Nein-Sagen und Grenzen setzen gehört zweifellos zu den unangenehmen Seiten des Eltern-Daseins! Dazu gehört, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren – und es erfordert Klarheit und Standfestigkeit.
Wenn wir uns ein wenig in der Geschichte der Pädagogik umschauen, hat jeder Erziehungsstil so seinen eigenen Umgang mit der Grenzsetzung.
Der autoritäre Stil – Grenzen ohne Freiheit
Das eindeutige Erziehungsziel des autoritären Stils ist Gehorsam. Es hat das zu geschehen, was die Eltern wollen – Kritik oder Selber-denken ist nicht gefragt! Die Methoden der Wahl sind Bestrafung und/oder Belohnung, die Beziehung ist streng hierarchisch.
Kinder, die autoritär erzogen werden, sind oft angepasst, fast ängstlich, reagieren dafür in der Pubertät häufig rebellisch. Sie haben die Welt strikt in schwarz und weiß, gut und böse sowie richtig und falsch eingeteilt kennengelernt und sind auch im Erwachsenenalter immer wieder auf der Suche nach einer Autorität.
Der antiautoritäre Stil – Freiheit ohne Grenzen
Hier lautet das oberste Erziehungsziel: individuelle Selbstentwicklung! Modern wurde dieser Stil in den 60ern des letzten Jahrhunderts im Zuge der Studentenbewegung – dem Kind ist alles erlaubt, denn es soll sich frei entfalten können. Bei kindlichen Wünschen ist elterliches Nachgeben gefragt – wenn die elterliche Geduld dann nicht ausreicht, kippen selbst strikt antiautoritär erziehende Eltern doch in autoritäre Muster!
Auf den ersten Blick scheint dieser Erziehungsstil für das Kind recht angenehm, doch gerade so grenzenlos erzogene Kinder machen sich in ihrer scheinbar maßlosen Art auf die Suche nach Grenzen, in der Pubertät manchmal sogar auf selbstgefährdende Weise.
Beide Stile werden und wurden natürlich nicht in „Reinform“ gelebt, meist ist es ein Schwanken zwischen diesen Polen.
Die partnerschaftliche Eltern-Kind-Beziehung – Freiheit innerhalb von Grenzen
Sozial-Integrativ, demokratisch, autoritativ, partnerschaftlich – viele Bezeichnungen finden wir hier, sie alle pendeln sich etwa in der Mitte der beiden oben genannten Stile ein.
Der Umgang von Eltern und Kindern ist am besten von Respekt geprägt und partnerschaftlich, doch Achtung, hier passiert oft ein Missverständnis – mein Kind als gleichwertigen Mensch zu sehen, heißt nicht, dass dieses Kind auch gleichberechtigt ist. Wir Eltern haben mehrere Jahre Lebenserfahrung voraus und bei uns liegt die Entscheidung, welche Rechte und Verantwortung wir dem Kind gemäß seinem Alter, seiner Entwicklungsstufe, seinem Temperament und seinen Talenten überlassen.
Wo muss ich nun Grenzen setzen und wo nicht?
Eine gute Übung ist es, einmal zu überlegen: Was ist mir/uns wichtig? Welche Werte wollen wir unserem Kind vermitteln?
Oft liest und hört man den Ratschlag, so wenig Grenzen und Regeln wie möglich zu setzen bzw. aufzustellen – das ist bestimmt theoretisch richtig!
Bedenkt man jedoch, wie viele Regeln und Grenzen schon bei einer einzigen Mahlzeiten einzuhalten sind – beim Tisch sitzen, ruhig sitzen, mit Besteck essen, warten, bis alle fertig sind, Pommes nur ins Ketchup, nicht aber in Saft oder Nase stecken, … – merkt man schnell, wie schwierig dieser Rat umzusetzen ist.
„Von Kindern kann man ungeheuer viel lernen. Zum Beispiel wie lange es dauert, bis man seine Geduld verliert.“ (Franklin P. Jones)
Viele Mütter und Väter haben Angst, die Liebe ihres Kindes zu verlieren, wenn sie ihm Wünsche verwehren. Doch gerade bei materiellen Wünschen verkraften Kinder ein berechtigtes NEIN gut. Jenseits des Babyalters ist es eine wesentliche Lernerfahrung, dass nicht jedes Bedürfnis sofort und auf der Stelle erfüllt werden kann und dass auch auf die Bedürfnisse der Mitmenschen Rücksicht genommen wird.
Wichtig ist, dass Grenzen und Regeln eingebettet sind in ein liebevolles Miteinander und in verantwortliches Handeln, dass Eltern Werte nicht nur einfordern, sondern auch vorleben. Nicht ok ist es, eigene Ausraster oder willkürliche Machtdemonstrationen mit „Kinder brauchen eben Grenzen“ zu rechtfertigen!
