Vor einigen Jahren war es noch ein heißes Thema, ob denn der Begriff Familie auch im Kontext von homosexuellen Lebensgemeinschaften verwendet werden darf. Es wurde medial viel diskutiert und es war lange sehr umstritten, ob überhaupt eine Person mit homosexueller Orientierung Pflegeeltern sein kann und darf. Innerhalb der Pflegeelternschaft gab es bereits Jahre davor, wenn auch vereinzelt, lesbische Paare als Pflegeeltern oder Pflegemütter, die sich im Laufe ihres Lebens zu einer anderen sexuellen Orientierung bekannten und diese dann auch lebten.
Die Werbung ist ein sehr wichtiges und notwendiges Instrumentarium in der Kinder- und Jugendhilfe um Pflegeeltern zu rekrutieren. Daher wurde 2007 von der Gemeinde Wien beschlossen verschiedenste Paar- und Lebenskonstellationen, die es bereits in den bestehenden Pflegefamilien gab und auch zukünftig geben sollte, „vor den Vorhang zu holen“.
Das Echo war nicht nur medial enorm, sondern reichte auch weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Seit damals haben sich viele homosexuelle Paare oder auch Einzelpersonen als Pflegeeltern beworben. Und unsere Erfahrungen bestätigen immer wieder – wie auch die in den letzten Jahren veröffentlichten Studien – die Regenbogenfamilie ist eine „normale“ Familie. Vielleicht mit dem kleinen Unterschied, dass das „Anders-Sein“ offener gelebt wird und andere Lebensweisen mehr respektiert werden.
Was alle Pflegeeltern können müssen
Generell müssen Pflegeeltern einige besondere Eigenschaften mitbringen, die über eine „normale“ Elternschaft hinausgehen. Sie müssen in der Lage sein die Perspektive zu wechseln, sich in die Situation von anderen hineinversetzen können. Sie brauchen gegenüber dem Kind ein hohes Maß an Responsivität und Commitment. Aber genauso wichtig sind Fürsorglichkeit, Verlässlichkeit und Strukturiertheit im Zusammenleben. Pflegeeltern, -personen müssen selbstverständlich mit der Kinder- und Jugendhilfe kooperieren und bereit sein sich mit der Herkunft des Kindes, seinen Eltern und seine Geschichte konstruktiv auseinanderzusetzen. Studien über Regenbogenfamilien belegen,, dass gleichgeschlechtliche Eltern ebenso angemessen über die Fähigkeit verfügen Kinder zu erziehen und zu begleiten, wie heterosexuelle Eltern. Dort wo sie sich im Erziehungsverhalten von heterosexuellen Eltern unterscheiden ist im Angebot eines offenen und unterstützendes Familienklimas.
All diese Fähigkeiten sind wichtig, neben den wirtschaftlichen, gesundheitlichen und rechtlichen Voraussetzungen, die ebenso Regenbogenfamilien mitbringen. Aber sie bringen auch eine Lebenserfahrung mit, die für ein Zusammenleben mit einem Kind, das zwei Familien hat und sich manches Mal sehr zerrissen fühlt, bestens geeignet ist. Menschen mit anderer sexuellen Orientierung haben leider sehr oft erfahren müssen, dass die Gesellschaft pauschal über sie urteilt, sie abschätzig behandelt. Ihr „Coming-Out“ liegt oft schon Jahre zurück – auch das ist ein notwendiger Schritt, der bereits getan sein muss, wenn sich Frau/Mann für eine Pflegeelternschaft entschließt.
Schwule und lesbische Pflegeeltern haben im Zuge ihres Aufwachsens viele Diskussionen geführt. Sie sind diskriminiert worden und sie haben sich ein gutes soziales und tragfähiges Umfeld geschaffen. Sie stehen auch zu ihrem „Anders-Sein“. Sie wollen, so wie alle Pflegeeltern, mit einem Kind leben. Ein Kind durch sein Leben begleiten und leben, so wie alle anderen Pflegepersonen auch, mit dem Wissen, dass ein Kind zu seinen leiblichen Eltern zurück kehren kann.
Pflegekinder sind Kinder zweier Familien – auch in der Regenbogenfamilie
In allen Pflegefamilien leben Pflegekinder mit ihren zwei Familien und müssen diese im Laufe ihres Lebens in sich integrieren. Hier haben wir gerade von den lesbischen und schwulen Pflegepersonen ein hohes Maß an Toleranz gelernt. Gerade lesbische und schwule Pflegeeltern sind in der Regel anderen Menschen und Kulturen gegenüber sehr offen und sie bringen eine besondere Gabe mit: Wertschätzung und Respekt.
Und das ist für viele Eltern der Schlüssel, die Unterbringung ihrer Kinder in der Pflegefamilie zu akzeptieren. Denn diese Eltern mussten immer wieder erfahren, dass sie in ihrem Leben noch nie einer „normalen“ Familie entsprochen haben.
Ein Pflegekind, das in einer Regenbogenfamilie lebt, lebt selbstverständlich mit zwei Müttern oder mit zwei Vätern. Und ihr soziales Umfeld besteht, wie auch bei allen Pflegefamilien aus verschiedensten Personen, männlichen und weiblichen Geschlechts. Bis heute ist uns keine Situation bekannt, wo diese Kinder aufgrund ihres Aufwachsens in einer Regenbogenfamilie diskriminiert werden bzw. wurden.
„Mein Kind lebt bei schwulen oder lesbischen Pflegeeltern“
Für die leiblichen Eltern der Pflegekinder ist die Unterbringung ihres Kindes in einer Pflegefamilie ein schwieriger Schritt. Daher ist es gerade in dieser Situation sehr wichtig, dass den Eltern hohe Akzeptanz entgegengebracht wird. Im Zuge der Vermittlung des Kindes lernen Pflegeeltern und Eltern einander kennen. Dies ist keine einfache Situation, da sie auch von hoher Emotionalität geprägt ist. Doch durch die wertschätzende Haltung und Begegnung der schwulen und lesbischen Pflegepersonen fühlen sich diese Eltern angenommen, akzeptiert und nicht hinausgedrängt. Im Gegenteil, sie haben das Gefühl des Erwünscht- Seins. Und so gelingt es, dass sie mit ihrem Kind aktiv Kontakt halten und an seinem Leben Anteil nehmen können, in der Rolle als besuchende Eltern.
Die Erfahrung der letzten elf Jahre zeigt, dass mittlerweile der Umgang im Zuge einer Bewerbung für Pflegeelternschaft homosexueller Personen Normalität angenommen hat. Für die Kinder ist das Aufwachsen bei homosexuellen Pflegeeltern genauso normal, wie überhaupt das Aufwachsen eines Kindes in einer Pflegefamilie. Sie haben 2 Papas und eine Mama oder auch 3 Mamas. Für einige der Eltern, und hier sind es häufig alleinerziehende Mütter, denen es aus persönlichen Gründen nicht möglich ist, mit ihrem Kind zu leben, gibt es immer wieder den Wunsch, ihr Kind bei lesbischen oder schwulen Pflegefamilien aufwachsen zu sehen.
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