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Warum Eltern ihre Kinder (nicht) impfen lassen – eine Annäherung an ein brisantes Thema

von Dr. Edith Flaschberger

Elternbildung
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Impfen sozial-historisch betrachtetElternbildung

Impfen ist ein sehr umstrittenes und viel diskutiertes Thema, das eine lange Tradition hat: Die Vorgänger der modernen Impfungen reichen bis ins alte China zurück, wo vermutlich schon um 1000 AD gegen Pocken vorgegangen wurde, indem man etwas Gewebe von Erkrankten in oberflächliche Wunden in der Haut oder auf die Nasenschleimhaut von Gesunden einbrachte. 1721 wurde diese Technik dann auch – unter starken Gegenstimmen – in Europa eingeführt. [1]

Die moderne Art von Impfungen mit weitaus höherer Wirksamkeit und Sicherheit ist und bleibt jedoch auch heute ein polarisierendes Thema. Während etwa die Pocken durch Impfungen weltweit ausgerottet werden konnten, kämpft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) darum, Impfraten international stabil zu halten. Masern und Röteln sollten nach dem Plan der WHO[2] [3]dem Beispiel der Pocken folgen, konnten aber noch nicht eliminiert werden. Das liegt insbesondere an unzureichender medizinischer Versorgung in Entwicklungsländern und auch an zunehmender Impfskepsis in den wohlhabenderen Teilen der Welt.

Ursache für die zunehmende Impfskepsis ist wohl die Erfolgsgeschichte des Impfens selbst: Die Menschen sind kaum noch mit bestimmten Erkrankungen konfrontiert, da es relativ hohe Durchimpfungsraten gibt. Dadurch entsteht bei einigen die Annahme, dass es nicht notwendig ist, gegen diese Krankheiten zu impfen. Man nennt das auch das Präventionsparadox.[4]

Unsere Zeit ist außerdem geprägt von fehlendem Vertrauen: in Pharmafirmen, in Wissenschaft, aber auch in Gesundheitsbehörden. Diverse Verschwörungstheorien ranken sich rund um Impfungen und werden oft unkritisch wiedergegeben. Gerade im Internet finden sich viele impfkritische Beiträge.[5]

In einer großangelegten, internationalen Studie[6] zeigt sich insbesondere in Ländern mit hohem Einkommen ein Zusammenhang zwischen dem Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft im Allgemeinen und der Einstellung zu Impfungen. Je mehr Vertrauen in die Wissenschaft, desto positiver sind die Einstellungen zu Impfungen. Ebenso zeigt sich, dass weltweit mehr als acht von zehn Personen (84%) angeben, dass sie Vertrauen in die Ratschläge von medizinischem Personal (wie z. B. Ärztinnen/ Ärzte und Pflegefachkräfte) haben, im Bereich Regierungsstellen ist das Vertrauen bei 76% vorhanden.

Impfentscheidungen als Herausforderung für ElternElternbildung

Gerade frischgebackene Eltern sehen sich häufig erstmals bewusst mit der Frage „Impfung – ja oder nein?“ konfrontiert. Noch dazu geht es darum, für jemand anderes (nämlich für das eigene Baby) zu entscheiden. Das ist für viele Eltern eine große Herausforderung. Erst beim Besuch in der Kinderarzt-Praxis wird das Thema üblicherweise aktuell. Ob es genug Zeit für ausführliche Beratung dazu gibt, variiert naturgemäß, scheint aber eher selten vorhanden zu sein. Die gute Beziehung zur Ärztin/ zum Arzt und adäquate Informationen durch sie/ihn wird als entscheidend für eine gut informierte und selbstbestimmte Impf-Entscheidung gesehen[7][8]. Viele fühlen sich allerdings allein gelassen, wissen nicht, welchen Quellen sie trauen können, wo sie sich informieren können.

Immer mehr Eltern suchen daher online nach Informationen zum Thema Kinder-Impfungen. Generell werden Gesundheitsinformationen sehr häufig im Internet konsumiert: Etwas über 50% der Menschen in Österreich respektive in Europa geben an, dass sie in den letzten Monaten Gesundheitsinformationen im Internet gesucht haben. [9] Gerade online werden immer wieder gängige Impf-Mythen und –Falschinformationen wiederholt. Zwar gibt es zahlenmäßig viel weniger Impfgegner/-innen als Impfbefürworter/-innen, aber sie sind gut vernetzt und bekunden ihre Standpunkte laut.[10] Zwischen den Fronten Impfbefürworter/-innen vs. Impfgegner/-innen gibt es aber noch die Gruppe der Impfskeptiker/-innen, die etwa nicht nach Empfehlung impfen oder bestimmte Impfungen auslassen.[11] Impfskeptiker/-innen sind die Gruppe, die sich am häufigsten mehr oder „bessere“ Informationen zum Thema wünscht.