Klassische Falle
Der Inhalt einer Botschaft macht nur 7% aus, ganz wesentlich sind daneben die Stimme und die Körpersprache. Kinder erkennen, ob das NEIN der Eltern ernst gemeint ist oder ob sie es „gefahrlos“ überhören können.
Wenn zum Beispiel das NEIN in eine Frage oder Bitte verwandelt wird: „Glaubst Du nicht auch, dass du schon genug Süßes gegessen hast?“ Nur wenige Kinder werden antworten: „Da hast Du recht, Mama!“ Sinnvoller wäre hier ein bestimmtes:“Ich finde, das waren genug Süßigkeiten für heute – ich möchte, dass du nun aufhörst zu naschen!“
Hilfreich ist es, vor einem NEIN einmal durchzuatmen und sich folgende Fragen zu stellen:
- Ist das NEIN jetzt wirklich notwendig?
- Besteht die Gefahr, dass jemand verletzt wird?
- Besteht die Gefahr, dass etwas irreparabel beschädigt wird?
- Habe ich die Kraft und Zeit, das NEIN auch durchzusetzen?
Denn dass sich ein NEIN unter Einsatz eines Trotz- oder Wutanfalls in ein JA verwandeln lässt, lernen Kinder recht schnell.
Fundamentalopposition
Es gibt eine Phase im Leben der Kleinkinder, in der es für sie kein JA zu geben scheint – Fundamentalopposition ist angesagt! NEIN selbst auf die Frage: „Magst Du ein Eis?“ Diese Zeit ist für Eltern manchmal schwer auszuhalten und nagt mitunter am eigenen Selbstwert. Aber so kann man gut nachfühlen, wie Kinder sich manchmal fühlen, wenn sie zu viele NEINs hören müssen.
Denn manchmal neigen wir Eltern dazu, schon „sicherheitshalber“ jede Frage der Kinder mit Nein zu beantworten – hier noch drei Tipps, um das eine oder andere NEIN zu vermeiden:
- Ja, später! – Wenn wir beispielsweise nicht prinzipiell gegen den angefragten Keks sind, aber halt nicht fünf Minuten vor dem Mittagessen!
- Moment, bitte! – Ein paar Atemzüge lang drüber nachdenken, wie wichtig ist das jetzt? Ist das Nein wirklich notwendig (und hab ich die Kraft, es auch durchzuziehen)?
- Überzeuge mich! – Die Alternative für etwas ältere Kinder, die mit der Sprache umgehen können – das geht übrigens schon recht gut mit Vier- bis Fünfjährigen, einfach ausprobieren! Und – sich von guten Argumenten überzeugen zu lassen, hat nichts mit Nachgeben zu tun!
Online-Workshop:
Grenzen setzen – und trotzdem bedürfnisorientiert erziehen
https://abenteuer-erziehung.teachable.com/p/grenzen-setzen-bedurfnisorientiert-erziehen
Kommentare
Isabea F.
Hallo, ich würde zwischen Konsequenz und Strafe immer unterscheiden. Bestrafung arbeitet immer mit Angst. ( Warte, bis Papa nach Hause kommt ) Eine Konsequenz tut das nicht. Sie ist die Antwort auf ein Verhalten. Die Konsequenz sollte immer direkt erfolgen, sie sollte im Zusammenhang mit dem Verhalten stehen. Auch 3 oder 4 Jährige Kinder können das verstehen. Ich würde die Konsequenz auch immer vorher ankündigen. " Ich möchte das du dich jetzt anziehst. Du kannst dich jetzt selber anziehen. Oder ich ziehe dich an. " Das würde ich auch noch ein zweites Mal wiederholen. Und ansonsten das Kind nehmen und anziehen. Denn natürlich sollte man das, was man sagt, auch umsetzten.
Florian
Eine Antwort auf Helenas Frage hätte ich auch gerne. Leider gibt es nie eine. STOP sagen, endlos wiederholen, begründen, reden ... ändert leider nichts.
Helena
Ich hätte eine Frage: Natürlich ist es wichtig, Grenzen zu setzen und diese konsequent einzufordern. Aber eine Konsequenz ist ja, meines Erachtens, gleichzusetzen mit einer Strafe. Zumindest wird es von den Kindern so erlebt. Zudem sollte man ja “wenn..., dann.....-Situationen, auch vermeiden. Wie könnte denn die Konsequenz für einen 3,5-Jährigen aussehen, wenn er sich nicht an eine Abmachung hält?