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„Lass mich los, ohne mich fallen zu lassen!“ – Identitätsentwicklung in der Pubertät

von Prof. Mag. Dr. Silvia Kronberger

Elternbildung
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In der Zeit der Adoleszenz stehen Jugendliche und deren Umgebung, vor allem die Eltern, vor einer Herausforderung, die in erster Linie mit Ablösung und Neuorientierung zu tun hat. Geschlechtliche Identitäten, die Auseinandersetzung mit bisher unbekannten Bedürfnissen, mit Normen und Tabus spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Was Eltern erleben, was sie bewegt und wie sie ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer jugendlichen Kinder erst nehmen und damit umgehen können, soll hier erörtert und diskursiv erarbeitet werden – dabei wird das Hauptaugenmerk wird auf den „Geschlechterfragen“ liegen.

Doing Gender und das ErwachsenwerdenElternbildung

Wir möchten uns mit Geschlecht und Pubertät befassen und stellen fest, dass allein schon die Begrifflichkeiten wenig Eindeutigkeit zulassen.

So kann Geschlecht als ein weibliches und ein männliches nicht so einfach und eindeutig  definiert werden, wie dies vor einigen Jahren noch der Fall war, sondern Geschlecht ist etwas, das immer wieder neu hergestellt wird (doing gender), es gibt unterschiedlichste Variationen von Gender und vor allem erscheint die Heterosexualität als gesellschaftliche Norm fast überwunden – wie auch an dieser Stelle schon deutlich beschrieben z. B. durch Martin Plöderl oder Conchita Wurst.

„Nicht nur aufgrund der ‚Jugendlichkeit‘ der Erwachsenen, sondern auch mit Blick auf die Heranwachsenden selbst, ist Jugendforschung schon seit längerem mit der Frage konfrontiert, ob von ‚Jugend‘ oder ‚Adoleszenz‘ überhaupt noch präzise gesprochen werden kann“ meint Vera King und somit wankt  auch der eindeutige Pubertätsbegriff.
Sowohl beim Thema Geschlecht als auch beim Thema Pubertät ist die Bedeutung körperlicher Faktoren oder Veränderungen (für die Pubertät: Geschlechtsreife) sozial konstruiert und von Kultur zu Kultur und auch innerhalb von Kulturen unterschiedlich kodiert.
Auf diesem unebenen Boden der Begrifflichkeiten versuchen wir dennoch weiterzudenken und kommen zu einer Gewissheit: in der  – wie immer definierten – Zeit der Pubertät geht es um Ablösung, um Ablösung als intersubjektiver und als intergenerationaler Prozess. ABER: die Ablösungsanforderung versteht sich  „(…) nicht nur als Ablösung von der, sondern auch als Ablösung der vorausgehenden Generation selbst“ (Vera King).
„Lass mich los, ohne mich fallen zu lassen!“ ist ein bekannter „Sager“, der die Nöte und Bedürfnisse  von pubertierenden Jugendlichen anschaulich beschreibt, aber beschreibt er nicht auch die Nöte der Eltern?
Zur Bewältigung der schwierigen Phasen in der Pubertät hilft die Auseinandersetzung, die Auseinandersetzung der Eltern mit den pubertierenden Kindern, aber auch die Auseinandersetzung der Eltern mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen – und Ängsten!
Dabei gilt: die Jugendlichen mit ihrem manchmal schwer nachvollziehbaren Verhalten und den dahinter befindlichen Gefühlen ERNST NEHMEN! Nicht einer Meinung zu sein, aber die Jugendlichen in ihrer so wichtigen und widersprüchlichen Lebensphase nicht allein zu lassen!
Eltern dürfen auch Bedürfnisse haben, wichtig dabei ist, sich damit zu beschäftigen, sich bewusst zu machen, dass nun die Phase der Kindheit vorbei ist – mit all der dazugehörigen Erleichterung aber auch Trauer. Das Erleben von Mutter und Vater dabei kann dabei sehr unterschiedlich sein, etwa wie und zu welchem Thema (z. B. Sexualität oder Homosexualität) der Vater mit der Tochter kommuniziert oder mit dem Sohn oder die Mutter mit der Tochter oder dem Sohn.
Die Geschlechterperspektive ist also bei allen an der Pubertät beteiligten Generationen bedeutsam. Um diese besser beleuchten zu können, hier einige Ergebnisse geschlechtsspezifischen Unterschiede, die in der Sozialisation ihren Ursprung haben und in der Pubertät bedeutsam werden, eingedenk oder trotz der oben beschriebenen Uneindeutigkeiten.