Um eine Entscheidung bestmöglich treffen zu können, ist eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung notwendig. Bei dieser brauchen Eltern Unterstützung, indem sie „Gute Gesundheitsinformationen“ [12] [13] erhalten, d.h. auf aktueller wissenschaftlicher Evidenz beruhend, verständlich und den Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechend. Idealerweise wird die Zielgruppe einer Information auch in deren Erstellung eingebunden, sodass Relevanz und Anwendungsorientierung der Informationen sichergestellt werden können.

Daher möchte ich einen Appell für evidenzbasierte, verständliche und zielgruppenorientierte Informationen zum Impfen richten, sodass Eltern darin unterstützt werden, die für sie und ihr Kind beste Entscheidung zu treffen.

Tipps für Informationen zu Kinder-Impfungen:  Elternbildung

BMSGPK (2020): Die wichtigsten Informationen zum Thema Kinderimpfungen https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:6804e0b2-80d3-42a2-b382-9f5116304e9a/Kinderimpfbrosch%C3%BCre.pdf (letzter Aufruf: 1.9.2020)

BMSGPK (2019): Impfungen für Schulkinder und Jugendliche, https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:f7d52fff-cc0d-4b9e-b955-c38fb007baf1/200422_Impfungen-f%C3%BCr-Schulkinder-und-Jugendliche_pdfUA.pdf (letzter Aufruf 1.9.2020)

[1] The History of Vaccines, an Educational Resource by the College of Physicians of Philadelphia,

[2] Orenstein, W. A., Cairns, L., Hinman, A., Nkowane, B., Olivé, J. M., & Reingold, A. L. (2018). Measles and Rubella Global Strategic Plan 2012–2020 midterm review report: Background and summary. Vaccine, 36, A35-A42.

[3] World Health Organization (2012). Global measles and rubella strategic plan: WHO.

[4]Karafillakis, E., & Larson, H. J. (2017). The benefit of the doubt or doubts over benefits? A systematic literature review of perceived risks of vaccines in European populations. Vaccine, 35(37), 4840-4850.

[5]Karafillakis, E., & Larson, H. J. (2017). The benefit of the doubt or doubts over benefits? A systematic literature review of perceived risks of vaccines in European populations. Vaccine, 35(37), 4840-4850.

[6] Gallup (2019): Wellcome Global Monitor 2018. How does the world feel about science and health? London, UK: Wellcome Trust.

[7] Kundi, Michael; Obermeier, Patrick; Helfert, Stephanie; Oubari, Hiba; Fitzinger, Stefan; Yun, Jeong A.; Brix, Martin; Rath, Barbara (2015): The Impact of the Parent-Physician Relationship on Parental Vaccine Safety Perceptions. Current Drug Safety, 10, 16-22.

[8] Badur, S., Ota, M., Öztürk, S., Adegbola, R., & Dutta, A. (2020). Vaccine confidence: the keys to restoring trust. Human vaccines & immunotherapeutics, 16(5), 1007-1017.

[9] EUROSTAT (2019), https://ec.europa.eu/eurostat/en/web/products-eurostat-news/-/DDN-20200327-1, letzter Aufruf: 1.9.2020.

[10] Johnson, N. F., Velásquez, N., Restrepo, N. J., Leahy, R., Gabriel, N., El Oud, S., Zheng, M., Manrique, P., Wuchty, S. & Lupu, Y. (2020). The online competition between pro-and anti-vaccination views. Nature, 1-4.

[11] Larson, H. J. (2016). Vaccine trust and the limits of information. Science, 353(6305), 1207-1208.

[12] ÖPGK (2018): Gute Gesundheitsinformation Österreich. Die 15 Qualitätskriterien. Der Weg zum Methodenpapier – Anleitung für Organisationen. Wien, Graz: BMASGK, Frauengesundheitszentrum, ÖPGK, 3.Auflage

[13]ÖPGK (2019): Gute Gesundheitsinformation. ÖPGK-Factsheet, Version 04/2019. Wien: ÖPGK.


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