Es ist noch gar nicht so lange her, da schwebte sie noch auf Wolke 7, meine Tochter. ..Permanent im Chat mit ihm, unterwegs zu zweit oder gemeinsam zu Hause. Alles schien perfekt, ab und zu gab’s eine Bemerkung, dass er „sooo süß“ ist. Und plötzlich, scheinbar aus dem Nichts ist alles anders: „Er hat Schluss gemacht mit mir, Mama“. Sie ist völlig verzweifelt, die Stimmung wechselt zwischen extrem wütend und tief traurig, gefolgt von einem Rückzug ins Zimmer. Weitere Infos gibt es zunächst nicht, Fragen nach dem Warum bleiben unbeantwortet oder münden in bittere Anklagen und Schuldzuweisungen. Als Mutter löst das bei mir zunächst mal Mitgefühl, vielleicht auch Ärger über den (nunmehr Ex-)Freund der Tochter aus, der ihr so etwas zumutet, der so mit ihr umgeht und der sie in einen solchen Zustand der Verzweiflung versetzt. Man schwingt als Elternteil emotional mit, und das ist auch verständlich. Es ist das eigene Kind, das verletzt ist, das von heftigen negativen Gefühlen überschwemmt wird und das man unglücklich sieht. Außerdem kennt man das meist auch aus der eigenen Biographie und weiß, wie schmerzhaft das Zerbrechen einer Liebesbeziehung sein kann.
Aber was tun, wie das eigene Kind trösten und unterstützen?
Zu allererst: so sehr wir es uns auch wünschen, vor Liebeskummer können wir unsere Kinder nicht schützen. Sich zu verlieben gehört zu den wichtigsten menschlichen Erfahrungen, es „passiert“ einfach. Dabei die Erfahrung zu machen und zu lernen, wer zu einem passt oder eben auch nicht, ist eine Entwicklungsaufgabe, mit der pubertierende Jugendliche konfrontiert sind. Auch, dass Gefühle sich verändern können, und auch eine scheinbar noch so große Liebe zu Ende gehen kann. Egal, ob sie „nur“ für ein paar Wochen oder längere Zeit angedauert hat. Die Heftigkeit der Gefühle ist ähnlich, hervorgerufen durch die Enttäuschung und Kränkung, wenn der Freund oder die Freundin die Beziehung aufkündigt. Denn das bedeutet letztendlich eine Zurückweisung der eigenen Person. Wenn sich ihr Sohn oder ihre Tochter in dieser Situation ihnen als Eltern(-teil) anvertrauen, ist das zunächst einmal ein großer Vertrauensbeweis. Wichtig ist es, dem Sohn oder der Tochter zu vermitteln, dass man deren Verzweiflung und Traurigkeit sieht, verstehen kann und zunächst einmal einfach Trost anzubieten. Manchmal hilft eine kurze Umarmung, manchmal sind auch ein paar verständnisvolle Worte hilfreich. Das Gefühl jemanden zu haben, der da ist und zuhört, ist meist schon einmal tröstlich. In der Phase ist die Heftigkeit der Gefühle noch so groß, dass weitere Fragen oft nicht möglich sind. Erst wenn der erste Schmerz nachlässt, wenn die Wut rausgeschrien, alle Tränen geweint sind, kommt der Zeitpunkt, zu dem die Tochter oder der Sohn Ihnen vielleicht mehr anvertraut. Dann ist gutes Zuhören und Hinhören angesagt – sich zunächst mal erzählen lassen, dann vielleicht auch kurze Fragen stellen zum besseren Verständnis. Und herausfinden, was es gibt, das den Schmerz lindern kann. Ob das nun die Lieblingsspeise ist, die man gemeinsam kocht oder ein Lieblingsfilm, den man sich wieder einmal gemeinsam ansieht. Das bringt gute Erinnerungen und hebt die Stimmung, lässt vielleicht den ersten zaghaften Gedanken zu, dass es auch ohne den nunmehrigen Ex-Freund bzw. die Ex-Freundin gute Zeiten gegeben hat. Oder es stellt sich heraus, dass sich ihr Sohn oder ihre Tochter schon