Wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen, fangen die Streitereien oft erst so richtig an. Dabei bietet die Erziehung der gemeinsamen Kinder reichlich Konfliktstoff. Besser wäre es, die Kinder aus dem Rosenkrieg herauszuhalten. Wie das gelingen kann, verrät dieser Artikel.
Schon in nicht getrennten Familien ist die Erziehung der Kinder mitunter ein schwieriges Thema und führt nicht selten zu Diskussionen. Kommt es jedoch zur Trennung der Eltern, spitzen sich diese Streitereien häufig zu. So gibt es oft unterschiedliche Vorstellungen in ganz alltäglichen Dingen: Die Mutter legt Wert auf eine gesunde Ernährung, beim Vater gibt es oft Pizza oder Burger und viel Süßes. Auch das Freizeitprogramm kann zu Konflikten führen: Möchte der eine Elternteil in seiner Zeit, die er mit den Kindern verbringt, Unternehmungen machen, ist es für den andern wichtig, dass in dieser Zeit auch Schulaufgaben erledigt werden. Auch Urlaube, die Wahl der Schule, Geschenke, der Kontakt zum neuen Partner/zur neuen Partnerin können die Zeit nach einer Trennung oder Scheidung konfliktreich machen – für Eltern, aber auch für die Kinder.
Oftmals stehen hinter diesen Auseinandersetzungen Kränkungen, Verletzungen und ungelöste Konflikte auf der Paarebene. Manchmal haben aber gerade diese unterschiedlichen Haltungen zur Trennung geführt. Doch wie können nun getrennte Eltern im Sinne ihrer Kinder mit diesen Unterschieden umgehen? Und warum soll nun etwas, was vor der Trennung nicht geklappt hat nach der Trennung klappen?
Väter und Mütter sind anders, Kinder profitieren von beiden
Ein Beispiel: Sarah, 4 Jahre, verbringt das Wochenende bei ihrem Vater. Die Mutter ist sehr fürsorglich und passt sehr darauf auf, dass sich Sarah in keine Gefahren begibt. Am Wochenende geht Sarah mit ihrem Papa auf den Spielplatz. Dort klettert sie auf den Gerüsten bis ganz nach oben, schaukelt hoch und spielt mit den anderen Kindern Fußball. Sie fällt hin und hat eine Schürfwunde am Knie, ihre Kleider sind total schmutzig. Sarahs Mutter wirft ihrem Ex-Partner Verantwortungslosigkeit vor: Sarah sei noch zu klein für solche Unternehmungen und er hätte besser auf sie aufpassen müssen. Im Gegenzug wirft der Vater seiner Ex-Frau vor, dass sie Sarah überbehütet und sie in ihrer Entwicklung behindert.
Ist diese Situation nun charakteristisch fürs Eltern-Sein nach der Trennung oder liegt der Konflikt eher darin, dass Mütter und Väter anders sind? Studien zeigen, dass Väter generell ihren Kindern mehr zuzutrauen und sie in ihrer Autonomieentwicklung stärken, während Mütter eher eine Tendenz zur Vorsicht und zur Behütung zeigen. Väter und Mütter sind also anders, gehen unterschiedlich mit den Kindern um und reagieren unterschiedlich auf Situationen. Aber von dieser Andersartigkeit profitieren die Kinder – sowohl bei aufrechter Beziehung zwischen den Eltern als auch nach Beendigung der Paarbeziehung. Das ändert sich nach einer Trennung nur dann, wenn diese Unterschiede als Fehler oder Versäumnisse wahrgenommen werden und Streit entsteht. Es geht um ein Stück Vertrauen in den anderen Elternteil. Motto: „Der/die andere macht seine Sache gut, auch und gerade dann, wenn er/sie es anders macht als ich.“ Kinder sind flexibel und imstande, mit anderen Regeln und Verboten als zu Hause umzugehen. Wichtig ist allerdings, dass sich die Eltern nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Mindestmaß an respektvoller Kommunikation nötig
Um im Sinne der gemeinsamen Kinder Elternschaft auch nach der Trennung wahrzunehmen, ist ein Mindestmaß an respektvoller Kommunikation mit dem Ex-Partner/der Ex-Partnerin nötig. Erst auf dieser Basis lassen sich gemeinsame Entscheidungen in Bezug auf die Kinder treffen. Das bedeutet nicht, dass gemeinsam Kaffee getrunken werden muss oder ohne Anlass Telefonate notwendig wären. Es geht alleine und ausschließlich um das Kind und dessen Belange.
