Warum Babymassage?
Aus der Bindungsforschung wissen wir, dass Menschen gute Beziehungen brauchen, um sich körperlich und seelisch gut zu entwickeln. In den allerersten Bindungserfahrungen zu den wichtigsten Bezugspersonen, entwickelt das Kind sein Selbstwertgefühl und es entstehen Muster für spätere Beziehungen im Leben.
Viele Eltern sind heutzutage verunsichert und haben nach der Geburt oft zum ersten Mal ein Baby in den Armen. Der Halt des Großfamilienverbandes fällt weg und es gibt einen hohen Perfektionsanspruch. Eine große Hilfe für eine gelungene Beziehung ist das Bonding. Darunter versteht man das Kennen lernen von Mama und Baby gleich nach der Geburt, idealerweise zwei bis drei Stunden in Hautkontakt. Glücklicherweise ist das in den meisten Entbindungskliniken heutzutage üblich. Damit ist schon ein guter Grundstein gelegt und das Stillen gelingt zumeist leichter. Weitere sehr hilfreiche Maßnahmen, um eine gute Bindung aufzubauen sind das Rooming in, das Tragen und die Babymassage.
Es gibt verschiedene Formen von Babymassage:
Indische Babymassage
Die traditionelle Form der Babymassage, wie sie in den meisten Babymassagekursen gelehrt wird, stammt ursprünglich aus Indien. Sie wurde von dem bekannten französischen Gynäkologen Frédérick Leboyer (1918-2017) in den 1970er Jahren nach Europa gebracht. Sein Buch “Sanfte Hände“ enthält viele schöne Fotos zur indischen Babymassage. Die Babys werden dabei ausgezogen und es wird ein hochwertiges naturbelassenes, kaltgepresstes Pflanzenöl verwendet, damit die Hände besser gleiten. In Indien wird traditionell häufig mit Sesamöl oder Senföl massiert, bei uns wird auch gerne Mandelöl, Olivenöl, Weizenkeimöl, Sonnenblumenöl, Ringelblumenöl, Jojobaöl oder Kokosöl verwendet. Wichtig ist, dass das Öl essbar sein sollte, da Babys die Hände häufig in den Mund stecken, und dass es geruchsneutral ist. In den ersten sechs Monaten sollten bei Babys daher möglichst keine ätherischen Öle oder andere geruchsintensive Substanzen beigemischt werden. Babys erkennen sich selbst und ihre Eltern auch am Geruch und sind verwirrt, wenn dieser plötzlich stark verändert ist.
Schmetterlingsbabymassage
Die Kinderärztin und Körpertherapeutin Dr. Eva Reich (1924-2008) entwickelte in den 1950er Jahren in Amerika die sogenannte Schmetterlingsbabymassage, die auch bei Neugeborenen und bei Frühgeborenen angewendet werden kann. Hier wird meistens kein Öl verwendet und das Kind kann auch angezogen bleiben. Ihren Namen bekam diese Form der Massage von den zarten streichenden Körperberührungen, die an Schmetterlingsflügel erinnern.
Positive Auswirkungen der Babymassage:
Die Babymassage stärkt die Bindung zwischen der massierenden Person und dem Baby, da die intensive Berührung dabei hilft, die Beziehung aufzubauen und zu fördern. Wie beim Bonding wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches das Liebeshormon, aber auch das Stillhormon ist. Das bewirkt auch, dass der Milchspendereflex leichter ausgelöst wird und die Milch besser fließen kann.
Möchte man eine neue Bezugsperson einführen, kann es hilfreich sein, wenn diese eine Zeitlang das Baby regelmäßig massiert, um die Beziehung zu stärken.
Die Massage entspannt und kann Schmerzen und Beschwerden lindern, da die Durchblutung angeregt wird. Eine bessere Durchblutung der Organe fördert auch die Selbstheilungskräfte. So kann das Massieren auch zu einer Erleichterung bei Bauschmerzen und Zahnen beitragen.
Es hat sich gezeigt, dass Babys, die regelmäßig massiert werden stabiler sind – also weniger schreien und seltener krank werden, da durch die bessere Durchblutung das Immunsystem gestärkt wird.
Die Massage dient aber auch dem Spannungsabbau. Tagesereignisse, Erlebnisse während der Geburt, aber auch aus der vorgeburtlichen Zeit, die im Körpergedächtnis gespeichert sind, können durch Berührungen erinnert werden, und die Babymassage kann auf diese Weise auch zu deren Verarbeitung beitragen.
Die liebevollen Berührungen helfen dem Baby auch beim Aufbau eines positiven Körpergefühls. Babys können ihre eigenen Körpergrenzen oft noch nicht so gut von denen der Mama differenzieren. Durch die Massage erleben sie sich als eigenständige Person wahrgenommen, was sehr zur Entwicklung und Stabilisierung ihres Selbstwertgefühles beiträgt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Babymassage sowohl auf der
- körperlichen als auch auf der
- psychischen Ebene wirksam ist und außerdem zur
- Bindungsförderung innerhalb der Familie beiträgt.
Wann massieren?