Unterschiedliche – oft widersprüchliche – InszenierungenElternbildung

Geschlecht, spielen in den Inszenierungen der Pubertät Inszenierungen des Körpers, Inszenierungen des medialen Auftritts, Inszenierungen, die als sexuelle oder normgeleitete – auch religiöse – Statements zu verstehen sind, spielen in der Pubertät eine entscheidende Rolle. Geschlecht spielt dabei eine entscheidende Rolle. Doch kann in diesem Zusammenhang nicht das Geschlecht alleiniges Unterscheidungsmerkmal sein, sondern Geschlecht wird als wichtiger Teil in einem intersektionalen  Zusammenwirken verschiedenerer „Diversitätslnien“ wie kulturelle und soziale Zugehörigkeit, Bildungsstand der Eltern, Kaufkraft etc. verstanden.
Noch einmal sei betont: die Kategorie Geschlecht beruft sich dabei nicht auf anatomische oder biologische Merkmale, sondern versteht sich als soziale Konstruktion, die „Weiblichkeit“ und  „Männlichkeit“ immer wieder neu herstellt und zueinander in eine hierarchische Beziehung setzt.
Sozialisationserfahrungen, die schon vor Beginn der Pubertät wirksam sind, kulminieren nun in unterschiedlichen Ausdrucksformen. Einige dieser Erfahrungen sind:

  • Zwiespältige Bewertung alles Körperlichen, einerseits haben die Jugendlichen oft wenig gelernt, ihren Körper selbst wahrzunehmen, anderseits haben sie sich in einer sexualisierten Gesellschaft zurechtzufinden, die von Mädchen und Burschen fundamental Unterschiedliches fordert, vor allem Schönheit, Empathie und soziale Kompetenzen von Mädchen, Durchsetzungsfähigkeit, Mut und „heldenhaftes“ Verhalten von den Burschen. Die Bedeutung der Medien, vor allem der sogenannten „Sozialen Medien“ und der Pornografie kann dabei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
  • Die Lebensentwürfe von Mädchen und Burschen sehen für beide Geschlechter Beruf UND Familie vor. Allerdings haben Mädchen und Burschen unterschiedliche Vorstellungen darüber, was das für sie bedeutet:
    • Burschen konzentrieren sich auf ihren beruflichen Werdegang und gehen davon aus, dass später einmal eine Frau den Bereich Familie (Kinderbetreuung, Haushalt, „Beziehungsarbeit“) für sie abdecken wird.
    • Mädchen bereiten sich in der Regel bewusst auf beide Bereiche vor und legen damit zu wenig Gewicht auf ihre intellektuellen Begabungen und Neigungen.
  • Buben investieren im Vergleich zu Mädchen (noch) wenig in soziale Kompetenzen, wie sie für Beziehungen und soziales Engagement nötig wären, konstruktive Verhaltensweisen, die als „mädchenhaft“ gelten, erhalten keine Wertschätzung.
  • Eher verlangen Väter geschlechtskonformes Verhalten und zwar vor allem von männlichen Kindern und Jugendlichen. Mädchen dürfen sich eher wie Burschen verhalten, kleiden – Burschen nicht wie Mädchen.
  • Die Berufs- und Studienwahl junger Menschen orientiert sich nach wie vor an Geschlechterstereotypen, kurz zusammengefasst: Mädchen bewegen sich im sozial- und geisteswissenschaftlichen, Burschen im naturwissenschaftlich-technischen Sektor, was bedeutet, dass viele Jugendliche nicht in den Bereichen beschäftigt sind, für die sie begabt sind, weil internalisierte Geschlechterstereotypen sie daran hindern.
  • Im Bezug zur Mutter vollziehen heranwachsende Buben einen Spagat: „Mutter ich brauche Dich, aber ich habe Dich nicht nötig.“
  • Mädchen suchen in der Pubertät eher das Gespräch mit der Mutter, der besten Freundin, facebook…
  • Burschen suchen sich selbst in der Pubertät eher im außerhäuslichen Bereich (peer-groups, Mut- und Bewährungsproben, Risikosportarten als Übungsfeld für Grenzerfahrungen), nicht selten spielen dabei aggressive sexuelle Bezüge eine Rolle.