bei der besten Freundin bzw. dem besten Freund oder in der Clique Unterstützung geholt hat. Beruhigend, denn beste Freunde finden meist die richtigen Worte, egal ob im persönlichen Gespräch oder via Smartphone und den Social Media Kanälen, auf denen sich die Jugendlichen bewegen. Wobei die ständige Verfügbarkeit in den Sozialen Medien, sonst eher weniger gern von Eltern gesehen, diesmal ein Vorteil ist, um andere als Ansprechpartner zu haben, vielleicht aufmunternde Botschaften von anderen Jugendlichen zu bekommen, die auch schon erlebt haben, wie sich Liebeskummer anfühlt und wie es ihnen gelungen ist, durch diese Phase „durchzutauchen“. Der virtuelle Kontakt mit anderen Jugendlichen kann sich auch als Ablenkung eignen, vermittelt das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein und motiviert eher dazu, sich in Folge auch wieder an gemeinsamen Aktivitäten zu beteiligen.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass die Tochter bzw. der Sohn noch im „Kampfmodus“ ist, die Beziehung unter allen Umständen retten möchte und das Beziehungsende nicht akzeptiert, sind Nachfragen heikel. Es besteht die Gefahr, als parteiisch zu gelten oder als Besserwisser. Hier braucht es viel Fingerspitzengefühl, um Erwartungen nach den Chancen eines Neubeginns abzufragen und Hoffnungen auf Veränderungen einschätzen zu helfen. Die Strategie, eine Liste mit Vor- und Nachteilen aufzustellen, die für bzw. gegen die Beziehung sprechen, ist hilfreich, mag im Gefühlschaos der Jugendlichen aber als zu kopflastig abgelehnt werden. Ist ein offenes Gespräch möglich, ist vor allem die Botschaft hilfreich, weiterhin für sie bzw. ihn dazu sein, auch wenn es schwierig bleibt. Das gibt den Jugendlichen Sicherheit (auch wenn sie das anderen gegenüber vermutlich nicht eingestehen würden…). Auch eigene Erfahrungen mit erstem Liebeskummer können die Perspektive aufzeigen, dass auch andere in einer ähnlichen Situation waren und dass man ihn auch übersteht. Eine weitere Enttäuschung kann damit natürlich nicht ausgeschlossen werden, aber manchmal braucht es einfach diese zusätzliche, schmerzhafte Erfahrung, um einen endgültigen Schlussstrich unter die Beziehung zu setzen.
Wenn Sie bemerken, dass ihre Tochter bzw. ihr Sohn zwischendurch kurz lächelt, wieder gut im Alltag angekommen ist, sich mit anderen trifft oder Sachen unternimmt, die Spaß machen, sollte das schlimmste überstanden sein. Hält die Trauer, Wut oder Hilflosigkeit oder der totale Rückzug jedoch über einen längeren Zeitraum an, sollten Sie darüber nachdenken, ob nicht eine Unterstützung durch eine Beratungsstelle angebracht ist. Direktkontakt mit Gesprächen oder, was vielen Jugendlichen leichter fällt, im ersten Schritt mal eine online-Beratung , angeboten beispielsweise von Rat auf Draht https://www.rataufdraht.at oder bei der Talkbox der MA 11 talkbox@ma11.wien.gv.at können hier hilfreich und entlastend sein.
Barbara Buchegger
ist pädagogische Leiterin der EU-Initiative Saferinternet.at und Expertin für Medienpädagogik, Internetsicherheit, digitale Kompetenzen, Onlinedidaktik und Erwachsenenbildung.
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Die erste Liebe findet heute online, wie offline statt. Auf welche Aspekte Eltern achten sollen, wenn sie ihre Kinder in der Phase der Adosleszenz begleiten, soll hier aufgezeigt werden
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