Der Besuch eines Kurses sollte nicht zu früh erfolgen, da das Ausziehen und die fremde Umgebung doch eine gewisse Belastung für das Neugeborene darstellen. Das ideale Alter für den Besuch eines Babymassagekurses liegt bei etwa zwei bis sieben Monaten. Daheim kann unter fachkundiger Anleitung selbstverständlich auch schon früher mit dem Massieren begonnen werden. Im Kurs oder in der Beratung können sich die Eltern Anregungen holen, das regelmäßige Massieren sollte aber zuhause stattfinden und im Idealfall ein fixer Bestandteil des Tagesablaufes werden.
Es ist hilfreich, wenn die Eltern ihr Kind genau beobachten und eine Zeit am Tag auswählen, in der das Baby sich wohl fühlt, wach und interessiert ist. Es sollte nicht zu hungrig oder müde sein, aber auch direkt nach einer ausgiebigen Mahlzeit ist nicht der ideale Zeitpunkt zum Massieren. Häufig wird die tägliche Massageeinheit in das Abendritual eingebaut, manchmal auch in Verbindung mit einem entspannenden Bad. Aber nicht für alle Babys ist dies der geeignete Zeitpunkt, um die Massage genießen zu können. Sollte das Kind abends schon zu überdreht sein, eignet sich vielleicht der Morgen oder der frühe Nachmittag besser.
Wie lange massieren?
Generell gilt: Je jünger das Baby, desto kürzer die Massageeinheit. Anfangs reichen oft fünf bis zehn Minuten. Diese Zeitspanne kann dann langsam gesteigert werden. Die Stimulation des gesamten Körpers, wie sie in den meisten Babymassagekursen gelehrt wird, dauert in etwa 40 Minuten.
Worauf achten?
Wichtig für die Eltern ist es dabei, die ganz Zeit über möglichst mit dem Baby im Kontakt zu bleiben. Das umfasst sowohl ununterbrochenen Köperkontakt, indem entweder eine Hand auf dem Körper des Kindes liegt, oder ein Bein des Babys das Bein der massierenden Person berührt, als auch Blickkontakt, der dazwischen immer wieder aufgenommen werden sollte, auch wenn das Baby im Raum herumschaut. Vor Beginn sollte man immer um Erlaubnis fragen und das Baby durch gleichbleibende Vorbereitungen (z. B. Hände reiben, Öl auf den Handflächen anwärmen etc.) darauf einstimmen. Die Massage selbst sollte möglichst ruhig, langsam und mit konstantem Druck erfolgen. Wenn das Baby unruhig wird, sollte man die Massage unterbrechen. Wichtig ist es, immer auf die Signale des Babys zu achten und nichts zu erzwingen, das Baby soll diese Zeit genießen! Keinesfalls sollte man massieren, wenn das Baby übermüdet ist, schreit, krank ist oder Fieber hat!
Idealerweise wird sich mit der Zeit ein Ritual entwickeln, auf das sich das Baby schon freuen kann. Babys lieben immer die gleiche Abfolge, das gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit.
„Wir müssen Babys so nähren, dass sie wirklich satt werden – innen und außen.“ (Frédérick Leboyer)
Michaela Schernthanner
Klinische und Gesundheitspsychologin, mehrjährige Berufserfahrung als Psychologin im Krankenhaus, bei pepp – Gemeinnütziger Verein für Eltern und Kinder in den Bereichen Psychologische Beratung, Gruppenleitung und Elternbildung tätig, Mutter eines Sohnes.
Kontakt: pepp, Kitzsteinhornstraße 45/4, 5700 Zell am See; Telefonnummer 0664-9688345, Mail: m.schernthanner@pepp.at
Pflege = Beziehung
Mehrmals am Tag erlebt das Baby, während es gebadet, gewickelt, an- und ausgezogen wird, dass es im Zentrum der Aufmerksamkeit der Mutter steht. Die Zuwendung, der Blickkontakt, das Sprechen gelten nur ihm, es muss sich gar nicht erst die Aufmerksamkeit der Mutter erkämpfen. Pflege befriedigt nicht nur körperliche, sondern auch seelische Bedürfnisse des Babys...
Kommentare
Danilo
Wow, dieser Artikel über die verschiedenen Massagearten war super aufschlussreich! Es gibt so viel zu entdecken in der Welt der Massage.
Jeanette
Vielen Dank für die tollen Infos. Ich bin Sonderpädagogin (1. Staatsexamen), seit etwa 33 Jahren tätig als Sprachtherapeutin. Außerdem habe ich einen Schwerpunkt: DaZ/DaF(Deutsch als Zweit- und Fremdsprache) seit Studium . Das heißt schon immer in der inklusiven Arbeit mit z.T. sehr jungen Kindern, Jugendlichen als auch Erwachsenen. In Deutschland. Vielleicht gibt es die Möglichkeit zu einem interdisziplinärem Austausch ?VLG Jeanette
Lydia
Sehr schöne Internetseite! Ich bin Kinderkrankenschwester und zertifizierte Kursleiterin für Babymassage und Kindermassage. Ich würde mich sehr freuen über Informationen zur Beziehungsförderung, Bindung und Bindungsfähigkeit. Herzliche Grüße, Lydia