Geschlechtersensible Pädagogik und ElternarbeitElternbildung

Letztlich gelten die Grundsätze einer geschlechtersensiblen oder geschlechterbewussten Pädagogik für die Zeit der Pubertät:

Mädchen sollte dabei geholfen werden

  • Grenzen setzen zu können um Eigenverantwortung für Körper, Sexualität, Gesundheit, emotionale und intellektuelle Bedürfnisse zu übernehmen.
  • Raum einzunehmen
  • Sich kritisch medialen Vorbildern, was Weiblichkeit zu sein hat und wie sie gelebt werden muss auseinanderzusetzen – auch und besonders im Bereich der Sexualität.
  • Anspruch auf Gleichwertigkeit und gleichgewichtige Einflussnahme durchzusetzen, diese sind Vorbedingungen für eine eigenständige Lebensplanung
  • Blickrichtung: Potenziale, Kenntnisse, Verhaltensweisen und Ziele, die bisher nicht als rollenkonform galten.

Burschen sollte dabei geholfen werden

  • Nähe zuzulassen, was Buben oft früh unterdrücken lernen mussten.
  • Sich kritisch medialen Vorbildern, was Männlichkeit zu sein hat und wie sie gelebt werden muss auseinanderzusetzen – auch und besonders im Bereich der Sexualität.
  • Grenzen akzeptieren zu lernen. Das mutet männlichen Jugendlichen zu, ihren Dominanzanspruch aufzugeben, nicht nur gegenüber dem weiblichen Geschlecht, sondern auch gegenüber anderen Burschen und dem eigenen Körper.
  • Vorteile eines kooperativen Verhaltens zu erfahren.
  • Blickrichtung: Potenziale, Kenntnisse, Verhaltensweisen und Ziele, die bisher nicht als rollenkonform galten.

Ziel einer geschlechterbewussten Pädagogik sind Potenzialentfaltung, Selbstwirksamkeit, gesellschaftliche Partizipation und – nicht zuletzt – ein selbstbestimmtes Leben für ALLE Geschlechter.

Quellen:

#heading_Prozess_und_Pers_nlichkeitsbildungKing, V.: Die Entstehung des Neuen in der Adoleszenz: Individuation, Generativität und Geschlecht in modernisierten Gesellschaften. Wiesbaden: 2013.
Kronberger, S.: Genderkompetenz in der PädagogInnenbildung NEU. Salzburg 2014. http://www.phsalzburg.at/fileadmin/PH_Dateien/Dateien_Zentren/DIVI/Mattias/Gender_Kompetenz_in_der_PaedagogInnenbildung_NEU.pdf

Kronberger, S.: Die unerhörten Geschlechterfragen. Gendertheoretische Diskurse und die schulische Praxis. In: Kronberger, S./ Kühberger, Ch./ Oberlechner, M. (Hgg.): Differenzlinien in der Lehramtsausbildung. Salzburg 2016.

Merz, V.: Salto, Rolle und Spagat. Basiswissen zum geschlechterbewussten Handeln in Alltag, Wissenschaft und Gesellschaft. Zürich 2007.

Virchow, F. Thomas, T. & Thiele, M. (Hg.): Medien, Krieg, Geschlecht. Affirmationen und Irritationen sozialer Ordnungen. Wiesbaden 2010.


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