Zweites Beispiel: Die Mutter von Philipp, 9 Jahre alt, berichtet: „Bei mir darf Philipp kaum fernsehen, bei seinem Vater läuft der Fernseher den ganzen Tag. Sein Vater gibt ihm kaum Süßigkeiten, bei uns gibt es immer Kekse. Deshalb gab es zwischen meinem Ex-Mann und mir nach jedem Besuchswochenende Stress. Jetzt versuchen wir aufzuhören, darüber so oft zu streiten, denn Philipp kommt eigentlich ganz gut damit zu Recht, dass bei seinem Vater einfach einiges anders läuft als bei mir.“
Kinder brauchen ihre Eltern
Kinder haben die Trennung ihrer Eltern meistens nicht gewollt. Sie brauchen aber weiterhin ihre Eltern und wollen von ihnen geliebt und versorgt werden. Nicht immer schaffen es getrennte Eltern, einen gemeinsamen Elternweg zu gehen. Aber selbst jene, die am liebsten nie mehr ein Wort mit dem Ex-Partner wechseln würden, können dazu beitragen, dass ihre Kinder möglichst wenig unter der Scheidung leiden.
Empfehlungen für beide Elternteile:
- Machen Sie sich die Unterschiedlichkeit der Situationen bewusst. Was im Alltag oft gut funktioniert, lässt sich manchmal nur eingeschränkt auf die Kontakte des Kindes mit dem anderen Elternteil übertragen und umgekehrt.
- Alles, was beim jeweils anderen Elternteil geschieht, liegt in der Verantwortung des anderen. Es gibt nach der Trennung kein Mitbestimmungsrecht über die Zeit des anderen mit dem Kind, solange das Kind nicht eindeutig und gefährdet ist.
- Bleiben Sie gelassen. Kinder können sehr gut mit unterschiedlichen Regeln an unterschiedlichen Orten umgehen. So wie ihr Kind in der Schule anderen Regeln folgt als zu Hause kann es das auch beim anderen Elternteil.
- Trennen Sie bewusst Wichtiges von Unwichtigem. Es ist wahrscheinlich wichtiger, sich beispielsweise über eine grundsätzlich vegetarische Ernährung zu einigen als über Fruchtzwerge zum Nachtisch. Die Grundsatzfrage, wann das Kind zu Bett geht und wann es morgens aufsteht, ist von größerer Relevanz als jene, was es in den letzten 30 Minuten vor dem Zubettgehen noch tut oder nicht tut.
- Nehmen Sie sich bei der Übergabe Zeit, miteinander über wichtige Angelegenheiten, die Ihr Kind betreffen, zu reden.
- Übermitteln Sie Botschaften betreffend finanziellen Vereinbarungen, Urlaubsplänen etc. an den anderen Elternteil immer direkt und nicht über Ihr Kind!
- Ihr Kind wünscht sich, dass Sie bei wichtigen Ereignissen oder Veranstaltungen z. B. bei Kindergarten- oder Schulfesten beide dabei sind. Familienfeste wie Weihnachten oder Geburtstage sollten aber besser nicht gemeinsam gefeiert werden, da im Kind sonst die Hoffnung verstärkt wird, dass die Eltern wieder zusammenkommen.
- Benutzen Sie Ihr Kind nicht, um Informationen über die Lebensgewohnheiten Ihres Ex-Partners/Ihrer Ex-Partnerin zu bekommen, z. B. ob sie einen neuen Partner hat, wohin er auf Urlaub fährt oder welche Möbel in ihrer Wohnung stehen.
- Überlegen Sie, ob es bei gewissen Streitpunkten tatsächlich um die Entwicklung des Kindes geht oder nicht auch darum, ihre Entscheidung gegen den anderen Elternteil zu verteidigen?
- Jede Trennung wird sehr individuell er-, durchlebt und verarbeitet und braucht ein eigenes Tempo und Zeit. Geben Sie sich und Ihrem Kind die Chance auf ein glückliches, erfülltes Leben und Aufwachsen in seinem „modifizierten“ Familiensystem.
- Holen Sie sich bei Bedarf professionelle Hilfe! Wenn es alleine nicht geht, kann Sie eine Mediation oder Beratung auf Suche nach Kompromisslösungen unterstützen.
Empfehlungen für jenen Elternteil, der nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt:
- Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es für Sie wichtig ist!
- Spontane Telefonate über alltägliche Begebenheiten stärken die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Eine lebendige Beziehung bedeutet Anteil am Alltäglichen zu haben, z. B. Hausaufgaben zu machen, das Kind vom Musikunterricht abzuholen oder mit seinen FreundInnen gemeinsam etwas zu unternehmen. Nicht die Anzahl der Stunden, sondern die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit macht eine tragfähige Beziehung aus.
- Die Zeit, in der Ihr Kind mit Ihnen zusammen ist, möchte es Sie als Mutter/Vater erleben. Es reicht nicht aus, Ihr Kind mit Geschenken und Aktivitäten zu überhäufen, Sie brauchen auch nicht immer Action anbieten. Schenken Sie ihm einfach gemeinsame Zeit.
- Ihr Kind wünscht sich einen regelmäßigen, sicheren, verlässlichen und persönlichen Kontakt zu Ihnen! Halten Sie sich an die Vereinbarungen, die Sie mit Ihrem Kind treffen, und machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht einhalten können. Ihr Kind wünscht sich auch ausreichend Zeit nur mit Ihnen allein – ohne Ihre/n neue/n PartnerIn oder Geschwister, und es wünscht sich gemeinsame Unternehmungen.
