn schlussendlich sind sie selber auch Kinder. Ihr Bestreben groß zu sein, sollte aber genügend Anerkennung finden.
Größere Kinder haben nicht nur mehr Pflichten, sondern auch Rechte
Und es gibt es ja auch schöne Seiten, wenn man der/die Größere ist. Groß zu sein ist nicht nur mit Zurückstecken verbunden sondern auch mit neuen Rechten und Möglichkeiten. So kann ein größeres Kind z.B. alleine mit Mama oder Papa oder anderen Bezugspersonen etwas unternehmen „etwas für Große“ oder bei Dingen helfen, die für kleine „noch zu gefährlich sind“ (mit der Schere schneiden, beim Kochen helfen…).
Größere Kinder macht es auch selbstbewusst, wenn sie bemerken, dass sich ihr kleineres Geschwisterl an ihnen orientiert und es nachahmt. Andererseits kann das auch sehr lästig sein. Auch von den Eltern fortwährend als Vorbild genannt zu werden ist lästig und der Geschwisterbeziehung nicht unbedingt förderlich.
Zweitgeborene erleben den Vorsprung des Ersten vielfach als Anreiz und unternehmen vermehrte Anstrengungen, nach zu eifern oder es sogar einzuholen. Geschwister haben viele Möglichkeiten voneinander zu profitieren und so ist auch Geschwisterstreit als Übungsfeld für Konfliktlösungsstrategien zu sehen. Und nicht zuletzt kann ein Bruder, eine Schwester auch ein guter Verbündeter sein.
Ihr Kind zeigt im Zusammenhang mit einem Geschwisterchen vielleicht auch sehr ambivalente Gefühle. Mal unterstützt es, dann stoßt es weg, lacht es auch und umsorgt es. Die unterschiedlichsten Verhaltensweisen, die Kinder an den Tag legen, können auch als eine aktive Bewältigungsstrategie verstanden werden indem sie durch Versuch und Irrtum Lösungswege zu suchen und um die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz ringen. Für Eltern kann es hilfreich sein, sich immer wieder gedanklich in die Situation der Kinder zu versetzen um Verständnis für „unverständliches Verhalten“ zu entwickeln.
Die beste Unterstützung für eine gute Geschwisterbeziehung aber ist eine positive Beziehung zwischen Eltern und Kindern.
Was Geschwister brauchen:
- Jedes Kind braucht individuelle Zuwendung, Aufmerksamkeit (auch Körperkontakt) und Anerkennung der eigenen Person und Schutz.
- Geschwisterkinder gerecht behandeln heißt: Jedem Kind das Seine, nicht das Gleiche. Versuchen Sie individuelle Stärken und Schwächen des jeweiligen Kindes zu erkennen ohne zu vergleichen.
- Verständnis: Streiten ist z.B. für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes essentiell – Geschwister bieten Übungsraum
- Ihrem Alter entsprechenden Platz in der Familie (Rechte & Pflichten)
- Kindern brauchen Rituale, durch die sie die Gewissheit bekommen, dass sie nicht übersehen werden (Kuscheln, Unternehmungen alleine und nicht als Geschwisterkind). Rituale auf die sich ein Kind verlassen kann, wirken mehr als die Worte „ich habe dich ja genauso lieb“.
Beate Reiß
Lebenssystemische Lebens- und Sozialberaterin & systemisch-kunsttherapeutische Supervisorin in eigener Praxis, Referentin in der Elternbildung (Vorbereitung auf Geburt und Elternschaft, Neuorientierung in der Familie, Leben mit Kleinkindern, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Zeit- und Selbstmanagement), Mitglied VGE.
www.gutgebunden.at
Mit Eifer suchen – „Wo ist mein Platz?“
Die Ankunft eines Geschwisterchens bringt Veränderungen in eine vertraute Familiensituation - ein neues Wesen vergrößert die Familie. Systemisch gesehen hat das zur Folge, dass alle Mitglieder ihren Platz neu finden und gestalten müssen.
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