Obwohl Eltern eine wichtige Rolle als Bildungspromotoren im Kindergarten einnehmen könnten, wird diese unterstützende Ressource noch nicht ausreichend von Kindergartenpädagoginnen genützt. Nach unserer Erfahrung im Projekt SALTO hat dies mit einer klassischen Vorstellung zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zu tun. Umfragen, die wir in Zusammenarbeit mit der Erziehungswissenschaft der Universität Salzburg österreichweit durchgeführt haben, belegen dies. Von fast 400 befragten PädagogInnen gaben 79 % an, dass in ihrem Kindergarten folgende Partnerschaft vorherrscht: `Eltern vertrauen auf das pädagogische Konzept im Kindergarten und die Expertise der KindergartenpädagogInnen, d.h. Eltern werden informiert, bestimmen jedoch das Konzept im Kindergarten nicht mit (Paschon & Rückl, 2016).´ Nur in 9 % der Fälle wurde ein dialogisches Prinzip angegeben, d.h. Eltern können sich in das Konzept der Einrichtung einbringen und bei der Umsetzung von Angeboten unterstützen. Der Befund ist insofern bedeutsam, als sich Pädagoginnen einerseits mehr Mitarbeit von den Eltern wünschen und Eltern sich andererseits nicht aufdrängen möchten.
Talente-Liste und mehr
Im Rahmen des Elternmoduls von SALTO haben wir versucht dieses Dilemma anzugehen und den Dialog zwischen Eltern und Kindergarten zu fördern. Dabei haben wir folgende Maßnahmen im Kindergarten eingeführt: Eine Talenteliste, die am Elternabend von der Leitern des Kindergartens mit Unterstützung der SALTO-Begleiterin und den Eltern erstellt wurde. Konkret haben wir die Eltern nach sportlichen Hobbys, Menüvorlieben oder Ideen gefragt, wie sie die Themen Bewegung und Ernährung bei sich zu Hause umsetzen. Dabei hat sich herausgestellt, dass Eltern viele „Talente“ besitzen, die auch dem Kindergarten zugutekommen könnten. Ein Elternteil hat sich im Kindergarten als Judotrainer eingebracht, eine andere als Kinderjogainstruktorin und wieder ein anderer Elternteil hat im Kindergarten gezeigt wie man Sauerkraut macht. Mit Hilfe der Take-Home Activities wurden gezielt körperliche Aktivitäten im Wohnumfeld der Familie drinnen wie draußen angeregt (z.B. der bewegte Adventskalender). Die umgesetzten Ideen wurden von den Eltern über soziale Netzwerke miteinander geteilt und ausgetauscht. Beim Steh-Café konnten Eltern im Kindergarten mit einer Expertin in Kontakt treten, um Lösungen für konkrete Probleme im Familien-Alltag, wie z.B. „was tun, wenn mein Kind nicht zu Fuß gehen möchte“ oder „was kann ich tun, wenn ich mich um die Sicherheit meines Kindes (Schulweg) sorge?“, zu erarbeiten.
Mit Hilfe dieser drei Maßnahmen des Elternmoduls ist es nach einiger Zeit gelungen den Dialog zwischen Eltern und PädagogInnen stärker anzuregen. Während noch nach zwei Jahren Intervention 47 % der Pädagoginnen angaben, dass sich die Einstellung der Eltern zum Thema Gesundheit (Bewegung und Ernährung) kaum geändert hat, schrumpfte dieser Anteil nach weiteren 1,5 Jahren auf 23 % bei der Abschlussbefragung der selben Pädagoginnen (Maislinger-Parzer, 2018). Die Erfahrungen mit SALTO zeigen uns, dass es noch viel Potenzial in diesem Bereich gibt die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft weiter zu entwickeln. Jedoch muss dieser Prozess gezielt in diversen Einrichtungen, wie z.B. Eltern-Kind-Zentren und andere Familien-unterstützenden Angeboten, initiiert werden, um auf diese Weise z.B. mehr Bewegung in den Alltag der Kinder zu bringen.
Kleine Verletzungen schützen vor großen
Außer Zweifel steht, dass die geistige, seelische und physische Entwicklung eines Kindes insbesondere durch Bewegung, als Mittler des in der und mit der Welt seins, ausgebildet und gefördert werden. Auch wenn wir im Alltag das Gefühl haben, dass sich unsere Kinder von Natur aus bewegen und man eher dafür sorgen muss sie „zur Ruhe zu bringen“, so zeigen wissenschaftliche Studien, dass die Zeit, die Kinder im Sitzen zu bringen, deutlich zugenommen hat (Berglind et al., 2017). Nicht nur wir Erwachsene, auch Kinder, entwickeln sich mehr und mehr vom aufrecht gehenden Menschen hin zum „Sitzmenschen“. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der motorischen wie gesamten Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. So konnte nachgewiesen werden, dass Sprech-, Sprach- und Wahrnehmungsstörungen eng mit einem geringen motorischen Fertigkeitsniveau (Laufen, Springen, Klettern, Balancieren u. ä. m.) assoziiert sind (Kiphard 2014, Zimmer 2012). Auch die Möglichkeit (Lerngelegenheit) den Raum durch Bewegung, z.B. Krabbeln, Bärengang oder aufrechtes Gehen, zu erkunden, stellt bereits im ersten Lebensjahr eine wichtige Determinante zur Entwicklung des eigenen „Ichs“ dar (vgl. Michaelis et al., 2013). Schließlich: stolpern und fallen, Aktionen die bei Bewegung, Spiel und Sport vorkommen, müssen erfahren werden und schützen auf diese Weise vor großen Verletzungen, weil man gelernt hat den Sturz richtig abzufangen und weil man die körperlichen Voraussetzungen erworben hat das Gleichgewicht bei zu behalten.
Kinder haben ein Recht auf Bewegung!
Kindern ein bewegtes Umfeld zu schaffen ist sogar als Recht seit 1989 in der UN Kinderrechtskonvention verankert. Auch wenn dieser Aufruf uns zunächst unangenehm berührt, so macht er deutlich, dass es einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag gibt, Kindern ein gesundes und bewegtes Aufwachsen zu ermöglichen. Als Elternteil alleine fällt das im Alltag nicht immer leicht. Im Dialog mit anderen Eltern und PädagogInnen kann dies jedoch gelingen.
„Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht. (Nelson Mandela)“
Lassen Sie uns gemeinsam Spiel, Bewegung und Sport in den Alltag von Kindern bringen und auf diese Weise einen Beitrag zur Gesundheitsförderung leisten.
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