- Ihr Kind soll sich auch bei Ihnen zu Hause fühlen. So soll es ein eigenes Bett und eine eigene Spiel- oder Arbeitsecke haben, d. h. aber auch, dass es in diesem Zuhause Rechte und Pflichten hat.
Empfehlungen für jenen Elternteil, der mit dem Kind zusammenlebt:
- Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es Ihnen wichtig ist und dass Sie sich freuen, wenn es zu seinem Vater/seiner Mutter geht! Achten Sie darauf, dass das verbale und non-verbale Verhalten übereinstimmt. Kinder spüren, wenn Sie etwas nicht ehrlich meinen.
- Lassen Sie Ihr Kind auch während der Woche Zeit mit seinem Vater/seiner Mutter verbringen, so erlebt Ihr Kind seinen Vater/seine Mutter nicht nur als „Sonntags-papa“, sondern auch als Alltagsvater/Alltagsmutter, der/die sich z. B. auch um Hausaufgaben kümmert.
- Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Ihr Kind vor und nach den Besuchen bei seinem Vater/seiner Mutter mit Gereiztheit, Aggressionen, oder auch mit Weinerlichkeit reagiert. Jeder Besuch beim Vater/bei der Mutter ist verbunden mit einer Trennung von Ihnen, nach jeder verbrachten Zeit mit dem Vater/der Mutter muss sich das Kind auch wieder von ihm/ihr trennen. Und ein Kind braucht dafür Zeit, um diese Trennungs¬situationen ohne Angst und Wut akzeptieren zu können.
Keine Patentrezepte
Menschen leben ihre Elternrolle unterschiedlich aus, Kinder reagieren individuell verschieden auf Trennungen. Daher gibt es trotz aller Empfehlungen keine Patentrezepte, wie sich am besten mit den Hürden und Herausforderungen umgehen lässt, die eine Trennung für die/den Allerziehende/n und den anderen Elternteil mit sich bringt. Wichtige Begleiter auf diesem Weg sind aber auf alle Fälle Toleranz, Humor und Gelassenheit in Bezug auf sich, den/die Ex-PartnerIn und die gemeinsamen Kinder – auch wenn das nicht einfach ist und auch nicht immer sofort gelingt!
RAINBOWS: Seit 1991 begleitet und unterstützt RAINBOWS in ganz Österreich Kinder und Jugendliche, die eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erlebt haben oder vom Tod eines nahestehenden Menschen betroffen sind. RAINBOWS ist ein gruppenpädagogischer Ansatz und arbeitet präventiv. In 12 wöchentlichen Gruppentreffen unter der Leitung einer qualifizierten RAINBOWS-Gruppenleiterin werden nach einem bewährten Konzept wichtige Themen in Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung altersgerecht und kreativ bearbeitet. Die Kinder erhalten Anregungen, ihre Gefühle auf verschiedene Arten zum Ausdruck zu bringen und lernen, mit der neuen Familiensituation besser zu Recht zu kommen. Drei begleitende Gespräche mit den Eltern/-teilen runden das gruppenpädagogische Angebot ab.
Kommentare
Lea
Ich frage mich wozu es überhaupt Erziehungsstile gibt, für intakte Familien ist es selbstverständlich eine gemeinsame Linie zu fahren (wenn auch jeder es dann natürlich etwas anders umsetzt was ja auch okay ist ). Was ich aber nicht okay finde das bei getrennt lebenden Kindern alles verharmlost wird, plötzlich zählt eben gar nichts mehr kein Erziehungsstile und keine Einigung verlangt wird von getrennt lebenden Eltern, im Prinzip eine Trennung ja quasi ein Freischein ist alles so zu machen wie man das selbst für richtig hält auf Kosten der Versuchskaninchen Kinder. Bei getrennt lebenden Kindern ist plötzlich nur noch Misshandlung und Drogen (also wirklich extreme Gründe) der Grund um etwas daran zu ändern. GRÜNDE die in intakten Familien hoffentlich auch ganz hinten anstehen und fast schon surreal wirken um Ausflüxhte zu finden sich nicht zu einigen. Sorry aber ich denke ein kind kann nur profitieren wenn eltern auch zusammenarbeiten. Sonst könnte ich ja auch ein kind jeder x beliebigen fremden person anvertrauen. Ex Partner werden aber auch fremd und bei fremden Personen kann ich auch davon ausgehen, dass machen wie sie wollen. Der Mehrheit der Eltern ist aber dann doch eine erfahrene Person und ein bestimmter Erziehungsstil wichtig. Warum gilt das für getrennt lebende meist Väter nicht? Ich denke es ist für keinen ein Beinbruch sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und zu überlegen wie man eben bei Problemen agiert und da beide circa den selben Weg einschlagen. Wenn einem das alles zu hart ist sollte man sich eher ein Haustier anschaffen. Das ist dann das eigene und kann man erziehen wie man will. Das Kind ist auch getrennt das gemeinsame und es sollten Erzieher, Bezugspersonen und Eltern in etwa eine Richtung einschlagen. Aber das ist mein Kommentar